Das Karussel (2. Runde)

Markus Veith

Mitglied
Das Karussell

Wieder saust meine Kürbiskutsche am Ufer des Gedrängestroms vorüber. In einer Sekunde sehe ich ihn wieder. Und in der nächsten. Und in der nächsten. Seit unendlich vielen Sekunden und Gedrängestromausflügen. So lange sitze ich schon hier drin. Und immer geht es rund und rund. Und schnell. Und schneller. Immer noch schneller.
Dieses Karussell hat Hunderte Sachen drauf. Die vielen buntbemalten Pferdchen, die, auf Stangen mit Haltegriffen gespießt auf und ab traben und dabei noch zu lächeln scheinen. Die in ewiger Harmonie und artistischem Gleichmut nebeneinander fahrenden Motorräder. Die verkleinerten und statt aus Chrom und Lack aus Plastik bestehenden Cabriolets. Das Feuerwehrauto mit dem kleinen, wackeligen Feuerwehrmann auf der Leiter. Der Schlauch in seiner Hand ist kaputt, seine Uniform vom Fahrtwind zerfetzt. Manchmal habe ich den Eindruck, die Figur ist ein bißchen grün im Gesicht. Die Flächen, die den inneren Kreis zum Podest in der Mitte überspannen, lassen ihre ehemals schwarze und rote Farbe höchstens noch erahnen. Letzte breite Lappen rissigen Lacks flattern wie schmutziges Herbstlaub auf ihnen. Die zahlreichen Zahlen-Aufkleber sind nur noch vereinzelt vorhanden und die plumpe Hülle eines luftarmen Balls kämpft sich wie ein zäher Gugelhupf durch die Runde. Die Tiere - ich glaube, es sollen Tiere sein - die aus einem Trickfilm entsprungen zu sein scheinen, die stetig und schweigend jauchzend voranpreschen mit ihren gigantischen Ohren, ihren riesenhaften Nasen, ihren höchst albernen, quietschbunten Plastikkleidern und dem Gegrinse auf ihren abblätternden Akrylfratzen, das so breit ist, daß es droht, die Köpfe umzuknicken.
Mir ist, als drücke mich das Schweigen an die faulende Wand meiner Kürbiskutsche. Unten, wo der Gedrängefluß dahinfließt und sich zu Tode amüsiert, dröhnen die Highlights der Vergangenheit in die Welt. Es ist, als schrien sie unter der Folter nach Freiheit. Draußen rast das Kreischen im Wettgesang mit sich selbst, so, als versuche es, in das Ende eines Kreises zu beißen. Es zieht seine Konturen um mich herum, wickelt das Karussell und mich in bunte Schlieren ein. Meine schönen Augen falten sich gelangweilt ineinander. Meine schönen Augen sehen nichts Besonderes mehr. Meine schönen Augen überziehen sich von innen mit Moos. Ich stopfe sie mit feuchten Handtüchern aus.
Der Gedrängestrom rauscht vorbei. Noch mal. Und noch mal.
Doch hier drin ist es seltsam still. Unwirkliches Schweigen. Es gibt hier eine Stille, die man nur deshalb nicht hört, weil sie zu ständig und zu laut ist.
Die Kürbiskutsche hat nur eine Bank. Mit roten Plüschbezügen. Sie ist nicht hart, aber sehr schmal. Es ist sehr eng hier drin. Ich passe eigentlich nicht mehr hier hinein. Oder besser: Ich könnte hier nun nicht mehr hineinpassen. Denn ich bin ja hier drin. In den faulenden Wänden meiner Kürbiskutsche sitze ich zusammengesunken in der Ecke. Bloß meine schönen Augen kann ich bewegen. Mit großer Mühe auch den Kopf. Seit unendlichen Zeiten sitze ich in zentrifugal gepreßter Schräglage, schaue aus dem braun zerfransten Kürbisschalenfenster und versuche mich zu erinnern, wie ich hier hineingekommen bin. Wie lange ist es schon her, daß ich zugestiegen bin. Monate? Oder sind es bereits Jahre? Oder sind es Zeiten, die mit ihresgleichen nicht zu berechnen sind?
Wir waren noch Kinder, als ich sie in der Menge verlor. Ich hatte ihr eine Kunststoffrose geschossen. Sie hatte mir ein Lebkuchenherz geschenkt, auf dem
Ich liebe
dich
stand. In geschwungener Zuckergußschrift. In Plastikfolie verpackt. Verziert mit den Farben des hiesigen Fußballvereins. Ich habe ihr auch eins geschenkt. An einem gelben Geschenkband baumelte es um ihren Hals. Sie sagte, ich hätte schöne Augen. Ich sagte, sie seien beschämt unter ihren Wunderblicken. Mir kommt es vor, als sei es gestern gewesen.
Sie war hinreißend. Sie hatte sich ihre Lippen mit roter Paradiesapfelglasur verziert. Dann haben wir uns wie wild zwischen den Mülltonnen eines Freßstandes geliebt. Es war toll. In dem Lärm hörte man uns nicht. Ich kam auf den Resten eines Seelachsfilets im Biermantel zu liegen und zerquetschte es knuspernd und die Säume ihres hochgezogenen Frühlingskleides wurden mit fortgeworfenen Zuckerwatterüschen geschmückt.
