Das Miststück

anemone

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Es war einmal ein Miststück, das lag einfach so im Weg herum. Jedem, der darauf trat blieb eine Kleinigkeit davon unter der Schuhsohle haften. Dabei wurde natürlich das Miststück immen etwas weniger, bis es auf einmal kaum noch vorhanden war.

Dafür steckte das Miststück allerdings unter sehr vielen anderen Schuhsohlen und sorgte für Gestank. Da war einmal die Schuhsohle des Pastors, der zum Bauern gekommen war, weil dieser im Pfarrgemeinderat eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatte. Er sollte die Noten für den Kirchenchor verwalten. Das Notenheft hielt er in der Hand, als er die Kirche betrat. Und schon hinterließ der Pastor sein kleines Miststück dort, wo er niederkniete, um den Mittelgang zu überqueren.

Nun wartete es vor der Kommunionbank auf den nächsten Schuh, denn Frau Dröse hatte schon geputzt.

Der Bauer selbst, an viele kleine und große Miststücke gewohnt, zog seine Schuhe aus, sobald er den Hof verlassen hatte.
Seine Arbeitsschuhe lagen in der Ecke und stanken vor sich hin, aber wen störte das? Selbst der Hund, der ihn ständig begleitete konnte sich nicht darüber aufregen. Des Bauern Füsse steckten jetz in seinen weichen Filzpantoffeln und er schlurfte damit der Dusche entgegen, die aus ihm endgültig den Geruch nach Stall und Vieh vertreiben sollte.

Dem Briefträger ging es da schon anders, der am Morgen leider über den Hof musste, um dem Landwirt den Einschreibebrief zu übergeben. Sein Miststück wollte so schnell seine Schuhsohle noch nicht verlassen, es blieb einfach an ihm hängen. Erst als er bei Elise seinen morgendlichen Kaffee trinken wollte, stieg dieser der Geruch in die Nase und seine Unterhaltung wurde jäh dadurch unterbrochen, dass sie ihm mit dem Kartoffelschälmesser unter der Nase herumfuchtelte und partou auf der Stelle seinen Schuh verlangte.

Sicher hat dieses Miststück an diesem Tag noch mehr Eindrücke hinterlassen, doch können wir den Weg nicht weiter verfolgen.

In der Kirche allerdings patschte Cornelius Knacks darauf und diesmal saß es sicher zwischen Laufsohle und Absatz.
Cornelius war schon lange nicht mehr zur Beichte gewesen und er hatte es immer wieder verschoben. Außerdem, wer ging denn heute noch beichten? Cornelius hatte mit diesem Kapitel abgeschlossen: Beichten ist etwas für die alten Mütterchen, die es sowieso nicht nötig hatten! So dachte Cornelius und doch: Wie kam es, dass er sich trotzdem in die Kirche verirrte?
 

anemone

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Folge 2

War es, weil Cornelius in der letzten Zeit so schlecht träumte oder weil seine Frau ihm täglich von Onkel Helmut berichtete, der elendig mit seiner Krebskrankheit kämpfen musste?

Nein, das war es wohl nicht oder doch? Cornelius ging durch das Portal weil er, wie es immer so seine Art war, einem hübschen jungen Mädchen gefolgt war. Als diese sich dann in die Bank vor den Beichtstühlen einreihte wollte er sehr schnell wieder die Kirche verlassen. Doch ausgerechnet in dem Moment, als er sich an der Bank vorbeidrücken wollte, kam der Pater herein und begrüßte ihn. Anschließend begab dieser sich sogleich in den Beichtstuhl.

Nun hockte er hier in der Bank, immer ein Auge auf das nette Mädchen gerichtet, die wie selbstverständlich in dieses seltsame Gebilde, was sich Beichtstuhl nennt, einstieg und hinter dem Vorhang niederkniete. Cornelius überlegte lange, bis ihm einfiel, dass er zuletzt vor seiner Kommunion beichtete, weil es alle taten. Es war seine erste und einzige Beichte in seinem Leben gewesen und weil es so selten geschah, erinnerte er sich noch an die Einzelheiten: Ja, zuerst kam ein Kreuzzeichen, dann müsste man sehen.

Das Mädchen verließ den Beichtstuhl schon wieder und kniete sich seitlich in eine Bank. „Ach ja, die Buße!“ ging es Cornelius durch den Kopf, also nicht gleich hinterher aus der Kirche verschwinden, auch das noch! Doch jetzt war die Reihe an ihn und er wollte sich vor dem Mädchen nicht blamieren.

Er machte es genauso, schob den dicken Vorhang zur Seite und kniete sich nieder. Das Kreuzzeichen und jetzt: „Ich habe gesündigt!“ redete er dem Ohr zu, welches sich hinter der Schnitzerei verbarg.

