Den Raben immerhin

4,70 Stern(e) 24 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Den Raben immerhin

Das Einheitskleid hat sich
lautlos ausgebreitet
Kristallsterne blitzen auf
mit funkelnden Augen
betrachtet dich der Schnee
sucht Verwandtes in dir
eisiges Weiß
weißes eisiges Wissen
Erstarren
wenn das rote Blut
zu Wasser wird
das Herz in der Brust
Leben vortäuscht
die schockgefrorene Seele
zur Dachrinne emporfliegt
und den Raben gibt
ein schwarzes Schauspiel
in der Mittagssonne
 

ENachtigall

Mitglied
Oh, Vera Lena, wie sehr hier die Farben tragen: weiß, rot, schwarz. Da haben wir die umgekehrte Reihenfolge der Schneewittchen Beschreibung. Auch hier erscheint der lebendigste Moment am Ende in der so einzigartig beschriebenen Rabenhaftigkeit dieser so trotzigen Seele, die das kaltweiße Szenario einfach als Kulisse nutzt.

wenn das rote Blut
zu Wasser wird
das Herz in der Brust
Leben vortäuscht
die schockgefrorene Seele
zur Dachrinne emporfliegt
und den Raben gibt
ein schwarzes Schauspiel
in der Mittagssonne
Glückwunsch zu diesem märchenhaften Gedicht!

Lieben Gruß, Elke
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Elke,

ja, so war es gemeint. Wenn die schmerzerfüllte Seele es schafft, sich auch nur einen Weniges über das Leid zu erheben, dann findet das lebendige Leben eine Möglichkeit, wieder zurück zu kehren.

Über Deinen Kommentar freue ich mich sehr. :) Ich hatte nicht gedacht, dass man diesen Text mit so wenigen Worten bis in seinen Kern aufdröseln kann.

Danke für Deinen Kommentar und Deinen liebenswerten Glückwunsch!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Das ist dir ganz vortrefflich gelungen, liebe Vera-Lena.

Mir fehlen die Worte
Heidrun
 

Inge Anna

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

ich muss zugeben, dass erst nach Lesen der Kommentare mein armseliges Auffassungsvermögen es zuließ, diesen ausgezeichneten Text wirklkich zu verstehen.
Meine herzliche Gratulation zu diesem gelungenen Werk.
Mit besten Grüßen
Inge Anna
 

Walther

Mitglied
Was soll ich sagen, Vera-Lena, außer daß ich wirklich hingerissen bin von diesem Werk, das sicherlich eines der Lupenhighlights ist - und auch bleiben wird. Ich vermag nicht zu sagen, wie man das noch toppen kann.

Und daher werde ich Dich auch Fragen, ob ich es für meine Internetanthologie bekommen kann. Dazu ein separates Email in Kürze.

Lieber Gruß W.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Heidrun, danke für Dein großes Lob und danke auch, dass Du diesen Text in den Thread von Montgelas eingefügt hast.!

Liebe Grüße :)
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Inge Anna,

als der Text fertig war, dachte ich, dass auch für Dich ein Trost darin verborgen sein könnte.

Danke für Deine lieben Worte!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

das freut mich, dass Dein feines Gespür für lyrische Texte sich an diesem Text begeistern kann.

Gerne stehe ich Dir damit zur Verfügung.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Meinen Dank auch an Alle, die diesen Text mit einer derart hochkarätigen Bewertung bedacht haben.

Euch Allen liebe Grüße
Vera-Lena
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo,
schade, dass meine Wertung rausgefallen ist.
Ich wage gar nicht ein neues Werk einzustellen, es kann sich einfach nicht messen.

LG Franka,
die die ganze Familie schon zum Lesen gedrängt hat.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Franka,

Das Herausfallen Deiner Wertung hat am Endresultat ja nicht viel verändert.

Schreib Du ruhig weiter Deine wunderbaren Gedichte. Auch mir gelingt nur alle Jubeljahre etwas Derartiges. Mein Plus ist, dass ich meine Texte immer sofort wieder vergesse, sonst könnte ich nie etwas Neues schreiben.

[Schau mal unter "Fingerübungen" Thread "Komische Lyrik" was für einen Quatsch ich da gestern schon wieder verzapft habe. Das wird Dich ermutigen :)]

Die Welt dreht sich weiter und wir drehen uns mit ihr mit.

