Das Moorbad

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apokabraxas

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Es war ein Sonntag, wie man ihn sich an grauen, langweiligen Wochentagen erträumt: Wolken, die an weiße Wollknäuel erinnern, zogen über einen tiefblauen Himmel, der Sonnenschein setzte der Landschaft Glanzlichter auf, die sonntägliche Ruhe wurde nur vom Vogelgezwitscher unterbrochen, ein Bilderbuch-Sonntag mit einem herrlichen Ausflugswetter.
Das Ziel des Paares war das Hohe Venn im Deutsch-Belgischen Naturpark in der Nähe von Monschau. Es bot sich dem Wanderer so dar, wie im Lexikon beschrieben: eine einmalige, urzeitliche Sumpf-Landschaft mit besonderer Pflanzen- und Tierwelt, die so nur im Hohen Venn vorkommt. Der Blick schweifte bis zum Horizont, nur wenige Bäume reckten ihre windgekrümmten, krüppeligen Äste dem Himmel entgegen.
Der Himmel wirkte dramatisch, da gleichzeitig graue Regen- und weiße Schönwetterwolken an einem blauen Horizont vorbeizogen. Schmale, schwankende Holzstege teilten das Sumpfgebiet und boten dem Wanderer einen sicheren Weg.

Da huschte eine winzige Echse, farblich perfekt der erdigen Landschaft angepasst, über die Holzstege, zeigte sich einen Moment dem staunenden Betrachter und war dann blitzschnell wieder verschwunden.
Sie riskierte einen Schritt neben die Holzplanken, der Untergund war weich, gab nach, Wasser gurgelte hoch; ihr kamen Geschichten in den Sinn von elend im Moor Ertrunkenen und sie zog erschrocken den Fuß zurück.
Sie verlor das Interesse an den Früchten der vielen Blaubeer- und Preiselbeerstäucher, die hier wohl den einzigen greifbaren Reichtum boten und betrachtete sie nur noch als Farbtupfer am Wegesrand.
Eine Torfschnittstelle erinnerte daran, daß Torf das einzige verfügbare Heizmaterial für Generationen armer Vennbauern war, die dieses kostbare Gut mühsam in Säcken auf dem Rücken nach Hause schleppen mussten, um die extrem kalten Winter zu überstehen.
Diese eigentümlich schöne Landschaft wollte sie mit der Kamera einfangen. Das rosa-weiß der Erika wird ein schöner Farbklecks sein, ein prima Vordergrund, dachte sie und ging in die Hocke. Die schmalen Holzstege schwankten, sie wurde unsicher, verlor das Gleichgewicht und landete wie ein Käfer auf dem Rücken, neben dem Holzsteg, im Moor.
Sie spürte, wie die Feuchtigkeit an ihrem Rücken hochkroch, der Boden triefte vor Nässe, aber Wurzeln boten einen festen Untergrund, und so gelangte sie wieder auf den Holzsteg.
Die Frage ihres Liebsten, ob sie ein Moorbad nehmen wollte, ignorierte sie, schoß ihre Fotos, aber sitzend, schlang ihren Pulli um die nassen Hüften und marschierte weiter - Richtung Heimat.
 



 
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