Doch dann habe ich sie in der Menge verloren. Und wir waren doch noch so klein. Ich hatte keinerlei Chance, sie zu finden. - Welch Ironie des Schicksals! Ihre Einfachheit, ihre Natürlichkeit, gerade das, was ich immer so sehr an ihr geliebt habe, wurde nun zum Verhängnis. Sie war in der Menge kaum zu erkennen. Sie fiel kaum auf. Ich stemmte meine schönen Augen in den Gedrängestrom. Warf sie aus, um nach ihren Wunderblicken zu angeln. Weinend rief ich ihren Namen, ich pfiff und sang laut unser Lied. Aber so sehr ich auch suchte - finden konnte ich sie nicht.
Da entdeckte ich nach Tagen der Suche dieses Karussell. Es war herrlich anzusehen. Die leuchtend neuen Figuren und Reittiere jauchzten während der Fahrt vor Freude. Die glänzend polierten Fahrzeuge hupten und ihre Sirenen schrien wie ein Hochzeitszug. Der kleine, prunkvoll uniformierte Feuerwehrmann auf dem strahlend roten Leiterwagen spritzte mit seinem Schlauch Wasser in die erhitzte Menge. Das Dach und die Wände glühten in ständig wechselnden Lichtmustern und Schriftzügen. Das flache Zentrum des Karussels war abwechselnd mit grünen und roten, durcheinander nummerierten Feldern bespannt, zwischen denen ein weißer Ball lustig hin und her sprang, um gerade hier auf schwarzer 36, ungerade dort auf roter 1 kurz zu rasten, um aber gleich darauf fidel weiterzuhüpfen. In der Mitte befand sich ein hohes, reich verziertes Podest, auf dem eine wunderschöne Frau stand und auf einem immerzu sprudelnden Füllhorn jazzige Melodien spielte.
Mir blieb vor Freude beinahe das Herz stehen, so wunderschön war sie. Ihr langes, eisern silbernes Haar fiel ihr um die nackte, im Takt ihres Liedes wiegende Schulter. Über der anderen Schulter wallte eine schneeweiße Toga.
Das Karussell rief mich zu sich. Es war von Anfang an sehr freundlich zu mir. Ich solle näher kommen, es sei hier die Attraktion.
"NOCH EINMAL SPASS! NOCH EINMAL HIER MIT DABEI!" rief das Karussel in die Menge.
"UND JETZT GEHT'S NOCH EINMAL AB HIER!" sang Euphorie aus den Boxen.
"FESTHALTEN BITTE! JETZT GEBEN WIR HIER NOCH EINMAL RICHTIG GAS!" lockte es fröhlich.
"SPASS! SPASS! JEDE MENGE SPASS!"
Es versprach mir, mich zu trösten. Es redete mir ein, es wolle für Herzen gern mein Leben sein. Und da ich sehr viel geweint hatte und sehr müde war, nahm ich seine Einladung an. An der Kasse gab ich alles was ich hatte her. Alles, bis auf das Lebkuchenherz. Der grinsende Orang-Utan mit den roten Leuchtbirnenaugen, der in dem Kassenhäuschen saß, quittiert es nur mit einem gleichgültigen Nicken. Er trug eine rote, viel zu kleine Jacke, auf deren Namensschild am Revers Jack Pott geschrieben stand.
Auf diesem Karussell, so merkte ich, liegt zwischen den Fahrten ein Niemandsland. Hier hält das Leben die Luft an. Die Zeit wird komprimiert. Man hat unendlich viel von ihr.
Wie benommen vor Glück, endlich einen Trost gefunden zu haben, glitt ich wie auf Wolken zu der reich verzierten Kürbiskutsche. Frisch und prall sah sie aus, wie gerade erst gepflückt und für mich zurechtgeschnitzt. Sie roch nach Gold und schmeckte nach Edelsteinen. Ich nahm auf der roten Polsterbank Platz, versank genüßlich in den breiten Kissen und seufzte behaglich. Und dann, als sei es noch nicht Glückes genug, erschien das schöne, junge Mädchen.
Sie setzte sich einfach zu mir in die Kutsche und sah mich lange schweigend und stetig lächelnd an. Als meine Blicke bereits hoffnungslos in ihren Augen verankert waren, da streckte sie mir die Hand entgegen und hielt sie auf.
Unsicher fragte ich: "Was willst du von mir?"
"Alles was Recht ist", antwortete sie freundlich. "Hab keine Angst. Hab nur Glück. Man hat sich von dem ordnungsgemäßen Zustand des Karussels überzeugt. Diese Angaben sind wie immer ohne Gewähr. Alles was Recht ist." Ich zögerte. Da nahm sie mir ohne ein weiteres Wort mein Lebkuchenherz ab. Ich zitterte vor Erregung. Mein Verlangen nach ihr kochte über und verbrannte mich beinahe.
"Was kann ich dir noch geben? Bitte sag' es mir!" schrie ich.
"Alles - wenn's Recht ist", sagte sie ruhig lächelnd. "Diese Angaben sind wie immer -" Dann öffnete sie die Kürbistür, die in den inneren Bereich des Karussells führte und stieg aus. Langsam setzte sich das Karussell in Bewegung. Ich lachte vor Freude und wollte ihr gerade folgen - da knallte sie die Kutschentür vor meiner Nase ins Schloß. Die Leuchtschriftzüge an der hinteren Wand funkelten in hellen Intervallen auf. "Rien ne va plus! Rien ne vas plus!"
Verwirrt schaute ich sie durch das Kutschenfenster an. "Was soll das?" fragte ich. "Warum läßt du mich nicht mit dir gehen?"
Das Mädchen schüttelte bedauernd und doch unendlich freundlich den Kopf und wies auf ein Schild, daß auf dieser Seite des Karussells hinter einer breiten roten Linie auf dem Boden befestigt war.

