Das große Fressen einer Kleinigkeit im Juni

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S

Stoffel

Gast
Das große Fressen einer Kleinigkeit im Juni

Ich würde gern
mein Hirn auffressen
weiß aber nicht
wie ich es anstellen soll.
Tag für Tag
zermartere ich es mir
und das tut sehr weh.

Es ist mir unmöglich
meinen Schädel selbst zu öffnen
denn ich kann kein Blut sehn.
Mir wird dann schlecht
und am Ende
läge ich ohnmächtig auf dem Boden
und verblutete.

Ich kann auch
keinen Freund darum bitten
denn ists Hirn einmal draussen
wüsste ich nicht
wieso ich der Aufforderung
den ganzen Scheiß wegzumachen
Folge leisten sollte.
Und dann wäre die Freundschaft
gar noch im Eimer.

Aber wenn es mir gelänge
könnte ich es meinem Nachbarn
zum Fraß vorwerfen,
dann würde der endlich
auch mal schlau
aus mir werden und hörte auf
mich ständig anzupissen.

Oder ich setzte es Gerhard ein
und er verstünde mich besser.
Und ich nähme seins dafür
aber seins will ich nicht
würds eh nur tillen.

Aber
Vielleicht esse ich einfach
mehr Fleisch
BSE-verseuchtes
dann regelt sich mein Problem
von selbst.

Irgendwann.
 
Ich kann auch
keinen Freund darum bitten
[red]denn wäre es erstmal draussen
wüsste ich nicht
wieso ich der Aufforderung
den ganzen Scheiß wegzumachen
Folge leisten sollte.[/red]
Und dann wäre die Freundschaft
gar noch im Eimer.
das stoffelsche, wirkt recht sprunghaft und na geht mir aus dem zusammenhang heraus nicht ein...
ansonsten sehr gute ideen. die letzten drei strophen finde ich am klarsten.
heike
 
S

Stoffel

Gast
moin Heike,

jepp..haste nicht Unrecht, denn auch mir lag genau diese Stelle im Magen quer.
Ich habe es verändert.
Ansonsten, was den "Sprung" angeht..kann sein.
Und auch, das die letzten drei "klarer" wirken.
Denn während der Gedanken, dem Wünschen etc..ist ein Sprung..
ein ausmalen..was wäre wenn..am Ende..
Ich mag das. Jetzt wo du es sagst.
Vorher war es eher unbewusst.:)

Danke herzlichst...
hast mir auf die Sprünge geholfert
lG
Stoffel
 
K

Klopfstock

Gast
Hi, Stoffeline,
also, ich finde dieses Gedicht ist so voller
Selbstironie - gefällt mir echt. Schon die Größe sein eigenes Hirn als eine Kleinigkeit zu bezeichnen zeugt
von Selbstverballhornung;)
Der Schluß ist auch gut - man kriegt BSE und die Sache
erledigt sich von selbst (schlägt ja bekanntlich aufs Hirn)
Nur was ist "tillen" um Himmelswillen;) - klär doch eine altmodische Tante mal auf :(

Liebe Grüße
Klopfstock
die ihr Ticken im Kopf
auch manchmal loswerden möchte;)
 
S

Stoffel

Gast
guten Morgen Irene,

ja, der ganze Text eigentlich ist sone Art Eigenverballhornung...*puh*
Sonst lässt man sich das Herz "rausreißen", Menschen in Augen ertrinken..hier war mir wohl an diesem Tag mein Hirn im Weg.;)

"tillen" Ich wusst nicht wie man das schreibt. Kennst so Flipperautomaten? Wenn man da zu stark dran rumackert, dann steht da "tilt" und man kann nichts mehr mit ihm anfangen. (man muss ein neues Spiel anfangen, das alte ist im Eimer)

Wenn einer "austickt" sagt man, glaube ich auch "der tilt doch".

Danke Dir
lG
Stoffel
 
K

Klopfstock

Gast
Danke, jetzt verstehe ich dieses Wort und somit
auch die besagte Stelle dieses Gedichtes besser;)

Bis dann
Klopfstock LG:)
 
Dieser Text ist vivisektionell

und genial erdacht.

Die Autorin nimmt beim Zugehen auf den stillschweigend als existierend vorausgesetzten Gegenstand der Behandlung kein Blatt vor den Mund. Sie schließt sich in den angeführten Bildern gnadenlos nicht nur den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung, sondern auch den fachlich ausgereiften Methoden moderner Neurochirurgie an.

Der Text samt eines Teils der Selbstkommentierungen handelt vom Problem der Autophagie (Selbstessung) und Verstoffwechselung (s.u.: "liegt mir quer im Magen") der Neuronenklumpen aus den Schädelkapseln von Kühen.

Die Wortewahl der Überschreibung scheint nicht ganz treffend, indem -pathologisch zu erfahren- juvenile Neuronenklumpen tatsächlich bei Separation aus ihrem natürlichen Aufenthaltsort innerhalb Minuten strukturlos zerfließen, und dann eher "geschlürft" werden müssten als "gefressen" werden zu können.
Adulte Hirne weisen hingegen auch nach der Entnahme eine weitgehend stabile aber geschmacklose Struktur auf, die erst küchentechnisch mithilfe eines Mixers und der Addition von Rührei, weichem Mais, Reis und einigen Gewürzen und Kräutern zu einem leckeren Mahl zuzubereiten ist, woraufhin diese Zubereitung nach dem Durchlauf durch eine elektrisch aufgeheizte, eiserne Ersatz-Schädelkapsel genussreich kulinarisierbar wird. Auch hier ist das Wort "fressen" also eher deplatziert.

zum Text:

[Ich würde gern
mein Hirn auffressen
weiß aber nicht
wie ich es anstellen soll]

Hier wird in knappen Worten auf eine wichtige Selbstschutzfunktion des behandelten Organs reminisziert.

