Das Thermometer

ibini

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Neulich war Winter. Ich erinnere mich genau. Weil da mein Opa, der von meiner Mutter, fast hundert Jahre alt geworden wäre. Wenn man ihn nicht vorher in die Erde geschaufelt hätte. Es war jedenfalls sehr bitter kalt. Als ich das ausfindig machte, war es bereits zu spät. Ich fror schon. Da ich mich nicht in meinen Wänden bewegte, konnte ich nichts Wärmeres überstreifen. Und die Schachtel mit meinem dicken Pullover und den Mottenlöchern hatte ich nicht dabei. Ich schaute erst links und dann rechts, denn ich wollte geradeaus über die Straße wandeln. Aber ich schritt zurück in ein Kaufhaus. Ich war in der Hoffnung, die dort hätten eher als ich beluchst, daß es kalt ist und es warm gemacht. Schließlich waren es auch mehr fühlige Leute als ich allein.

Als ich meinen Schuh in das Geschäft setzte, blieb mein erster Blick nicht an den Füßen einer Verkäuferin, sondern auf einem Tisch mit einem Pappschild drüber kleben. Auf dem Karton stand: „Thermometer“. Unmittelbar fiel bei mir der Euro. Mit einem Thermometer würde ich immer die Kälte bemerken können, bevor sie mich berührte. Dadurch bräuchte ich nie mehr zu frieren. Ich trat also an den Tisch mit den vielen Thermometern näher heran. Es gab welche mit rotem oder silbernem Saft. Ich bestimmte mich für ein Silbernes, weil es besser zu der Farbe meiner früheren Haare paßte. Da das Gehäuse um den Saft einen undichten Riß hatte, bekam ich es billiger. Mir gelang also, ein echtes Schnäppchen auf die Beine zu stellen.

Mit dem Thermometer in einer meiner beiden Hände fegte ich sofort nach da, wo ich wohne. Meiner Nachbarin, die immer ihre krumme Nase in alles versteckt, zwinkerte ich geheimnisvoll in die Augen. Das erhob sie noch neugieriger, als sie schon war. In meiner Wohnung machte ich mich sofort über das Thermometer her. Ich wollte es an die Wand nageln, um ständig und ohne mir den Hals zu verdrehen, draufschauen zu können. Außer der Wand fand ich jedoch nichts, was ich dazu gebraucht hätte. Und selbst die war nicht mehr die Jüngste. So schnell gab ich meinen Geist nicht auf. Ich besah mir den Zettel, der das Thermometer umgab. Doch da griff mir selbst eine Brille nicht unter die Arme. Denn was da schwarz stand, war fremdländisch. Schon wollte ich vor dem Schicksal in die Knie gehen. Zum Glück dachte ich noch mal nach und drehte den Zettel um. Da bemerkte ich die deutsche Sprache. Ich entzifferte Fieber und Mund. Fieber hatte ich mal gehabt. Aber nicht im Mund, sondern im Hintern. Das war allerdings lange her. Deshalb unterstellte ich, daß das, was früher der Hintern war, heute der Mund ist. Die Erleichterung sprang mir aus dem Gesicht. Ich brauchte das Thermometer nicht an die Wand zu nageln. Außerdem war mir der Mund lieber als von hinten. Sonst hätte ich immer in gebückter Haltung schreiten müssen. Und das bei meinem Ischias!

Es ist also echt ein gutes Teil, das mir da in den Schoß gefallen ist. Wenn ich jetzt glaube, daß ich friere, nehme ich schnell vorher mein Thermometer in den Mund. Rührt sich der silberne Saft nicht, dann habe ich mich verfehlt. Das ist bisher noch nie eingetreten. Selbst in der Badewanne läßt sich der Hahn, der das warme Wasser ausspuckt, nicht mehr drehen. Weil bei mir seit dem Thermometer kein warmes Wasser mehr angefordert wird. Ich habe deshalb ein Schild hingehängt, auf dem „Wegen Einsparung geschlossen“ steht. Nur meine Fische haben ihr eigenes Gesicht. Sie schwimmen lieber tot ganz oben im Aquarium. Ich lege zu Grunde, sie haben bei ihrem kleinen Hirn nichts in sich gekriegt. Daneben leben sie in einer anderen Sprache. Deshalb laure ich auf ein Thermometer, das in fischig gelesen werden kann.
 

mc poetry

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hallo ibini,

hihi, hat mir sehr gut gefallen.
sehr spritzig und gar nicht kühl
geschrieben, du musst dich also schon
wieder aufgewärmt haben.

wenn die fische auch kein großes gehirn
haben, vielleicht kann man ihrem
fischbewusstsein vielleicht doch denselben
streich spielen wie dem unseren: mache den
untergrund und hintergrund des aquariums rot,
weil da kommts einem viel waermer vor.