Fahrgäste bitte
nur auf der anderen Seite aussteigen!!


Das Karussell wurde schneller. Erschrocken wandte ich mich um. Ich wollte hier raus, runter von dieser immer rasanter rotierenden Ebene. Doch auf der anderen Seite stand der Orang Utan aus dem Kassenhäuschen an der Tür. Seine Leuchtbirnenaugen grinsten mich an, als er ebenfalls auf ein Schild wies, das auf dieser Seite auf den schäbigen, von Fußtritten verschmutzten Holzboden genagelt war.


Das Aufstehen
oder Aussteigen während der Fahrt ist verboten!!


Ich glaube, ich erbleichte, während die Schrecksekunde Tage verstreichen ließ und mir meinen Verstand wundzuscheuern schien. Mit äußerster Anstrengung, denn das Karussell hatte inzwischen enorm an Geschwindigkeit zugenommen und machte meine kräftigen Fliehbewegungen zäh wie Teer, drehte ich mich zu der Schönen in der Toga um. Sie schaute mich weiterhin wie eingefroren lächelnd an und band sich eine schneeweiße Binde um die Augen, die ihr hervorragend stand. Mit sicheren Schritten stieg sie daraufhin wieder auf das Podest in der regungslosen Mitte des Karussells. Ihr Füllhorn war verschwunden. Statt dessen nahm sie eine Waage in die Hand. Auch diese stand ihr wundervoll.
Also, alles was Recht ist - sie sah göttlich aus.

