Das erste Mal ohne
Die Ampel schaltete auf Gelb und es wäre mir ein Leichtes gewesen, mit einer kurzen Bewegung des rechten Handgelenkes die Maschine noch im StVO-kompatiblen Bereich über die Kreuzung zu bringen. Aber das wollte ich gar nicht.
Also rollte ich langsam an die Haltelinie und blieb stehen.
Sonntagmorgen, Anfang März, bei herrlichstem Sonnenschein und das Adlergestell stadtauswärts war leer. Die Masse der Tagesausflügler würde erst nach einem ausgedehnten Frühstück die Hauptstadt verlassen, so gegen zehn Uhr vielleicht. Ich wohne am südlichen Stadtrand, diesen Standortvorteil wollte ich nutzen und gemütlich das Umland durchstreifen. Natürlich liegt die hohe Zeit der Genießer mehr in Richtung Mai oder Juni, wenn überall Blütendüfte in der Luft liegen, so dass man beispielsweise ein Rapsfeld schon einen halben Kilometer vorher erahnt und eine Fahrt über die Landstraßen regelmäßig in einem Rausch olfaktorischer Genüsse endet. Vorerst würde ich mich mit dem Anblick blühender Forsythiensträucher und der überall aus dem Boden sprießenden Krokusse begnügen müssen.
Es war der erste Tag im Jahr, an dem man vor das Haus tritt, tief Luft holt und zu sich selbst sagt: „Haaach, der Frühling ist da.“
Ich stand auf der ganz rechten von drei Fahrspuren. Von hinten näherte sich ein weiteres Motorrad, rollte auf der Mittelspur ebenfalls bis an die Haltelinie und blieb stehen.
Der Fahrer richtete sich auf und hob die linke Hand zu einem lässigen Gruß in meine Richtung. Dabei begann seine Maschine leicht nach links abzukippen, aber er machte keine Anstalten, diesen Bagatellvorgang aufzuhalten. Im Gegenteil, er schaute mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an und als sein Fahrzeug eine Neigung erreicht hatte, die sehr schnelles Handeln erfordert, ging ein begreifendes Lächeln über seine nicht mehr ganz jungen Züge. Mit einem Scheppern fiel die Maschine samt Fahrer um.
Er lag nun mit dem linken Bein eingeklemmt unter seiner Karre und lachte aus vollem Munde.
Ich hatte schon den Seitenständer ausgeklappt und ging vorn um das Desaster herum.
Er lachte mich strahlend an.
„Na du bist aber leicht zu erheitern.“ sagte ich und richtete sein Motorrad auf.
Er blieb vorerst mangels Bewegungsfähigkeit auf der Straße sitzen und bekam sich einfach nicht mehr ein.
„Was ist den passiert?“ fragte ich.
„Das war heute mein erstes Mal...“
Seine geschätzten 45 bis 50 Jahre ließen mich antworten, dass er aber ziemlich spät dran sei.
„Nein, nein“ sagte er „das ist heute mein erstes Mal ohne...“ wieder überfiel ihn ein Lachanfall. Ein Passat hielt neben uns und der Fahrer wollte wissen, ob wir Hilfe bräuchten.
Der Umfaller lehnte dankend ab.
Inzwischen schaltete die Ampel erneut auf Rot. Er setzte sich wieder auf seine Honda, richtete den linken Spiegel, beschaute prüfend die linke Seite, nahm die Sonnenbrille ab und wischte mit dem Handrücken ein paar Tränen aus dem Augenwinkel.
„Es ist heute das erste Mal seit zwölf Jahren, dass ich ohne Seitenwagen fahre, ich habe einfach vergessen, die Füße runterzunehmen. Hast du Appetit auf einen Kaffee?“
Grün.
Die Ampel schaltete auf Gelb und es wäre mir ein Leichtes gewesen, mit einer kurzen Bewegung des rechten Handgelenkes die Maschine noch im StVO-kompatiblen Bereich über die Kreuzung zu bringen. Aber das wollte ich gar nicht.
Also rollte ich langsam an die Haltelinie und blieb stehen.
Sonntagmorgen, Anfang März, bei herrlichstem Sonnenschein und das Adlergestell stadtauswärts war leer. Die Masse der Tagesausflügler würde erst nach einem ausgedehnten Frühstück die Hauptstadt verlassen, so gegen zehn Uhr vielleicht. Ich wohne am südlichen Stadtrand, diesen Standortvorteil wollte ich nutzen und gemütlich das Umland durchstreifen. Natürlich liegt die hohe Zeit der Genießer mehr in Richtung Mai oder Juni, wenn überall Blütendüfte in der Luft liegen, so dass man beispielsweise ein Rapsfeld schon einen halben Kilometer vorher erahnt und eine Fahrt über die Landstraßen regelmäßig in einem Rausch olfaktorischer Genüsse endet. Vorerst würde ich mich mit dem Anblick blühender Forsythiensträucher und der überall aus dem Boden sprießenden Krokusse begnügen müssen.
Es war der erste Tag im Jahr, an dem man vor das Haus tritt, tief Luft holt und zu sich selbst sagt: „Haaach, der Frühling ist da.“
Ich stand auf der ganz rechten von drei Fahrspuren. Von hinten näherte sich ein weiteres Motorrad, rollte auf der Mittelspur ebenfalls bis an die Haltelinie und blieb stehen.
Der Fahrer richtete sich auf und hob die linke Hand zu einem lässigen Gruß in meine Richtung. Dabei begann seine Maschine leicht nach links abzukippen, aber er machte keine Anstalten, diesen Bagatellvorgang aufzuhalten. Im Gegenteil, er schaute mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an und als sein Fahrzeug eine Neigung erreicht hatte, die sehr schnelles Handeln erfordert, ging ein begreifendes Lächeln über seine nicht mehr ganz jungen Züge. Mit einem Scheppern fiel die Maschine samt Fahrer um.
Er lag nun mit dem linken Bein eingeklemmt unter seiner Karre und lachte aus vollem Munde.
Ich hatte schon den Seitenständer ausgeklappt und ging vorn um das Desaster herum.
Er lachte mich strahlend an.
„Na du bist aber leicht zu erheitern.“ sagte ich und richtete sein Motorrad auf.
Er blieb vorerst mangels Bewegungsfähigkeit auf der Straße sitzen und bekam sich einfach nicht mehr ein.
„Was ist den passiert?“ fragte ich.
„Das war heute mein erstes Mal...“
Seine geschätzten 45 bis 50 Jahre ließen mich antworten, dass er aber ziemlich spät dran sei.
„Nein, nein“ sagte er „das ist heute mein erstes Mal ohne...“ wieder überfiel ihn ein Lachanfall. Ein Passat hielt neben uns und der Fahrer wollte wissen, ob wir Hilfe bräuchten.
Der Umfaller lehnte dankend ab.
Inzwischen schaltete die Ampel erneut auf Rot. Er setzte sich wieder auf seine Honda, richtete den linken Spiegel, beschaute prüfend die linke Seite, nahm die Sonnenbrille ab und wischte mit dem Handrücken ein paar Tränen aus dem Augenwinkel.
„Es ist heute das erste Mal seit zwölf Jahren, dass ich ohne Seitenwagen fahre, ich habe einfach vergessen, die Füße runterzunehmen. Hast du Appetit auf einen Kaffee?“
Grün.