„Dann mal los, mein Sohn!“ so die Aufforderung vom Pater. Cornelius stammelte etwas von fremdgegangen und wollte nicht und einfach so passiert und nachdem das Ohr sich nicht rührte, fiel ihm immer mehr ein und er kam so richtig in Fahrt, doch plötzlich unterbrach ihn der Mann: „Sind Sie Landwirt?“ wollte er wissen. Cornelius wusste gar nicht, was diese Frage hier sollte, außerdem verlor er dadurch seinen Faden, dabei hatte er noch nicht die Hälfte seiner Schandtaten gebeichtet und jetzt war ihm danach, alles restlos loszuwerden. Verdutzt blickte er durch das Gitter, jedoch der Pater wendete ihm wieder sein Ohr zu. „Nein, bin ich nicht!“ klärte Cornelius auf und wendete sich wieder dem Ohr zu, um mit der Fortsetzung zu beginnen. Er konnte nicht erkennen, dass sich der Pater ein Taschentuch unter die Nase hielt und seine Stimme wisperte die Sünden von zig Jahren herunter. Es war eine endlos lange Leier und die arme Frau, welche nach ihm die Kirche betreten hatte, um ebenfalls zu beichten musste unendlich büßen, indem sie wartete und wartete.

Doch jetzt verstummte seine Wisperstimme und der Pater erteilte ihm die Absolution, indem er ihn segnete und mit der Aufforderung entließ, noch 10 Ave Maria und 20 Vaterunser zu beten. Diese Strafe war nicht zu hart fand auch Cornelius und frohen Herzens verließ er den Beichtstuhl wieder. Der Pater atmete auf und musste sich kurz die Beine vertreten. Doch seltsamerweise kam auch Maria, die sofort auf den Beichtstuhl zugestürzt war, sobald Cornelius ihn verlassen hatte,
wieder Hals über Kopf hinaus. Das war ja nicht auszuhalten! Dieser Gestank! Bei Maria ging dann anschließend alles sehr schnell. Cornelius hatte gerade das erste Vaterunser hinter sich, da war Maria schon wieder draußen, doch sie nahm einen großen Bogen und setzte sich weit von ihm weg in eine andere Bank.

Fortsetzung
 

anemone

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letzte Folge

Cornelius Strafe erschien ihm wenig später dann doch nicht mehr so gering, denn er bekam das Vaterunser nicht mehr zusammen und das Ave Maria erst recht nicht. Doch für diese Fälle gab es wohl Gebetbücher am Eingang der Kirche und er lief los, um sich von denen eins zu holen. Der Pater hatte seinen Beichtstuhl inzwischen verlassen und zum ersten mal stieg Cornelius dieser Geruch in die Nase, als er unmittelbar an dem Beichtstuhl vorbeilief.

- Diese Sünden stinken ja zum Himmel! – ging es ihm durch den Kopf und während er so in dem Gebetbuch blätterte und sich nochmal zurück in die Bank begab, roch er es wieder.

Tatsächlich gleich vornean fand er die Gebete und nun war es für ihn nur noch eine Kleinigkeit und unter Zuhilfenahme seiner Finger war die Buße bald verrichtet und schon stand Cornelius draußen und blinzelte in die Sonne, die sich spät noch einmal anschickte einen Ausflug zu unternehmen.

Cornelius reckte sich, er fühlte sich wie neu geboren und auch diesmal sah er wieder dieses Mädchen in eine Bäckerei hineingehen, dass ihn mit dem geilen Hintern und den langen dunklen Haaren in die Kirche gelockt hatte. Er sah wieder auf diesen Hintern und musste feststellen, dass es sich sehr natürlich bewegte. Vor sich sah er ein ganz normales Mädchen, welches nichts Aufreizendes an sich hatte. Es trat aus der Bäckerei hinaus und winkte ihm zu. Es schien ihm etwas sagen zu wollen. Diesmal hatte das Mädchen ein Brot in der Hand und kam direkt auf ihn zu.

Cornelius ging ihr entgegen und sogleich sprudelte es aus ihr heraus: „Vermutlich haben Sie es noch nicht einmal bemerkt, aber Sie hatten da eben etwas unter Ihrem Schuh,.......“
Cornelius hatte tatsächlich nichts bemerkt und hob den Absatz um darunterschauen zu können. „Das gibt’s doch nicht!“ entfuhr es ihm.
„Ich sah es, als sie in der Bank knieten und wollte es ihnen sagen, aber da waren sie schon im Beichtstuhl verschwunden.“ Er bedankte sich bei dem Mädchen und setzte sich auf die Stufen vor dem Kircheneingang. Vorsichtig entfernte er das Miststück von seiner Sohle und sagte bei sich:

„Wir haben einiges gemeinsam, weißt du das?. Es gibt nur einen Unterschied zwischen uns, Du wirst immer ein Miststück bleiben, wohin du auch gerätst!“ Der Küster, der gerade dem Kircheneingang zustrebte schüttelte verwundert seinen Kopf über diesen sonderbaren Mann, der mit sich selbst sprach.
 



 
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