Ich schaue auf meine Schuhe, um die Übelkeit zu unterdrücken, die seit ewigen Zeiten in meinem Magen wütet wie ein Teigrührgerät.
Das Holzpferdchen, das meine Kürbiskutsche zieht, blinzelt mir hölzern und traurig wissend zu. Die Messingglöckchen, mit denen sein Zaumzeug verziert ist, geben im Fahrtwind schrille Klänge von sich. Das Holzpferdchen wiehert stumm. Seit ich mit ihm fahre, hat es nichts zu Fressen gekriegt.
Die große Taube mit dem breiten Loch im Rücken, in dem man unbequem mit mehreren Personen sitzen kann, schwebt seit all den Jahren einige Meter vor mir her. Ihre Flügel sind angekettet. Man kann an den rostigen Strängen nach Bedarf ziehen und die Flügel bewegen. Aber das macht niemand. Seit ich hier fahre, hat die Taube nie eine Chance zum Fliegen bekommen. Ebenso der grüne Drache mit den gezackten Schwingen und den abgetretenen Pfotenstufen. Alles ist leer. Denn - und das habe ich beim Einsteigen nicht bemerkt:
Ich bin der einzige Fahrgast.

Die Frau mit der Waage in der Hand zieht immer wieder meine Blick auf sich. Majestätisch golden und regungslos steht sie immer noch in der Mitte des Karussells, den verbundenen Blick dem Gedrängestrom zugewandt, still und stolz und eisern. Ihre blendend weiße Toga wird von dem Fahrtsturm der ihr zu Füßen kreisenden Objekte wie in Zeitlupe aufgewirbelt.
Meine Kürbiskutsche saust am Ufer des Gedrängestroms vorüber. In der nächsten Sekunde sehe ich ihn wieder. In der nächsten wieder. Und immer wieder in der nächsten wieder und wieder und wieder. Immer geht es rund und rund und immer noch einmal rund. Jede Runde schneller. Jetzt geht's noch einmal ab hier. Noch einmal Spaß und noch einmal mit dabei. Jetzt geben wir noch einmal richtig Gas hier.
Ich werfe einen Blick meiner schönen, gelangweilten Augen in den Gedrängestrom. Der Blick ist flach und glatt und hüpft mehrere Male über die bunten Wogen hinweg. Aber er trifft ...
Ich traue meinen schönen Augen nicht. Ein umtostes Riff in der Brandung. An einem gelben Geschenkband baumelt ein Herz um einen Hals. Der Kragen des Frühlingskleides ist mit Zuckerwatterüschen verziert. Kurz und hart trifft mein Blick und wirft beim Aufprall Funken. Feuer fängt. Ihr Wunderblick flammt wie eine Wunderkerze in meinen Augen auf. Doch dann versinkt er in den Fluten.
Ich bin wie versteinert. Aber nureine Runde. In der nächsten Runde werfe ich das Handtuch aus meinen Augen. Ich entdecke ihren flüchtigenden Zuckergußkuß, der wie ein Schmetterling aus dem Gedrängestrom aufflattert und sehnsüchtig nach mir Ausschau hält.
"Nächste Runde", jagt mir durch den Kopf.
"Ich habe nur eine Sekunde", reiße ich die Arme hoch, daß meine so lange nicht gebrauchten Gelenke knirschen.
"Nur eine Sekunde", zermatscht meine fangende Hand mit einem Klatschen die faulende Wand der Kürbiskutsche. Angewidert ziehe ich den Arm zurück, stoße ihn durch die weiche Tür.
"Mehr nicht", gebärt sich mein Herz wie ein Hammerwerk. "Nur!" Durch die Decke. "Nur!" Mit den Ellenbogen in die Rückwand. "Nur!" Der Fuß läßt die Plüschbank explodieren. Es knallt wie am Schießstand. "Nur! Nur! Nur! Nur! Nur! Nur! Nur! Nur! Nur! Nur!" Jeder Schuß ein Treffer! Der rasante Fahrtsturm tut sein übriges. Er zerrt an den zerstoßenen, matschigen Löchern, reißt sie auseinander. Das Verdeck meiner Kürbiskutsche wird zerfetzt.
Klatscht der blöde grinsenden Trickfilmfigur gegen die marode Wurmlochnase. Ich stehe mich unter und setze mich wider.
Ich bin frei!! Frei bin ich!! OH, HIMMEL, BIN ICH FREI!! Über mir erblicke ich den bunten Blinkleuchtenhimmel.
Ich sehe den Gedrängestrom, sehe ihn branden und wuseln und strudeln.
Da flattert der Zuckergußkuß, zappelt über den unter ihm hinwegrauschenden Gefährten wie ein kleiner Vogel im Orkan.
Ich schnappe ihn mit den Lippen. Er schmeckt wie ein allererster Schluck Muttermilch. Erinnerungen preschen mir wie Feuerwerksraketen in den Kopf. Entzünden ein Furioso von lang vermißten Bildern. Ich halte Ausschau nach ihr. Nach dem Frühlingskleid. Nach den Zuckerwattenrüschen. Nach dem Lebkuchenherz in den Farben des Fußballvereins. Und ich entdecke es. Es pocht mir süß und breit wie eine braun-bunte Boje in dem am Alltag erkrankten Strom entgegen. Aber was nun. Das Karussell rast immer noch in der Runde. Unerbittlich jagt es im Kreis und kreischt mir entsetzt zu:
"UndjetztgehtsnocheinmalrichtigabhieraussteigenoderaufstehenwährendderfahrtverbotennocheinmalspaßnocheinmalmitdabeifahrgästebittenuraufderanderenSeiteaussteigenspaßspaßjedemengespaßfesthaltenbittebittebittefesthalten!!!!!!!!"