Herzliche Grüße
Vera-Lena
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Danke, liebe Vera-Lena,

bei mir liegt ein Werk schon über 14 Tage in meiner Lyrikdatei, vielleicht lass ich es doch mal frei.

LG Franka
 

Walther

Mitglied
Hallo Franka,

dieses Gedicht ist in der Tat atemberaubend. Aber Du schreibst meist so gut, daß es trotz dieser Latte meist ein Genuß ist, Dich zu lesen. Also trau Dich. Ich bin schon gespannt.

Gruß W.
 

ENachtigall

Mitglied
mit funkelnden Augen
betrachtet dich der Schnee
Liebe Vera-Lena,

ich muss noch einmal auf dein wunderbares Gedicht zurückkommen, weil mir dieser "Kunstgriff der projezierten Perspektive" nicht aus dem Kopf geht.
Da öffnet sich die Macht der Kälte den Weg durchs Auge des Betrachters (und Lesers); hält den Blick gefangen und erobert sich den längst schon Frost infizierten Körper. Das ist metaphysisch!
Das Einheitskleid hat sich
lautlos ausgebreitet
Dir ist gelungen, Szene, Handlung und Figuren derart mit einander zu verschmelzen, dass das Thema Schnee in allen Facetten aufleuchtet; ganz gemäß seiner kristallinen Struktur. Das erzeugt neben der ohnehin starken sprachlichen Verdichtung eine ebenso kompakte inhaltliche.
Ich glaube, das ist - von außen betrachtet - das Außergewöhnliche an deinem Gedicht. Das, was es schweben läßt. Getragen von der Einfachheit eines Grundgerüstes aus Farben, derer zwei eigentlich keine sind, bleibt am happy Ende: Rot - die Farbe der herzlichen Lebendigkeit Gewinnerin.
Auch wenn wir vom hinreißenden Bild der schwarzen Rabenseele selbst noch zu gefangen sind, das zu begreifen.

Aber wie immer dem auch sei, das Gedicht ist zeitlos schön und eines der Highlights der Leselupenlyrik.

Liebe Grüße nochmal,

Elke
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

je öfter ich dies Gedicht lese, desto kälter krampft sich etwas in mir um mein Herz zusammen.

Ein starkes Stück Lyrik!

Liebe Grüße

Herbert
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Elke,

danke, dass Du diesen Text noch einmal literarisch beleuchtet hast! Ja, er reicht ins Metaphysische. Und die Farbe rot bedeutet Leben und Liebe. Hier droht beides zu erstarren.
Der Schnee erkennt das im Lyri, denn eigentlich kann man am anderen (Menschen) immer nur das erkennen, was man selbst schon entwickelt hat.
Die Seele "gibt den Raben" bedeutet, dass das Lyri sich entschließt, sein Leid hinauszuschreien und ab da, kann sich das Lyri wieder der Schwärze und der Erstarrung entwinden. Ja, das rot wird siegen, Leben und Liebe sind ewige Wesenheiten.

Herzliche Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Herbert,

so tief solltest Du aber nicht in den Text hineingehen, dass er sich auf Dein Befinden überträgt.

Danke dass Du mir Deine Erfahrung mit diesen Zeilen mitteilst.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Perry

Mitglied
Hallo Vera-Lena,
die Überschrift ist schon allein einen Applaus Wert und das nicht nur, weil ich Raben mag.
Der Text selbst erzählt für mich vom Erstarren der Gefühle, und vom Vortäuschen einer Lebendigkeit, um die Raben (den Tod) im Zaum zu halten.
Formal könnte ich auf das "rote" Blut verzichten und die Satzverdrehung am Schluss "Und den Raben ein schwarzes Schauspiel ... gibt.
Ansonsten gern gelesen!
LG
Manfred
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Manfred,

da der Text keine Interpunktion hat, kann man manches anders lesen,als es eigentlich da steht.

die schockgefrorene Seele
zur Dachrinne emporfliegt
und den Raben gibt,
ein schwarzes Schauspiel

Die Seele gibt den Raben, so wie eine Theaterkompanie ein Shakespeare-Schauspiel gibt. So ist es gemeint. Und daher ist auch satzmäßig nichts verdreht.

Das rote Blut ist wichtig, weil ja das Leben dann in seine eigentliche Farbe, nämlich das blutrot wieder zurückkehrt, so wie Elke das ganz in meinem Sinne interpretiert hat.

Es freut mich, dass Dich der Text anspricht. Danke für Deine Antwort!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
Oben Unten