[Tag für Tag
zermartere ich es mir
und das tut sehr weh]

Dieses Bild behauptet geschickt implizit die Tatsache des Vorhandenseins des besprochenen Organs, denn dem erwähnten Schmerz muss eine organhafte Ursache zugrunde liegen.

[Es ist mir unmöglich
meinen Schädel selbst zu öffnen
denn ich kann kein Blut sehn.
Mir wird dann schlecht
und am Ende
läge ich ohnmächtig auf dem Boden
und verblutete]

Hier muss sich die Autorin die Frage interessierter Leser gefallen lassen, ob es nicht andere Möglichkeiten solcher Labores gibt, die verhindern, dass eine Betreffende bei der Schädel-Selbstöffnung zu Boden fällt und sich damit nicht-notwendige Verletzungen zuzieht. (Eine Quästion, die gerade im Zusammenhang mit der zukünftigen Gesundheitsreform von erheblicher Bedeutung sein könnte.)
Die hier mit-einfließende Behauptung, dass es möglich sei, nach einer Schädelöffnung und Enthirnung "ohnmächtig" zu sein, erscheint indes fragwürdig und beruht wohl auf Projektion.
Es gibt -im Gegenteil- bekannte Beispiele, in denen Betroffene sich ihres Hirnes per Auto-Trepanation zuerst selbst entledigten, und sodann hilfesuchend mit dem gut verpackten Residuum in Ambulanzen erschienen mit der Bitte, die Sache per Medizinalkunst wieder rückgängig werden zu lassen.

[Ich kann auch
keinen Freund darum bitten
denn ists Hirn einmal draussen
wüsste ich nicht
wieso ich der Aufforderung
den ganzen Scheiß wegzumachen
Folge leisten sollte]

Hier würde man sich eine Ergänzung wünschen:

"wüsste ich nicht MEHR, wieso..."

Ein sprachlicher Fehlgriff ist hier das Wort "Freund". Eine Ersetzung durch "Feind" oder "Erzfeind" würde das genannte Problem darum "bitten" zu müssen überhaupt nicht erst aufkommen lassen.

[Aber wenn es mir gelänge
könnte ich es meinem Nachbarn
zum Fraß vorwerfen]

Der Leser nimmt hier interessiert zur Kenntnis, dass hirnliche Auto-Vivi-Sektionen zum kulturellen Code mancher hiesiger Gemeinschaften zu gehören scheinen, sodass "Nachbarn", ebenso wie Vorbarn, Seitenbarn u.ä. nicht nur Carnivoren sind, sondern bei Bedarf (wie hier) auch als potentielle Cerebro-Phagen in Betracht kommen.

[Vielleicht esse ich einfach
mehr Fleisch
BSE-verseuchtes
dann regelt sich mein Problem
von selbst]

Hier würde man detektivisch und penibel nachfragen wollen, ob dies überhaupt und in Anbetracht der vorherigen Textteile noch notwendig ist. "BSE" (= "bovine spongioforme encephalitis") ist nur ganz lapidar eine Bezeichnung für den bekannten Wahn der Kuh von Autorin -nenseite hier vielleicht autobiographisch abbreviatiert ("bovine stoffeloforme encephalo-ningunitis")?
 
S

Stoffel

Gast
lieber Waldemar,

fühle mich geehrt:)

Tja, es sind, wie ich nun merke, auch Menschen wie DU, die dafür verantwortlich sind, dass ich mir mein Hirn zermartere.:D

Zudem Gratulation, hast Du eine neue Krankheit entdeckt.(bovine stoffeloforme...)

Nun, natürlich möchte sich meine Prot nicht wirklich des Hirnes entledigen. Menschen reissen einem anderen ja auch nie wirklich das Herz raus.

Über Änderungen muss ich aber noch ein bissl Hirn zermatern. Melde mich dann wieder.

Ganz lieben Dank, es war eine köstliche Lernstunde und wieder mal hervorragende Ausführung von Dir.

lG
Stoffel
 

Inu

Mitglied
Dein apartes, originelles Gedicht, liebe Stoffel, und dazu passend die launische und gleichzeitig wissenschaftlich - fundierte Kommentierung Waldemars auf Seite zwei... also ich habe selten so etwas gelesen. Tatsache ist, ich fiel vor Lachen fast vom Stuhl. Habe es mir auch sofort heruntergeladen. Sowas darf nicht verloren gehen!! :):):)

Nur der letzte Satz, Waldemar... recht überschwänglich!

Einen lustigen Tag wünscht Euch
Inu
 
S

Stoffel

Gast
das hamm wa extra..gemacht*g*

Danke Inu, freut mich.
Waldemar und ich sollten vielleicht als Duo schreiben?

"apart".."originell".."wissenschaftlich" "fundiert"...*grübel*
Sag, kann man vielleicht Hirne mischen?
Aber in welchen Körper würden wir es stecken?
In meinen oder seinen? Wir könnten Busch entführen und es ihm heimlich einpflanzen. Oder Dolly Buster.

Schönen Tag
lG
Stoffmar
 



 
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