Das Licht der Hoffnung

Scarlett

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Der Schmerz in ihrem Kopf überwältigte Carmen. Wie lange sie nun schon auf dem Boden ihres Badezimmers kauerte, wusste sie nicht mehr. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ein Blick in ihren kleinen Handspiegel, der sich in greifbarer Nähe befand, zeigte ihr, wie verhärmt sie mittlerweile durch die Schmerzen aussah.

Tränen der Verzweiflung rannen ihr über das Gesicht. Wie lebensfroh war sie all die Jahre gewesen. Jedes Kinderlachen hatte ihr Freude bereitet, jeder Schmetterling, den sie auf einer Blumenwiese sah, lies ihr Herz vor Glück höher schlagen.

Durch all diese wunderbaren Eigenschaften war sie stets sehr beliebt gewesen. Es gab doch schon so viel Kälte, Egoismus und Bosheit unter den Menschen. Das war Carmen von jeher unverständlich gewesen und sie wollte von Anfang an nicht zu dieser Sparte gehören.

34 Jahre war sie nun geworden und seit geraumer Zeit nistete sich wieder dieser Schmerz immer und immer wieder in ihren Kopf ein. Er kam in Schüben, wenn sie es am wenigsten erwartete. Der Schmerz lähmte Carmen, er raubte ihr sämtliche Lebensfreude. Er ließ die Stimmen der Anderen verzerrt klingen. Er peinigte sie so lange, bis sie sich traurig und verzweifelt zurückzog und niemand sehen wollte. Kein Schmerzmittel half ihr.

Dabei konnte sie so glücklich sein. Hatte sie doch eine wunderbare Familie und einen lieben Mann, der ihr stets zur Seite stand.

Organisch konnten alle Ärzte, die Carmen schon konsultiert hatte, nichts feststellen. Aber es musste doch eine Erklärung dafür geben. Sie bildete sich diese furchtbaren Schmerzen ja schließlich nicht ein.

An diesem düsteren, wolkenverhangenen Morgen war es besonders schlimm. Die Schmerzen hielten nun schon drei Tage in gleichem Maße an und sie begann, an ihnen zu zerbrechen.

War vielleicht der Tod die einzige Lösung aus diesem Tal der Schmerzen?

Energisch, unter Aufbietung ihrer letzten Kraft schüttelte sie den Kopf und versuchte ihr Spiegelbild lächeln zu lassen. Wenn sie diese Aktion auch schon einmal besser beherrschte, so sah sie doch, dass es noch immer funktionierte.

Carmen wischte sich die Tränen mit dem Handrücken fort, stand auf und ging in ihr Schlafzimmer, um sich anzuziehen.

Als sie einen Blick aus dem Fenster warf, sah sie es:

die Morgensonne warf in diesem Augenblick ihre Strahlen so breit durch die dichten Wolken, dass es einem wunderschönen Fächer glich.

Genau das hatte sie gebraucht. Carmen vergaß beim Betrachten dieses einzigartig schönen Naturschauspiels ihre Schmerzen und ihren Kummer und die ursprüngliche Lebensfreude kehrte langsam wieder.

Wie hatte sie nur freiwillig einen Gedanken an den Tod verschwenden können?

Sie musste sich nur den breiten Sonnen-Fächer ansehen, der sie an diesem dunklen Tag in neuer Hoffnung willkommen hieß.

Und mit Bestimmtheit wußte sie, daß alles gut werden würde.
 



 
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