Das Mitleid
Pandit, ein indischer Kaufmann, hatte in seiner Jugend durch Gleichgültigkeit beinahe den Todes eines Menschen verschuldet. Letztlich war damals alles gut gegangen und niemand wußte von seiner Verfehlung. Doch ihn ließen seitdem die Schuldgefühle nicht mehr los und er überlegte sich oft schreckerfüllt, wie sehr er sein Karma wohl belastet haben möge. Immer, wenn ihm etwas widriges geschah, wenn er gedemütigt wurde oder eine geschäftliche Unternehmung mißlang, sah er es als Strafe, als gerechte Folge seines Handels an. Dies half ihm einerseits, mit Enttäuschungen umzugehen, machte ihn andererseits aber auch ungeduldig. Irgendwann, so sagte er sich, müßte das negative Karma doch abgebaut sein. Es ging so Jahr um Jahr, er nahm alle Niederschläge – und deren waren es nicht wenig – als reuiger Sünder hin, aber seine Unzufriedenheit wuchs, er konnte den Tag nicht erwarten, an dem er genug gebüßt habe, an dem es endlich aufwärts ging und er, geläutert und rein, ein neues, erfolgreiches Leben beginnen könne.
Aber die Mißerfolge, die kleinen und größeren Niederlagen häuften sich, je älter er wurde. Da beschloß er, einen Sadhu aufzusuchen. Es gab derer viele, aber keiner schien ihm kompetent genug. Schließlich wurde er von den Brahmanen an einen alten, unscheinbaren Büßer verwiesen, der jahrein, jahraus unter einem mächtigen Pandanusbaum saß und sich von Opfergaben ernährte. Pandit schilderte sein Problem und die in seiner Jugend begründete, so lang zurückliegende Ursache. Vielleicht hatte er gehofft, der Sadhu würde etwas tröstendes sagen, doch der seufzte: „Das ist schlimm. Du hast dein Karma schwer belastet.“ Da erzählte der Kaufmann ihm von all den Schicksalsschlägen, die er in all den Jahren erlitten hatte. „Sag mir“, fragte er hoffnungsvoll, „wieviel habe ich abgebüßt, wie lange werde ich noch leiden müssen ?“ Der Alte sprach: „Nur so viel wie einen Windhauch am Abend hast du abgezahlt.“ Er wies auf den prächtig belaubten Baum: „Und so viele Blätter, wie der Baum hat, so viele Leben lang mußt du büßen.“ Das brach der Sünder weinend zusammen. Der Heilige legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter: „Ich möchte dein Leid mit Dir teilen. Ich habe Mitleid mit Dir.“ Pandit schluchzte: „Was nutzt mir dein Mitleid, wo ich auf tausend Leben hinaus verdammt bin ! Oh, wie bereue ich meine Sünden, ich bin verloren !“ Da lächelte der Weise: „Es ist dir alles schon vergeben.“
Pandit, ein indischer Kaufmann, hatte in seiner Jugend durch Gleichgültigkeit beinahe den Todes eines Menschen verschuldet. Letztlich war damals alles gut gegangen und niemand wußte von seiner Verfehlung. Doch ihn ließen seitdem die Schuldgefühle nicht mehr los und er überlegte sich oft schreckerfüllt, wie sehr er sein Karma wohl belastet haben möge. Immer, wenn ihm etwas widriges geschah, wenn er gedemütigt wurde oder eine geschäftliche Unternehmung mißlang, sah er es als Strafe, als gerechte Folge seines Handels an. Dies half ihm einerseits, mit Enttäuschungen umzugehen, machte ihn andererseits aber auch ungeduldig. Irgendwann, so sagte er sich, müßte das negative Karma doch abgebaut sein. Es ging so Jahr um Jahr, er nahm alle Niederschläge – und deren waren es nicht wenig – als reuiger Sünder hin, aber seine Unzufriedenheit wuchs, er konnte den Tag nicht erwarten, an dem er genug gebüßt habe, an dem es endlich aufwärts ging und er, geläutert und rein, ein neues, erfolgreiches Leben beginnen könne.
Aber die Mißerfolge, die kleinen und größeren Niederlagen häuften sich, je älter er wurde. Da beschloß er, einen Sadhu aufzusuchen. Es gab derer viele, aber keiner schien ihm kompetent genug. Schließlich wurde er von den Brahmanen an einen alten, unscheinbaren Büßer verwiesen, der jahrein, jahraus unter einem mächtigen Pandanusbaum saß und sich von Opfergaben ernährte. Pandit schilderte sein Problem und die in seiner Jugend begründete, so lang zurückliegende Ursache. Vielleicht hatte er gehofft, der Sadhu würde etwas tröstendes sagen, doch der seufzte: „Das ist schlimm. Du hast dein Karma schwer belastet.“ Da erzählte der Kaufmann ihm von all den Schicksalsschlägen, die er in all den Jahren erlitten hatte. „Sag mir“, fragte er hoffnungsvoll, „wieviel habe ich abgebüßt, wie lange werde ich noch leiden müssen ?“ Der Alte sprach: „Nur so viel wie einen Windhauch am Abend hast du abgezahlt.“ Er wies auf den prächtig belaubten Baum: „Und so viele Blätter, wie der Baum hat, so viele Leben lang mußt du büßen.“ Das brach der Sünder weinend zusammen. Der Heilige legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter: „Ich möchte dein Leid mit Dir teilen. Ich habe Mitleid mit Dir.“ Pandit schluchzte: „Was nutzt mir dein Mitleid, wo ich auf tausend Leben hinaus verdammt bin ! Oh, wie bereue ich meine Sünden, ich bin verloren !“ Da lächelte der Weise: „Es ist dir alles schon vergeben.“