dasselbe sollte man auch bei städtischen
schwimmbädern probieren, finde ich, wenn schon
bei jeder stufe der ökö-steuerreform ein grad
eingespart wird wie ich subjektiv bemerkt habe.

liebe grüße, michael
 

ibini

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Hallo michael,

ja, mein Thermometer, das ich mir reiflich ausgedacht habe! Mir ist jetzt nicht nur immer warm, sondern sogar gemütlich. Lediglich die Fische, die mein Aquarium bevölkern, ziehen nach wie vor an ihrem eigenen Strick. Vielleicht ändert die rote Farbe wirklich ihr Bewußtsein. Ich werde es ausschauen. Wenn ich das Rot mit ein paar schwarzen Punkten bestreiche, könnten die Fische dazu meinen, das wären Schatten. Und sich dort unterstellen, ehe sie ins Schwitzen kommen. Dann würden sie sich, sobald sie das anstreben, noch wohler fühlen als ich.

Mit Gruß
ibini
 

mc poetry

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hallo ibini,

ja, mit den farben und jahreszeiten
ist es so eine sache. obwohl man schatten
schware farben tragen, ziehen schwarze
kleider die hitze an.

aber, wenn ichs mir genau ueberlege, dann haben
fische dieses problem erst gar nicht.

also sind schwarze punkte bestimmt das richtige.

sommergrueße, michael
 

ibini

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Hallo michael,

da ist Dir offenkundig gemacht, daß es manchmal auch ein kleines Hirn tut. Man darf das aber nicht zu weit streuen, sonst gibt es nur noch Politikerschulen mit numerus claudius oder wie das Ding heißt. Meinen Fischen kommen jedenfalls die schwarzen Punkte richtig. Sonst würde vor lauter Schwitzen ständig das Aquarium überrennen. Außerdem haben sie dadurch an Schläfrigkeit verloren. Ich soll Dir übrigens von dem einen mit dem Bart etwas bestellen. Mir ist gar nicht erleuchtet, daß ihr um euch wißt. Seid ihr vielleicht in die gleiche Klasse gegangen?

Mit Gruß
ibini
 

mc poetry

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hallo ibini,

danke fuer die bartgrueße!
kann mir zwar gar keinen reim
drauf machen, aber sei's drum.

ich muss das uebrigens gerade mit
dem großhirn statt mit dem kleinhirn
tippen, was viel anstrengender ist.
d.h. ich muss mit links tippen statt
mit rechts, da mein rechter arm kaputt
ist wegen eines geisterfahrradfahrers..

huete dich also vor schwitzbedingten und
anderen stuerzen, michael
 

ibini

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Hallo michael,

der mit dem Bart hat sich geirrt, wie er mir kund tutete. Er glaubte die Hauskatze. Na ja, ein Gedicht wäre es ja nie nicht geworden. Das mit links schaffst Du leicht. Mußt halt alles langsamer machen. Und wenn Du es lange genug bewirkt hast, mußt Du rechts wieder üben. Freilich, wenn ich den Geistermenschen erwische!? Dann haben wir immer noch Zeit, daß wir überdenken, was wir mit ihm anstellen können. Vielleicht mögen ihn ja meine Fische. Werd weniger krank!

Mit Gruß
ibini
 

mc poetry

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hallo ibini,

katzen haben doch einen schnurrbart und
keinen vollbart, aber egal!

danke fuer die genesungswuensche. von
dem geisterfahrer habe ich leider weder
name noch adresse, weil ich erst noch so
doof war zu glauben es sei nicht so schlimm.

wenn du deine piranhas mal in der isar
schwimmen laesst (geht neuerdings auch flussaufwaerts),
dann erwischen sie ihn viellleicht dennoch.

hoffebtlich geht es mir nicht so wie den chinesischen
kindern, bei denen man die vernachlässigte hand
trainiert wurde und die dann in krisensituationen nicht
wussten welche sie denn nehmen sollten.

so far so good, michael
 

ibini

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Hallo michael,

sicher war es der Bart, der meinen Fisch zu der Verwechslung veranlaßte. Na ja, Wasserflöhe drüber. Das mit den chinesischen Armen der Kinder solltest Du Dir immer vor Ohren halten. Vor allem, wenn da noch das Klein- und das Großhirn mitwirken. Das wäre ein riesiges Durcheinander. Und Du wärst tagelang nur am Sortieren. Den Geistermenschen findest Du dann nie nicht mehr! Aber eine gute Idee, meine Fische auf ihn zu hetzen. Allerdings bräuchte ich so etwas wie ein Schnüffeltuch. Wie im Fernsehen. Wenn ich mir von Dir eines pumpe, gehen die lieben Tierchen Dir an den Hals. Sie haben zwar recht, aber das wollen wir doch nicht! Am besten ist vielleicht, Du kommst erst wieder ganz in Ordnung.

Mit Gruß
ibini
 



 
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