Den Mond zum Freund

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Flitzi

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Den Mond zum Freund

Vor langer, langer Zeit, als es noch Einhörner und Elfen und echte Zauberlehrer gab, war der Himmel nach dem Tage immer ganz schwarz.
Denn niemand außer dem Sandmann wohnte dort über den Wolken.
In einem kleinen Haus am Himmelszelt lebte er und malte die bunten Träume, die er den Menschen im Schlafe bringt. Seine Arbeit bereitete ihm große Freude, doch jedes Mal, wenn er in der Nacht nach Hause kam, fühlte er sich einsam und allein.
Mit der Zeit wurde er dadurch traurig und träge, und seine Träume verloren an fröhlicher Farbe.
„Ach hätte ich doch einen Freund!“, seufzte er fast jede Nacht.
Als die Menschen auf der Erde von seinem Kummer erfuhren, besorgten sie ihm einen Freund. Einen prächtigen, prallen Mond hingen sie über sein Himmelshaus.
Als der Sandmann sah, dass er nicht mehr alleine war, sprang er vor Freude hoch in die Luft.
Von diesem Tag an wurden die Träume, die er verteilte, wieder bunter und er kehrte von seiner Arbeit mit einem Lächeln heim.
Denn endlich hatte er einen Freund.
Mit dem Mond lachte er und spielte und sprach, so dass er sich bald nicht mehr vorstellen konnte, wie das Leben ohne ihn wär.
„Ich bin so glücklich, dass ich Dich hab!“, sagte er immer und immer wieder. Und auch der Mond war glücklich, Sandmanns Freund zu sein.
Dennoch fehlte dem Mond etwas.
Sehnsüchtig blickte er immer wieder in die Ferne, denn er wäre gerne mal verreist. Er wollte noch so viel von der Welt bestaunen, aber er hielt sich wegen seines Freundes zurück.
Den lieben Sandmann konnte er doch nicht einfach verlassen.
So schwieg er, aber sein Fernweh wuchs. Und mit der Zeit ging es ihm deshalb schlechter und schlechter. Er mochte nichts mehr essen und verlor daraufhin an Gewicht.
„Was ist mit Dir los, mein guter Freund?“, fragte ihn der Sandmann, der die Veränderung sah.
„Ach, es ist nur ein bisschen Fernweh, aber es geht bald vorbei!“, antwortete der Mond.
Der Sandmann beobachtete seinen Freund jedoch weiter. Und als er sah, dass dieser bald nur noch eine Sichel war, fällte er seine schwierigste Entscheidung.
Er liebte den Mond wirklich sehr, und deshalb musste er sich von ihm trennen. Um seinen Freund nicht zu verlieren, musste er ihn ziehen lassen.
„Flieg hinaus, mein Freund, und erkunde die Welt!“, sagte er.
„Aber ich kann Dich doch nicht einfach verlassen!“, erwiderte der Mond.
„Du musst sogar, denn das ist Dein Weg!“, erklärte ihm der Sandmann und schickte ihn auf die Reise.
Der Mond freute sich, aber seinen Freund zurück zu lassen, schmerzte ihn auch sehr.
Zum Zeichen seiner Freundschaft bereitete er ihm deshalb ein besonderes Abschiedsgeschenk. Er nahm eine handvoll Mondglitzersteine, hing sie an das Himmelszelt und küsste sie dann sanft. Vor lauter Liebe fingen die Steine an zu glühen und erhellten den Himmel und die dunkele Nacht.
„Diese strahlenden Sterne werden für Dich da sein, damit Du nie mehr einsam bist!“, sagte der Mond und machte sich auf den Weg.
Der Sandmann winkte seinem Freund hinterher und vermisste ihn schon bald. Aber die Sterne zeigten ihm, dass der Mond immer an ihn dachte, und so fühlte er sich nie mehr allein.

Seit dieser Nacht reist der Mond immer wieder um die schlafende Erde. Er bestaunt die Meere und Berge und Seen.
Und immer wieder schaut er mal beim Sandmann vorbei, und dann lachen sie und reden über die Welt und die Erde.
Sie vermissen sich oft, aber traurig ist keiner. Denn sie sind wahre Freunde und die sind sich, trotz Entfernung, im Herzen immer ganz nah.
 

essigtinte

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Hallo Flitzi,

am Ende des ersten Drittels wollte ich den Text schon fast weglegen, weil mir das alles so öde und berechenbar vorkam. Aber dann kam dieses Thema des Auseinandergehens. Und da empfinde ich das Motiv mit dem Mond als das ideale Bild für das Thema des Loslassens und Wiederfindens. Vielleicht kannst Du versuchen, anhand des Mondzyklus den Wechsel von Verlassen und Zurückkehren sogar noch etwas deutlicher herauszustellen. Der Mond „verschwindet“ allmählich, bis er nicht mehr zu sehen ist, aber er kehrt immer wieder zurück zum Sandmann! Irgendwie fand ich das noch nicht deutlich genug.
(Vielleicht ging es dir aber auch vor allem um den Aspekt des Loslassens und das Zurückkehren sollte an dieser Stelle gar nicht behandelt werden. Es gibt schließlich genug Lebenssituationen, in denen man einfach nur Loslassen muss.)

Insgesamt aus meiner Sicht eine nette Geschichte.


Gruß

Essigtinte
 



 
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