Das Schreiben

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Pupuze

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Das Schreiben

Ich habe angefangen zu schreiben. Nein, nicht erst jetzt, eigentlich versuche ich schon seit knapp einem Jahr an einem Buch zu schreiben. Mit wenig Erfolg. Leider bringe ich es nicht fertig, kontinuierlich an der Geschichte zu arbeiten. Und wenn ich dann längere Pausen mache, vergesse ich, was ich zuletzt geschrieben habe. Und dann, wenn ich schreibe, galoppiere ich so dermaßen da durch, dass selbst mir beim Lesen schwindelig wird. Die Story ist wirklich gut; davon bin ich nach wie vor überzeugt. Aber wer soll sie schreiben?

Zu meiner Verteidigung möchte ich anmerken, dass ich berufstätig bin und auch nicht gerade viel Zeit übrig habe. Ich arbeite sogar in einer Branche, in der es keine 30 Tage Urlaub im Jahr gibt. Das nur am Rande.

Die Muse verließ mich nicht von heute auf morgen. Es war eher ein schleichender Prozess. Dabei hatte ich doch wirklich sehr gute Literatur, die mich beim Schreiben unterstützen sollte. Am Anfang half sie auch. Ich schrieb - nein, malen wäre das richtige Wort - die Handlung auf einem großen Karton auf. Zum besseren Überblick, die Stichpunkte und die Stationen meines Helden. (Seitdem hängt dieses überdimensionale handgekritzelte Poster bei uns im Gästezimmer, wo auch der alte Mac von meinem Freund steht, an dem die Geschichte angefangen hat. Aber dazu gleich mehr.) Dann sollte ich täglich schreiben. Quälen sollte man sich, sich angewöhnen, immer zur gleichen Zeit zu schreiben. Das taten und tun alle großen Autoren, stand in meinem Schreib-Guide drin, also tat ich es auch, zumindest eine Zeit lang. Ich nahm mir vor, mindestens eine Stunde vor dem Rechner zu sitzen, auch auf die Gefahr hin, kein einziges Wort geschrieben zu haben. So versuchte ich mir anzugewöhnen, morgens eine Stunde früher aufzustehen, um dann in dicken Socken und mit einer heißen Tasse Tee frierend den Rechner anzustarren, während mein besonnener Freund und meine immer kluge Katze noch im warmen Bett im Tiefschlaf träumten. Wenn wenigstens die Vögel gezwitschert hätten.

Saß ich da, und kam die Muse doch vorbei, ärgerte mich der alte Mac. Der konnte leider kein Word vertragen, und somit war ich gezwungen, mit dem simpelsten Schreibprogramm seit Erfindung des Papierbogens zu arbeiten. Das unterstützte nicht gerade meine Schreibtätigkeit, da auch die Tastatur verdammt harte Schläge brauchte, bis die Buchstaben ausgespuckt wurden. Ich habe nämlich im Zuge meiner Ausbildung Zehnfinger-Schreiben an der guten alten Schreibmaschine gelernt und kann sehr schnell tippen. So war der alte Mac mit mir sehr überfordert, und ich fluchte, weil andauernd Buchstaben fehlten. Immer diese Hindernisse ...

Als es dann langsam Frühling wurde, war ich, trotz der verordneten morgendlichen Pflichtstunde, nicht weit gekommen. Meine Geschichte war nicht über die Hotelszene hinausgewachsen. Außerdem war es nun zeitlich eng geworden, weil ich morgens lieber zu Fuß zur Arbeit gehen wollte und dafür Zeit brauchte. Also dachte ich, ich schreibe nur noch am Wochenende.

Es war aber immer schwierig, am Wochenende die Zeit zum Schreiben zu finden. Die Wohnung musste wieder mal geputzt werden, ich meine so richtig gründlich mit Fensterputzen, Fugen reinigen und Ähnlichem. Und so fand ich immer etwas zu putzen. Und wenn alles sauber war, entwickelte ich einen Hang zum Backen, den ich in meinem Leben noch nie empfunden habe. Am Rande sei nur erwähnt, dass zu Hochzeiten meiner Backkunst fünf gebackene Brote plus zwei Obstkuchen, davon einer mit Quark, an einem Wochenende dabei rauskamen. Dieser Spuk hörte mit dem Starrsinn meines Freundes auf, der sich weigerte auch nur einen Quadratmillimeter der Kühltruhe meinen gebackenen Schätzen zu geben (Der Mensch lebt nicht (nur) vom Brot allein ...).

