Dekonstruktive Admission unter Berücksichtigung des Urknalls

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Meine Verse tragen weiße Buchstaben,
und die Kommas fallen aus.
Versalien verschwinden
und Minuskeln wachsen.
Ich bin kein Gedicht.
Ich bin kein Vers.
Ich bin nicht ich.
Wenn ich weiter rasiere,
fallen die I-Punkte herab
sie bedecken den Fußboden mit Ockhams Schaum.
Schlitten erhitzen Buchstabenflocken,
gleiten in ausgefahrenen Spuren.
Ich bin alt geworden
und glühe rot.
Rote Rubriken aus Eis.
Denn die Zeit,
als alles heiß strahlte,
ist vorbei.
Ein Schmetterling klappt den Flügel.
Ein Pianist schlägt Töne ins All.
Ein Töpfermeister formt Menschen.
Ich sehe die Strahlung,
tief ins rote verschoben.
Mikrowellen als Gries,
der meine Augen durchfunkelt.
Ich bin der Text,
der verspricht, ohne zu halten.
Ich bin der Text,
der sein Vesprechen bricht.
Ich bin der gebrochene Text.
Ich stecke ein.
Das hilft überwintern.
Glaube nicht, ich sei Prosa.
Ich bin ein Gedicht,
dessen Buchstaben grau wurden,
ausfielen
verblichen.
Schau ins Waschbecken.
Sie sammeln sich im Sieb.
Wörter werden Waisen.
Schusterjungen streiten mit Hurenkindern
und gehen sich aus dem Weg.
Lettern verlieren die Tittelchen.
Weiße Buchstaben trage ich
und Furchen.
Sorgen ziehen durch meine Gebirge.
Die Verse türmen sich auf zu Hochgebirgen.
Vulkane speien.
Lava aus niegesagten Wörtern fließt
über ausgestorbene Dinosaurier.
Ich erlahme
und der linke Wadenmuskel schmerzt.
Ich erstarre
und die Texte fallen aus meinem Gehirn.
Die Erinnerung versinkt im Schatten
und wird unscharf.
Als der Mond sich von der Erde trennte,
begann die Einsamkeit.
Plakate tragen die Aufschrifft:
Ich bin doof, tragt mich hier raus.
Ich lese sie nicht, denn ich bin ja der Text.
Ich kann nicht lesen.
Trum und Trümmer.
In diesem Gedicht steht kein Wort.
In diesem Gedicht steht kein Wort.
In diesem Gedicht steht kein Wort.
 
O

orlando

Gast
Der reine Wahnsinn, Bernd!
Wenn ich die technischen Aspekte ganz außen vor lasse, lese ich den Lebenslauf eines Künstlers - und das Gebrochen-Sein in sich selbst.
Ich lese von Hoffnung und Verlust und dem "Wort", dem heiligen Wort.
Heftig beeindruckte Grüße
Heidrun


P.S:: Kleiner Tippfehler: tief ins [red]Rote[/red]
 
O

orlando

Gast
Verlorenes Ich, zersprengt von Stratosphären,
Opfer des Ion-: Gamma-Strahlen-Lamm -
Teilchen und Feld -: Unendlichkeitsschimären
auf deinem grauen Stein von Notre-Dame
[...]

