Der Fan
Jedes Jahr Ende November passiert dasselbe Spiel: Der Masters Cup ist vorüber, die Nr. 1 der Tenniswelt gekürt, die Tennis-Saison ist Geschichte. Die ATP (Association of Tennis Professionals) zählt zufrieden ihre Einnahmen und die Stars fahren in den wohlverdienten Urlaub. Alle sind glücklich. Wirklich alle? Nein, einer leidet: der Fan. Denn die Aussicht, jetzt Wochen, ja Monate ohne das friedliche \"Plopp-Plopp\" der Tennisbälle im Fernseher, und vor allem ohne seinen Lieblingstennisstar, auskommen zu müssen, treibt ihn fast in den Wahnsinn.
Ich weiß, wovon ich spreche.
Ich gebe es nur ungern zu, aber ich bin Fan. Ein Fan mit Leib und Seele und allem was dazugehört. Und ich bin treu. Kein Star-Hopping – heute der, morgen der andere – nein, ich bleibe bei meinem Favoriten. Deshalb habe ich auch keine Autogrammsammlung (allerdings nur, weil ich bei der Internetaktion meines Lieblingsstars glatte 2142 Punkte schlechter war als derjenige Glückliche, der die unterschriebene, getragene, durchgeschwitzte Uniform dann gewonnen hat. Grrr.)
Ich habe auch keine Poster an den Wänden. Nach ein paar vorsichtigen Versuchen musste ich mir das aus dem Kopf schlagen, da ab einem bestimmten Alter die Freunde und Kollegen nicht mehr selbst gesammelte Autogrammkarten sondern Visitenkarten von Therapeuten überreichen.
Fan zu sein ist nicht leicht. Zum Kopfschütteln der verständnislosen Umwelt kommen noch gewissenlose Medienhaie hinzu, die Fernsehrechte einfach ins Pay-TV verlagern oder Spielmitschnitte wegen überlanger, völlig uninteressanter Vorsendungen herzlos einkürzen, und natürlich das ewige Warten zwischen den Turnieren. Außerdem gibt es da noch den Frust über die Einseitigkeit der Paparazzi, denn wen interessiert schon der letzte Absturz von Lindsay Lohan und Co., wenn ich doch nur wissen möchte, ob mein Star der mittelmäßigen Schönheit an seiner Seite endlich den Laufpass gegeben hat!
Als Fan lernt man, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, und seine Zeit konsequent einzuteilen. Freunde und die Familie müssen einsehen, dass man sich nicht mehr so oft mit ihnen treffen kann, da es selbstverständlich ist, dass man die Sprache samt Dialekt seines Lieblingsstars lernt und über die geographischen und kulturellen Besonderheiten seines Landes genauestens Bescheid weiß. Klar ist ja wohl auch, dass man die Spiel-Ergebnisse der letzten Monate runterrasseln kann, seinen Rang samt Punktezahl im Champions-Race sowie in der Weltrangliste. Ganz zu schweigen von seinen Lieblings- und Angstgegnern, seinem bevorzugten Bodenbelag, Besaitungshärte, Schlägermarke und Schuhgröße. Logisch ist auch, dass man zu Hause die gleiche Ausrüstermarke im Schrank hat und mit identischen Schlägern spielt. Über die finanzielle Belastung, die dadurch entsteht, schweige ich lieber.
Aber all das Leid eines Fans wird wieder aufgehoben, wenn mein Star dann nach einem Turnier an einem Sonntag Nachmittag den Pokal in den Händen hält und mich anlächelt. Mich, die ich durchgeschwitzt und mit wund gedrücktem Daumen gerade von neunten Toilettengang zurückkomme (ein echter Fan trinkt in den Pausen des Seitenwechsels genauso viel wie sein Star, am besten etwas, was genauso aussieht wie sein Getränk) und ihm vom Sofa aus mit Tränen der Rührung in den Augen zujubele. Danach brenne ich den Mitschnitt von der Festplatte, stelle ihn ins Regal zu den neunzig anderen Aufzeichnungen, schreibe auf das Label \"Inception\", um dem sonst obligatorischen Therapeuten-Vitisenkarten vorzubeugen, programmiere den Recorder auf die Wiederholung des Spiels heute Nacht, mache meinen Computer an und umarme glücklich den Monitor mit seiner Siegerpose.
Doch dann kommt das Saisonende. Das grausame Ende einer wundervollen Beziehung. Mein Star lässt sich auf Hawaii von langbeinigen Schönheiten die Cocktails servieren, während mich die gähnende Leere der Tennisplätze in die Arme ungehobelter Fußballer und zu klein geratener Skispringer treibt.
Erst wenn Silvester glücklich überstanden ist, leuchtet ein zarter Silberstreif am Horizont: Bald sind Australian Open und die Saison beginnt von Neuem. Der Alltag ist vielleicht ein wenig auf den Kopf gestellt, schließlich finden die Turniere zu dieser Jahreszeit zum größten Teil an exotischen Plätzen mit enormer Zeitverschiebung statt. Aber wofür gibt es denn Jetlag-Pillen. Endlich hat das Leben wieder einen Sinn...
PS: Wer jetzt behauptet, ein Fan habe nicht mehr alle Tassen im Schrank, dem muss ich leider Recht geben, denn mein kostbarster Besitz, eine Tasse von den US OPEN, ist bei meinem letzten Umzug zu Bruch gegangen.