Allmählich begriff ich auch, dass Putzen und Backen eine Art Flucht vor dem Schreiben waren. Ähnliche Erfahrungen machten auch andere angehende Schriftsteller. Das las ich in den zahlreichen Internetforen. Also beschloss ich, das Schreiben spaßvoller zu gestalten. Der alte Mac musste weg. Bekanntlich kehren neue Besen gut. Und bei dieser Gelegenheit dachte ich auch an ein kleines, transportables, sexy Ding. Ein Laptop, flach, mit einer weichen Tastatur und dem neuesten Wordprogramm. Und da der Sommer vor mir lag, sah ich mich, die erfolgreiche Autorin in spe, mit meinem zartgrauen Läppi auf dem Schoß unter dem aufgespannten Sonnenschirm in meiner Teakholz-Liege mit ausgestreckten Beinen sitzend, meinen Roman vollenden. Schon alleine dieser Gedanke machte mich versöhnlich, und ich beschloss a) sofort einen Laptop zu kaufen und b) bis zum Sommer mit der Schreiberei zu pausieren. Ich wusste ja, wenn ich dann so anfange, ist es geschrieben, bevor der Sommer zu Ende ist.

Als dann die ersten Sonnenstrahlen am Wochenende unseren Balkon zu durchfluten begannen, bereitete ich mich auf ein vergnügliches Schreibabenteuer vor und begann alles zum Schreiben vorzubereiten. Inklusive des eiskalten Früchtetees mit Strohhalm und Minzeblatt. Leider war mir nicht bewusst, dass ich beim hellen Licht nichts auf dem Display erkennen konnte. So saß ich da, mit Laptop auf dem Schoß und dem Willen zu schreiben, aber leider verhindert durch das helle Tageslicht. Warum, dachte ich, warum ist der Mensch durchaus in der Lage, Raketen zu bauen, um zum Mond zu fliegen, aber unfähig, ein Laptop-Display zu entwickeln, mit den man bei Tageslicht arbeiten kann? So musste ich mich entscheiden, ob des Genießens der ersten Sonnenstrahlen oder des Schreibens mit dem tollen Läppi in der Dunkelkammer. Es ist wohl nicht allzu schwer zu raten, was ich gewählt habe.

Es verging die Zeit, und das schlechte Gewissen plagte mich, und das Scheitern meines Projekts "Schreiben mit Spaß" tat einiges erschwerend hinzu. Aber ich konnte ja nicht ganz aufhören, das wäre ja wirklich peinlich. In meiner Euphorie hatte ich bereits alle meine Freunde über meine Schreibtätigkeit informiert und die wenigen Seiten unter ihnen als Kostprobe verteilt. Sie freuten sich auf weitere, und als es dann stockte, fragten sie nach. Sie hatten mich verstanden, und ich tat ihnen auch Leid, als ich von meinen erbarmungslosen Wintermorgenden erzählte und sie auf den Schreibspaß im Sommer vertröstete. Als die Fragen allerdings im Sommer kamen, war ich ein wenig peinlich berührt und musste mir eine andere Erklärung einfallen lassen. So machte ich eine erneute Analyse, um den Grund meines Nichtschreibenkönnens zu erforschen.

Es war ja eigentlich sonnenklar. Das Problem war nicht das Nichtschreibenkönnen, es war das Nichtweiterschreibenkönnen. Ich brauchte eben eine Abwechslung zu diesem dicken Roman. Ich musste zwischendurch die Seele baumeln lassen, etwas leichte Kost schreiben, und so käme ich auch nicht aus der Übung. Und wäre das nicht eine ideale Voraussetzung, meinen Schreibstiel zu entwickeln, denn ich hatte ja noch keinen.

