Dementi (lyrische Prosa)

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Khalidah

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Dementi



Es ist ja nicht so, als hätte der Wind mich abserviert. Es ist ja nicht so, als wäre man plötzlich hier unten gelandet, als vermisste man das Kitzeln der Wolken unterm Bauchgefieder und Baumwipfel, die sich wie hingestreute Rosetten tummeln auf Wiesen und Bergen. Es ist ja nicht so, als wäre die Welt von oben betrachtet spannender, als würde man zu Fuß nur im Staub waten, wohin man sich auch wendet. Es ist ja nicht so, als wäre Laufen niedriger denn Fliegen, als wäre ich weniger ein Kind der Träume, nun, da ich nur noch lustig hopse, statt zu segeln unterm Blau, das die Dichter "Azur" nennen. Mir fehlt nichts von ihrem Staunen, nein, nein, es ist auch so ganz nett hier unten. Ehrlich. Es ist ja nicht so, als hätte er mich abserviert, der alte Rockheber und Haarzerzauser.
Wo du stehst, sagte er zu mir, wo du stehst, teilen sich Stürme, türmen sich Sterne, folgen dir süße Rosendüfte, wohin du auch blickst, erzittern die innersten Herzen der Seelen
aller Geschöpfe, gebären sich tanzend die funkelnden Galaxien
einfach nicht mehr so.
 
N

nobody

Gast
Flügellahm?

Leider habe ich die "7" etwas voreilig vergeben - beim nochmaligen (mehrmaligen) Lesen hätte ich gerne noch etwas draufgelegt. Leider lässt mich das System nicht ...
Der Text beeindruckt durch die (m.E.) leise Ironie und die poetische Sprache; er erinnert mich irgendwie an die "Klagelieder" der alten Ägypter
LG Franz
 

Khalidah

Mitglied
Hallo,

danke für Eure netten Kommentare!
Das ist einer meiner ganz wenigen Versuche in Prosa.
So ist der Text inhaltlich eigentlich ein Gedicht, aber in Prosaform abgefasst, weil so der Gegensatz zwischen der Anhäufung verschnörkelt-poetischer Bilder und dem lakonischen Schluß einfach besser herauskam.
Dass die hineingesteckte Ironie auch bei einem unvoreingenommenem Leser ankommt, erleichtert mich sehr! :)

Über ägyptische Klagelieder werde ich noch ein bisschen recherchieren, danke für den Hinweis !


LG


Khali
 

Khalidah

Mitglied
Aaaaah

...jetzt verstehe ich warum! Danke nochmal für den Link und den Verweis! :)

Ich glaube, der Anklang liegt vermutlich an den wiederkehrenden Satzanfängen ("Es ist ja nicht so...") zusammen mit der bilderreichen, treibenden Sprache, die lyrisch/rhythmisch angelegt ist, aber dennoch einen soliden Aufbau hat.
Also, ich meine, der Satz hat eine Aussage, einen Anfang und ein Ende, ist greifbarer als z.B. bei neuerer/expreimenteller Lyrik.


LG,

Khali
 



 
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