Gottfried Benn
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Meine Verse tragen weiße Buchstaben,
und die Kommas fallen aus.
Versalien verschwinden
und Minuskeln wachsen.
Ich bin kein Gedicht.
Ich bin kein Vers.
Ich bin nicht ich.
Wenn ich weiter rasiere,
fallen die I-Punkte herab
sie bedecken den Fußboden mit Ockhams Schaum.
Schlitten erhitzen Buchstabenflocken,
gleiten in ausgefahrenen Spuren.
Ich bin alt geworden
und glühe rot.
Rote Rubriken aus Eis.
Denn die Zeit,
als alles heiß strahlte,
ist vorbei.
Ein Schmetterling klappt den Flügel.
Ein Pianist schlägt Töne ins All.
Ein Töpfermeister formt Menschen.
Ich sehe die Strahlung,
tief ins Rote verschoben.
Mikrowellen als Gries,
der meine Augen durchfunkelt.
Ich bin der Text,
der verspricht, ohne zu halten.
Ich bin der Text,
der sein Versprechen bricht.
Ich bin der gebrochene Text.
Ich stecke ein.
Das hilft überwintern.
Glaube nicht, ich sei Prosa.
Ich bin ein Gedicht,
dessen Buchstaben grau wurden,
ausfielen
verblichen.
Schau ins Waschbecken.
Sie sammeln sich im Sieb.
Wörter werden Waisen.
Schusterjungen streiten mit Hurenkindern
und gehen sich aus dem Weg.
Lettern verlieren die Tittelchen.
Weiße Buchstaben trage ich
und Furchen.
Sorgen ziehen durch meine Gebirge.
Die Verse türmen sich auf zu Hochgebirgen.
Vulkane speien.
Lava aus niegesagten Wörtern fließt
über ausgestorbene Dinosaurier.
Ich erlahme
und der linke Wadenmuskel schmerzt.
Ich erstarre
und die Texte fallen aus meinem Gehirn.
Die Erinnerung versinkt im Schatten
und wird unscharf.
Als der Mond sich von der Erde trennte,
begann die Einsamkeit.
Plakate tragen die Aufschrifft:
Ich bin doof, tragt mich hier raus.
Ich lese sie nicht, denn ich bin ja der Text.
Ich kann nicht lesen.
Trum und Trümmer.
In diesem Gedicht steht kein Wort.
In diesem Gedicht steht kein Wort.
In diesem Gedicht steht kein Wort.
 
Wer oder was ist Ockham?

>wiki: Engländer, um 1300, Philosoph und mehr. Leseleselese. Aha. Ockhams Schaum. Vereinfachung. Reduce to the max. Interessant. Da kann einer experimentieren. Experimentieren macht Spaß.

Zurück zum Gedicht.
Schlitten erhitzen Buchstabenflocken,
gleiten in ausgefahrenen Spuren.
Ausgefahrene Wege verlassen. Experimentieren. Das macht wieder Spaß.

Zurück zum Gedicht. Nein, erst einmal zurück zum Titel. Wie heißt der noch?
Dekonstruktive Admission
Was ist eine Admission? Erlaubnis? Zugang? Wiki: Admission gibt’s` dort nicht. Aber admissio gibt es. Das heißt Zulassung, Zutritt – Audienz.
Audienz bei wem? Beim Dichter? Beim Schöpfer (Urknall)?

Mal weiter probieren: dekonstruktiv. Abbauend, zerstörend, würde ich sagen.
Abbauende Audienz unter Berücksichtigung des Urknalls. Das sagt mir im Moment noch nichts.
Weiter im Text.
Ich bin alt geworden
und glühe rot.
Die meisten Menschen werden alt. Keep cool. Wieso rot glühen? Zorn? Wenn ja, worüber?
Ein Schmetterling klappt den Flügel.
Ein Pianist schlägt Töne ins All.
Ein Töpfermeister formt Menschen.
Ich sehe die Strahlung,
tief ins Rote verschoben.
Mikrowellen als Gries,
Töne ins All und Töpfermeister formt Menschen; das hört sich nach Schöpfung an.
Strahlung, Rotverschiebung: Ausbreitung des Universums.
Mikrowellen aus Gries. Wieso Mikro? Wieso Gries? >Wiki: Gries = Sand, Kies.
Ich lege jetzt erst einmal eine Pause ein.

Ein interessantes Denkrätsel, lieber Dichterkollege.
Ich gebe schon mal ein paar Punkte für den Mister Ockham. Das hat mir Spaß gemacht.

Liebe Grüße. Rhondaly.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Vielen Dank für die gründliche Behandlung meines Textes.
Du hast viele der Metaphern entschlüsselt, sogar, dass man zum Rasieren Schaum brauchte.
Also das Rasiermesser.
Viele Grüße von Bernd
und Danke sehr.
 



 
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