Nachdem das schlechte Gewissen ausradiert und meine lieben Freunde über das neueste Projekt in meinem Leben informiert waren, dachte ich über das Was und Wie nach. Meine geliebten Freundinnen sind alle unfreiwillige Singles, die böse Erfahrungen mit der Liebe gemacht haben. Sie sind zwar nach wie vor überzeugt von der Liebe und können ohne Liebe nicht leben, doch sobald sich ein in meinen Augen passabler Mann ihnen nähert, ziehen sie alle Register der alten Feministinnenbewegung, um ihn mindestens für die nächste Frau unbrauchbar zu machen (wenn nicht fürs Leben zu beschädigen) und ihn mit gesenktem Haupt von Dannen ziehen zu lassen. So war ich meinen lieben Freundinnen gegenüber verpflichtet, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Über die Liebe mit all den Facetten, von denen ich natürlich nur über wenige ausgewählte schreiben konnte.

Auf gar keinen Fall sollte ein Roman daraus werden, das stand fest. Aber Kurzgeschichten? Ich lese nicht gerne Kurzgeschichten. Ich finde, die sind wie Fingerfood, schmecken zwar gut, aber man wird nie satt davon. Und was ich selber nie lesen würde, konnte ich nicht schreiben. Es mussten aber kürzere Geschichten sein, ich wollte nicht wieder mit einem großen Projekt starten. Ziel waren mehrere kürzere Geschichten, die irgendwie miteinander verbunden werden sollten, so dass sie im Nachhinein ein Gesamtkunstwerk darstellten. Und diese Geschichten sollten alle über Liebe und Frauen sein. Toll, dachte ich, rieb mir die Hände und schrieb auch in der Tat drei davon in einem Atemzug. Nur das Bindeglied fehlt noch.

Auch das ist schon etwas lange her, und mich plagt wieder das schlechte Gewissen. Meine lieben Freunde fragen schon nicht mehr. Ich glaube, inzwischen wären sie selbst peinlich berührt. Geht es mir schlechter dadurch? Ja, ich habe schmerzlich feststellen müssen, dass ich nichts zu Ende bringen kann. Ganz anders ist da mein Freund. Der nimmt sich vor, einen Marathon mitzulaufen, und nach nur drei Monaten Training läuft mein waschbrettbeiniger Freund nach knappen vier Stunden wie ein junger Gott lächelnd durch die Ziellinie. Respekt. Oder ein anderes Beispiel: Er nimmt sich vor, den Ötztaler Radmarathon zu fahren (Kenner wissen, wie schwierig der ist, mit vier Alpenpässen und 5.500 Höhenmetern!), und dann wird ein Jahr lang alles darauf abgestimmt. Zu meinem Leidwesen leider auch unser gemeinsamer Urlaub, den wir anstatt irgendwo an den sonnigen Stränden des Mittelmeeres nun im Rentnerparadies Meran verbringen, damit er am Timmelsjoch und Jaufenpass reichlich Gelegenheit zu üben findet.

Nun ja, es ist eine bittere Erkenntnis, und mein ach so disziplinierter Freund ermahnt mich regelrecht ob meiner mangelnden Selbstzucht, so dass diese mich wie ein Stigma für den Rest meines Lebens zu schmücken droht. Hat sich etwas verändert in meinem Leben? Bis auf diese Erkenntnis relativ wenig. Ich gehe nach wie vor meinem Beruf nach, und so ganz aufgegeben habe ich die Schreiberei nun auch wieder nicht. Da helfen mir die alten Sprichwörter wie "Gut Ding will Weile haben", "In der Ruhe liegt die Kraft" oder "Ein Wein wird mit den Jahren edler" (ist das überhaupt ein Sprichwort?) sehr gut. Und immer wenn ich die spitzen Bemerkungen seitens des Preußengeschlechts höre, kontere ich mit meiner gemütlichen und genießerischen Natur. Ich habe ja die Zeit, mich zwingt ja keiner, es muss doch auch Spaß machen. Und wenn ich kein Wort mehr weiterschreibe, so habe ich trotzdem eine Berechtigung zum Leben. Und auch meine Träume von meinen Projekten haben eine Berechtigung weiter zu bestehen, auch wenn sie nie beendet werden. Und wenn ich will, fange ich an zu malen, zu töpfern oder Mandarin zu lernen. Vielleicht nie perfekt, aber ist es denn wirklich wichtig, Chinesisch perfekt zu sprechen?
 