Wenn man sich im Kreise dreht, habe ich mal gehört, soll man einen bestimmten Punkt fixieren und der Schwindel hält sich in Grenzen.

Ich halte sie mit meinen Augen fest. Sie kerkert mich in ihre Blicke. Ihre Paradiesaugäpfel kleben meine in sich fest. Meine Wimpern wollen Anker sein. Sie krallen sich in ihr Lebkuchenherz und lassen nicht mehr los.
Ich merke erste Erschütterungen in der Maschinerie des Karussells. Es knarrt und stöhnt unter mir. Doch ich halte unseren Blick stand. Meine schönen Augen und ihre Wunderblicke werden zu wunderschönen Augenblicken.
Das Karussell wird krank. Erst nörgelt es nur. Dann beschwert es sich massiv. Dann aggressiv. Ruckelt und bockt wie ein Esel. Ich kann mich kaum halten. Ich drohe zu stürzen, ihren Wunderblick loszulassen. Doch der hat mich fest im schönen Auge. Da wirft mich das Holzpferdchen mit einem befreit wiehernden Blinzeln aus seinen aufgemalten Farbaugen in seinen Sattel. Verzweifelt heult der Fahrtsturm und verweht sich immer langsamer zu einer Böe.
Lächelnd steige ich von dem Holzpferdchen und gehe von der nun abgrundtief schweigenden Plattform herunter. Hinter mir kippt die Frau mit der Waage in der Hand wie von Zeitlupe geschubst nach vorne und zerklirrt auf dem grinsenden Drachen in tausend Scherben. Applaudierende Gischt braust aus dem Gedrängestrom auf. Begeisterung schwappt in die umstehenden Stände und wirft alle Dosen um. Doch ich höre von all dem kaum etwas. All meine Sinne sind bei ihr eingesperrt.
Ich gehe auf sie zu. Sie hat ihr Lebkuchenherz ausgepackt.
Ich liebe
dich
noch
steht darauf. Sie läßt mich davon abbeißen. Unsere Paradieaugäpfel gleißen dabei vor Glück. Dann fragt sie mich und ihre Worte klingen dabei so leicht und süß wie Zuckerwatte:
"Na, wie war's?"
 



 
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