Jedes Jahr Ende November passiert dasselbe Spiel: Der Masters Cup ist vorüber, die Nr. 1 der Tenniswelt gekürt, die Tennis-Saison ist Geschichte. Die ATP (Association of Tennis Professionals) zählt zufrieden ihre Einnahmen und die Stars fahren in den wohlverdienten Urlaub. Alle sind glücklich. Wirklich alle? Nein, einer leidet: der Fan. Denn die Aussicht, jetzt Wochen, ja Monate ohne das friedliche \"Plopp-Plopp\" der Tennisbälle im Fernseher, und vor allem ohne seinen Lieblingstennisstar, auskommen zu müssen, treibt ihn fast in den Wahnsinn.
Ich weiß, wovon ich spreche.
Ich gebe es nur ungern zu, aber ich bin Fan. Ein Fan mit Leib und Seele und allem was dazugehört. Und ich bin treu. Kein Star-Hopping – heute der, morgen der andere – nein, ich bleibe bei meinem Favoriten. Deshalb habe ich auch keine Autogrammsammlung (allerdings nur, weil ich bei der Internetaktion meines Lieblingsstars glatte 2142 Punkte schlechter war als derjenige Glückliche, der die unterschriebene, getragene, durchgeschwitzte Uniform dann gewonnen hat. Grrr.)
Ich habe auch keine Poster an den Wänden. Nach ein paar vorsichtigen Versuchen musste ich mir das aus dem Kopf schlagen, da ab einem bestimmten Alter die Freunde und Kollegen nicht mehr selbst gesammelte Autogrammkarten sondern Visitenkarten von Therapeuten überreichen.
Fan zu sein ist nicht leicht. Zum Kopfschütteln der verständnislosen Umwelt kommen noch gewissenlose Medienhaie hinzu, die Fernsehrechte einfach ins Pay-TV verlagern oder Spielmitschnitte wegen überlanger, völlig uninteressanter Vorsendungen herzlos einkürzen, und natürlich das ewige Warten zwischen den Turnieren. Außerdem gibt es da noch den Frust über die Einseitigkeit der Paparazzi, denn wen interessiert schon der letzte Absturz von Lindsay Lohan und Co., wenn ich doch nur wissen möchte, ob mein Star der mittelmäßigen Schönheit an seiner Seite endlich den Laufpass gegeben hat!
Als Fan lernt man, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, und seine Zeit konsequent einzuteilen. Freunde und die Familie müssen einsehen, dass man sich nicht mehr so oft mit ihnen treffen kann, da es selbstverständlich ist, dass man die Sprache samt Dialekt seines Lieblingsstars lernt und über die geographischen und kulturellen Besonderheiten seines Landes genauestens Bescheid weiß. Klar ist ja wohl auch, dass man die Spiel-Ergebnisse der letzten Monate runterrasseln kann, seinen Rang samt Punktezahl im Champions-Race sowie in der Weltrangliste. Ganz zu schweigen von seinen Lieblings- und Angstgegnern, seinem bevorzugten Bodenbelag, Besaitungshärte, Schlägermarke und Schuhgröße. Logisch ist auch, dass man zu Hause die gleiche Ausrüstermarke im Schrank hat und mit identischen Schlägern spielt. Über die finanzielle Belastung, die dadurch entsteht, schweige ich lieber.
Aber all das Leid eines Fans wird wieder aufgehoben, wenn mein Star dann nach einem Turnier an einem Sonntag Nachmittag den Pokal in den Händen hält und mich anlächelt. Mich, die ich durchgeschwitzt und mit wund gedrücktem Daumen gerade von neunten Toilettengang zurückkomme (ein echter Fan trinkt in den Pausen des Seitenwechsels genauso viel wie sein Star, am besten etwas, was genauso aussieht wie sein Getränk) und ihm vom Sofa aus mit Tränen der Rührung in den Augen zujubele. Danach brenne ich den Mitschnitt von der Festplatte, stelle ihn ins Regal zu den neunzig anderen Aufzeichnungen, schreibe auf das Label \"Inception\", um dem sonst obligatorischen Therapeuten-Vitisenkarten vorzubeugen, programmiere den Recorder auf die Wiederholung des Spiels heute Nacht, mache meinen Computer an und umarme glücklich den Monitor mit seiner Siegerpose.
Doch dann kommt das Saisonende. Das grausame Ende einer wundervollen Beziehung. Mein Star lässt sich auf Hawaii von langbeinigen Schönheiten die Cocktails servieren, während mich die gähnende Leere der Tennisplätze in die Arme ungehobelter Fußballer und zu klein geratener Skispringer treibt.
Erst wenn Silvester glücklich überstanden ist, leuchtet ein zarter Silberstreif am Horizont: Bald sind Australian Open und die Saison beginnt von Neuem. Der Alltag ist vielleicht ein wenig auf den Kopf gestellt, schließlich finden die Turniere zu dieser Jahreszeit zum größten Teil an exotischen Plätzen mit enormer Zeitverschiebung statt. Aber wofür gibt es denn Jetlag-Pillen. Endlich hat das Leben wieder einen Sinn...
PS: Wer jetzt behauptet, ein Fan habe nicht mehr alle Tassen im Schrank, dem muss ich leider Recht geben, denn mein kostbarster Besitz, eine Tasse von den US OPEN, ist bei meinem letzten Umzug zu Bruch gegangen.