Arkona

Mitglied
Liebe Pupuze,

habe mit Freude Deine Arbeit über das Schreiben gelesen und denke, dass du hier sehr vielen Hobbyschreibern aus der Seele sprichst. Ich selbst habe mich jedenfalls sofort wiedererkannt. Nur Mut Pupuze, schreibe unbedingt weiter, denn Du hast bestimmt das Zeug dazu.
Besonders Deine humorvolle Art hat mir gefallen und deshalb auch eine klasse Bewertung von mir.
Viel Erfolg weiterhin
und herzl. Grüße
 

Pupuze

Mitglied
Hallo Arkona,

freut mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Werde mir Mühe geben, meinen Ruf gerecht zu werden. Liebe Grüße. Pupuze
 
Hallo Pupuze,
ich finde, du hast recht getan! Für wen willst du ein Buch schreiben? Es gibt Bücher wie Sand am Meer und achtzig Prozent der Bürger im Land der Denker und Dichter denken gar nicht daren, ein Buch zu lesen. Schon die Nachrichten im Fernsehen sind viel zu unverständlich! Da muss es rumsen und bumsen. Das Zweitauto kommt vor dem Zweitbuch!
-Bernhard-
 

Pupuze

Mitglied
Hallo Bernhard,

in erste Linie würde ich das Buch für mich schreiben. Es ist eine tolle Erfahrung zu sehen, wie deine Helden selbständig werden und du langsam die Kontrolle über sie verlierst. Die Geschichten sind wie Kopfgeburten; irgendwie, meist durch Zufälle werden sie gezeugt. Am Anfang ist es nur ein Wort (wie z. B. ein Mann) aller höchstens nur ein Satz ("ein Mann sitzt auf einem Bett"). Dem Satz folgen Fragen wie "Warum sitzt er da?, Wer ist der Mann, Was macht er da?", und da keiner dir diese Fragen beantworten kann, muss du das selber tun. Und mit jeder Antwort entstehen neue Fragen, und der Mann bekommt Konturen und wird "sichtbar". Er bekommt ein Gesicht und ein Umfeld. Soweit hast du ihn noch ganz gut unter Kontrolle.

Doch irgendwann wird er plötzlich selbständig. Er macht Sachen, die du so nicht geplant hast. Du denkst, lass ihn nur machen, mal schauen was passiert. Er nimmt dich mit in seine Welt, zeigt dir seine Freunde, erzählt dir seine Kindheit, seine Träume und seine Ängste. Vielleicht hattest du in deinem Plot vorgehabt ihn sterben zu lassen, weil du ein Krimi schreibst, doch du merkst plötzlich, dass du ihn nicht umbringen kannst. Du denkst, du bist verrückt und im Grunde bist du auch verrückt, so verrückt, dass du dir einbildest zu verstehen, wie Gott sich fühlen muss, wenn er denn existiert.

Sorry Bernhard, ich wollte Dich nicht zutexten. Gruß
Pupuze
 
Liebe Pupuze! Lass dich durch meinen ironischen Kommentar bitte nicht vom Schreiben abhalten, du schreibst einen flotten Stil, was auch in der Leselupe gar nicht so selbstverständlich ist. Kompliment!
-Bernhard-
 

Amadis

Mitglied
Dein kleiner Text hat mir wirklich gut gefallen und wie viele andere habe ich mich in vielen Teilen wiedererkannt. Nur das mit der "Flucht ins Putzen" gelingt mir irgendwie nicht, wenn ich mir den Zustand meiner Wohnung so anschaue. Also: wenn du mal wieder ins Putzen flüchten möchtest ...

Das mit dem "Nichtweiterschreibenkönnen" kenne ich zur Genüge. An Ideen mangelt es nicht, auch aller Anfang ist eigentlich nicht schwer ... schwer wird's danach: ich habe bestimmt fünfzehn bis zwanzig "Romananfänge" auf meinem PC gespeichert, manche hören schon nach zwanzig Seiten auf, andere erst nach hundertfünfzig ... so recht fertig ist nichts. Da schreibe ich manchmal hier weiter, manchmal da ... unbefriedigend.

Davon abgesehen: nicht aufstecken!

Gruß

Amadis
 



 
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