Das Schweigen der ganzen Welt

Yossarian

Mitglied
Das Schweigen der ganzen Welt

>Wo bist du gewesen ?, du warst mein Freund<. Ted sitzt im Dunklen und beobachtet die Bewegungen seines ehemaligen besten Freundes. Es handelt sich um einen dreißigjährigen Mann namens Peter. Er hat alles was erreicht, ist Geschäftsmann, hat eine schöne Frau und zwei entzückende Töchter. Ted hat nichts von alledem. >Weißt du noch wie wir früher Spaß hatten, wir waren ein gutes Team nicht wahr ?<, fragt Ted bedrückt. Nur die Konturen seines Körpers sind im fahlen Licht des Raumes zu erkennen. Er sitzt gegen die Wand gelehnt in einer Ecke, nur eine schwache Deckenlampe beleuchtet das Zimmer. Sie flackert gelegentlich und droht immer wieder zu erlischen. >Es war stets sehr lustig mit dir<, sagt Peter mit belegter Stimme. >Wieso hast du mich im Stich gelassen ? <, ruft Ted verständnislos. >Wie hättest du denn an meiner Stelle gehandelt ?<. >Ja du hast recht. Du hast schließlich auch Familie, einen Job und Kinder, so was wie mich kann man in deiner Welt nicht gebrauchen<, sagt Ted verbissen. >Du verstehst das alles falsch<. >Wie sollte ich es verstehen Peter ? Ein Jahr ist es her seit ich in dieser Höhle sitze. Du kommst mich besuchen, aber du bist nicht wirklich hier. Ich bin auch nicht hier. Du redest dir alles nur ein. Wann wirst du es endlich erkennen ? Meine Tage vergehen bis dahin mit dem Flackern der Glühbirne. Ich sitze hier wartend Tagein Tagaus<. >Worauf wartest du Ted ?<, fragt Peter besorgt. >Darauf, dass ihr mir den Gnadenstoß gebt<, flüstert Ted. >Was redest du<, stottert Peter entsetzt. >Du weißt wovon ich rede, aber du kannst es dir nicht eingestehen. Weißt du was die Nazis früher mit Krüppeln und Behinderten gemacht haben ? Sie wurden hingerichtet. Heute ist es anders, heute sprechen die Menschen nur dein Todesurteil, umbringen musst du dich schon selbst. Ich aber werde solange warten, bis ihr das Urteil für mich vollstreckt<. >Niemand hat dein Todesurteil gesprochen<, sagt Peter unwillig. >Siehst du mich in der Ecke sitzen, siehst du mein entstelltes Gesicht, oder siehst du mein Schatten ? Ich bin nur noch ein Schatten<. >Ich würde dir gerne helfen wieder aus dem Schatten zu kommen<. >Wozu ?<. >Weil ich dein Freund bin<. >Wirst du mit mir in Bars Billard spielen wie früher, werden deine Kinder auf meinem Schoß sitzen wollen, wird deine Frau nicht mehr zu Boden schauen, wenn meine geschlagenen Augen sie anblicken ?<, forscht Ted mit scharfer Stimme. Peter senkt verlegen den Kopf. >Wenn ich meine Höhle verlasse sehe ich in den Augen der Menschen die Wahrheit. Du bist Tod, du bist keiner der Unseren, sagen diese Augen zu mir. Ich bin in dieser Höhle um mich lebendig zu fühlen<. >Ich weiß einfach nicht was ich tun soll<, sagt Peter verzweifelt. >Ich will von dir und allen hören, dass ich Tod bin. Ich will hören, dass ich eine Missgestalt, ein Unmensch bin, ich will hören, dass die Welt mich nicht mehr braucht<, faucht Ted wütend. >Wieso ?<, fragt Peter verständnislos. >Weil "du sollst nicht Lügen" das 8. Gebot der Bibel ist<. >Du kannst dich immer bei mir melden, wenn du meine Hilfe brauchst. Ich muss jetzt gehen<, sagt Peter und seufzt schwermütig. >Ich will davon nichts hören. Ich will die Wahrheit<, ruft Ted ihm nach. Die Tür fällt dumpf in die Angel und Stille legt sich über den dunklen Raum. Die Schritte von Peter verhallen im Gang, nur das schwache Knistern des flackernden Lichts ist noch zu hören. >Warum hast du mich allein gelassen ?<, raunt Ted klagend gegen das Schweigen der Welt.
 
Also ich weiß nicht

Ohne jetzt gemein werden zu wollen, aber kann man den Text noch unter Kurzgeschichte verstehen? Ich denke, man sollte ihn lieber unter kurze Erzählung einordenen. Es passt einfach sprachlich nicht zu dem, was die Kurzgeschichte vermitteln will. Aber ich muß trotzdem zugeben, dass mir die Idee gefällt, obwohl, so neu ist sie auch nicht, oder?
 

Yossarian

Mitglied
Hi Ann

Bei manchen steht "Kurzgeschichten von XXX" beim anderen "Erzählungen von XXX" aber ich weiß noch immer nicht was eigentlich der Unterschied ist. Das ist jetzt kein Zynismus (so Böse bin ich auch nicht), sondern ernstgemeint. Könntest du mir mal sagen wie ich zwischen den beiden Unterscheiden soll ?

Nun liebe Ann, betrachtet man es ganz genau ist eigentlich jedes Thema nicht mehr neu.

In diesem Sinne auf bald.
 
Kurzgeschichte/Erzählung

Also, soweit ich das jetzt sagen kann, ich bin auch kein Experte, ist die Kurzgeschichte eigentlich keine erzählende Kurzform, sondern soetwas wie eine gestochen scharfe Fotografie eines Moments. Daher lassen sich auch so ein paar typische Elemente einordnen, so z.B. setzt die Kurzgeschichte immer direkt ins Geschehen ein, ohne vorher noch lange zu erklären. Das Ende ist meistens offen oder setzt mit einem überraschenden Schluss an den Rest an. Charaktere in der Kurzgeschichte sind im Gegensatz zur Erzählung meist nicht namentlich benannt, meistens steht da nur "er, sie, der Mann, die Frau" Gutes Beispiel dafür ist Wolfgang Borchert, ist einer meiner Lieblingsautoren.Ich hoffe, das gibt dir einen kleinen Anstoß, bei Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
 



 
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