Das traurige Schlaf-Schaf

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Das traurige Schlaf-Schaf

Es war einmal ein weißes Schaf namens Flöckchen. Flöckchen war nur so groß wie die Hand eines kleinen Kindes. Denn Flöckchen war ein Schlaf-Schaf und seine Aufgabe war es, Kindern Schlaf voll süßer Träume zu schenken.
Flöckchen war sehr unglücklich. Schon seit Tagen versuchte es vergeblich, Christina zum Schlafen zu bringen. Immer wieder schwebte es vor ihren Augen herum, schlug sogar Purzelbäume in der Luft. Aber das Mädchen wurde einfach nicht müde.
Flöckchen dagegen erschöpfte diese Fliegerei und von den Purzelbäumen wurde ihm immer so schwindelig. Flöckchen flog sie dennoch, da Christina stets glücklich strahlte, wenn sie das kleine weiße Schaf so durch die Luft sausen sah. Sie blieb dann ruhig in ihrem Bett liegen. Wenn sie sonst nicht schlafen konnte, lief sie herum.
Flöckchen war klar, dass es so nicht weiter gehen konnte. Wie alle Kinder brauchte auch Christina genügend Schlaf.
Jedes Schlaf-Schaf hatte da so seine eigene Methode, Kinder zum Einschlafen zu bringen. Manche flüsterten den Kindern phantasievolle Geschichten ins Ohr, andere vollführten lustige Kunststücke. Flöckchen hatte alles, was es jemals gelernt hatte, an Christina ausprobiert. Nicht einmal das Zählen, bei dem Flöckchen von links nach rechts und dann zurück von rechts nach links sprang und dabei laut mitzählte, hatte etwas genützt.
Also beschloß Flöckchen, das alte Schlaf-Schaf aufzusuchen, das über dem Regenbogen auf den großen Turmwolken wohnte. Flöckchen kannte den Weg genau, denn es hatte lange Zeit hier gelebt und war wie alle anderen Schlaf-Schafe auch vom großen weisen Schlaf-Schaf unterrichtet worden.
Das alte Schlaf-Schaf war sehr erfreut, Flöckchen wieder zu sehen und fragte nach dem Grund für seinen Besuch. Flöckchen erzählte seinem Lehrmeister von Christina, die nicht schlafen wollte. Gespannt wartete es ab.
„Hm“, machte das alte Schlaf-Schaf. „Das ist wirklich ein Problem. Bei so schwierigen Fällen kann nur mein ganz besonderes Zauberpulver helfen.“
„Bitte, gib mir etwas davon“, bat Flöckchen.
„Aber natürlich“, sagte das alte Schlaf-Schaf und holte einen kleinen dunkelroten Sack hervor. „Hier, das streust du beim Hin- und Herspringen auf das Gesicht von Christina. Nimm aber nur ein wenig, das genügt schon. Das Pulver wird lange reichen und dir noch bei vielen Kindern helfen, die nicht einschlafen wollen. Doch das Pulver allein hilft nicht, du musst die Kinder schon dazu bringen, dass sie schlafen wollen.“
Flöckchen bedankte sich und trat den Rückweg an. Es wurde höchste Zeit, denn es war bereits Abend. Die kleine Christina lag schon in ihrem Bett. Sie wollte gerade aufstehen, um heimlich weiter zu spielen, als Flöckchen in ihr Zimmer kam.
Beim Anblick des kleinen Schafes lachte sie glücklich. „Fliegst du wieder so lustig für mich?“
„Nein, von Saltos wird mir immer so schwindelig und wenn ich mit dem Kopf nach unten fliege, ganz besonders“, erklärte Flöckchen.
Christina verzog das Gesicht. „Dann geh, so bist du mir zu langweilig.“
„Das ist aber nicht nett von dir, so etwas zu sagen.“ Flöckchen schwebte bis zu ihrer Nasenspitze. Den Beutel mit dem Zauberpulver trug es unter sein linkes Vorderbein geklemmt.
„Aber du bist langweilig.“
Flöckchen bemerkte, dass Christina die Bettdecke zur Seite schieben wollte. Rasch landete es auf ihrer Hand. „Halt! Bleib bitte im Bett. Du musst doch schlafen.“
„Will ich aber nicht!“ Sie klang trotzig.
Flöckchen befürchtete, dass sie ihre Hand gleich schütteln würde. „Wenn du nicht schläfst, kannst du nicht träumen.“
„Ich find spielen viel besser als träumen.“
„Das sagst du nur, weil du noch gar nicht richtig geträumt hast. Wenn ich dir einen Traum schenke, kannst du darin die tollsten Sachen erleben.“ Flöckchen dachte rasch nach. „Wie würde es dir gefallen, mit mir zu fliegen? Wir könnten das alte Schlaf-Schaf besuchen. Es wohnt über dem Regenbogen.“
Christinas Blick glitt zum Fenster. „Draußen ist es dunkel, da gibt es keinen Regenbogen.“
„In Träumen ist das egal“, erklärte Flöckchen. „Da ist alles möglich, was bei Tag nicht geht.“
Nachdenklich legte Christina einen Finger an ihren Mund. „Hm“, machte sie und betrachtete das Schaf. Es war so winzig, dass sie es mit einer Hand hätte umfassen können. „Ich glaub trotzdem nicht, dass das möglich ist.“
„Wie wäre es mit einer Wette?“, schlug Flöckchen vor. „Wenn ich dich zum alten Schlaf-Schaf bringe, gewinne ich und falls du nicht dorthin kommst, hast du gewonnen.“
„Einverstanden!“ Christina runzelte leicht die Stirn. „Aber worum wetten wir?“
„Können wir nicht einfach so wetten?“, fragte Flöckchen. Es hatte schließlich nichts, was es als Einsatz hätte anbieten können.
„Nein, nur so find ich doof.“
„Hm“, machte Flöckchen und überlegte. „Würde es dir genügen, wenn ich – falls ich verliere – einige Saltos fliege?“
„Ich hätte viel lieber eine kleine Katze“, sagte das Mädchen. „Oder wenigstens ein Kaninchen.“
„Ich fürchte, den Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Aber laß uns doch erst mal wetten.“
„Na gut. Ich setze …“ Christinas Blick glitt durch ihr Zimmer. Im Halbdunkel konnte sie nur die Umrisse ihrer Spielsachen erkennen. „Ich setze die Puppe da.“ Sie deutete mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger auf eine Puppe, die nur noch ein Auge hatte.
„Einverstanden“, sagte Flöckchen.
„Und was muss ich jetzt tun?“
„Nur ruhig liegen bleiben.“ Flöckchen schwebte über Christinas Gesicht und ließ etwas von dem Pulver auf sie herabrieseln. Das war so fein, dass sie es gar nicht bemerkte.
Sie sah nur das niedliche kleine Schaf, das von links nach rechts und von rechts nach links schwebte. Nach kurzer Zeit sanken ihre Augenlider herab und Flöckchen vernahm ihre gleichmäßigen Atemzüge
Das Mädchen schlief und träumte davon, auf dem Rücken eines kleinen weißen Schafes hoch über die Wolken zu fliegen.

ENDE
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Pferdefreundin,

deine Geschichte hat mir ausgesprochen gut gefallen. Sie ist sehr originell und eignet sich prima als Einschlafgeschichte. Besonders gut geschildert sind die Nöte des kleinen Schlaf-Schafs und welche Mühe es sich gibt, seiner, in diesem Fall ja sehr schwierigen, Aufgabe nachzukommen.

Viele Grüße,
hera
 



 
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