Der Anhalter

kio

Mitglied
Und wieder stellte er sich alleine ganz nahe an die vorbeifahrenden Fahrzeuge. In freudiger Erregung streckte er den Daumen in die Luft. Doch die Zeiten waren hart. Auch für einen wie ihn. Ein paar schauten entsetzt aus dem Fenster und fuhren noch schneller, als ihr Blick es zulassen konnte, an ihm vorüber. Die meisten waren jedoch so mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht einmal bemerkten, dass dort ein Anhalter stand. Als er einige Regenschauer überstanden hatte, der Verkehr mit zunehmender Dunkelheit sich lichtete, bremste neben ihm ein nicht gängiges Automodell sanft ab und blieb direkt unter seinem noch immer in froher Erwartung gestreckten Daumen stehen.
Fast schüchtern öffnete er die Tür. Im Inneren des Wagens roch es nach Rosenholz und ein nicht mehr ganz junger, doch auch nicht alter Mann sass hinter dem Steuer. Freundlich blickte er ihn an und stellte fest, dass er sich freue, nach so langer Durststrecke endlich mal einen Anhalter zu finden. "Die Zeiten sind härter geworden und Anhalter findet man nur noch sehr selten". Nach freudigem, gegenseitigen Zunicken wollte der Fahrer doch das Ziel des Anhalters wissen, um abzuklären, ob es sinnvoll sei, den Weg gemeinsam fortzusetzen. Beide stellten fest, dass es noch keinen bestimmten Ort gab, den sie ansteuerten. Stille.
Dann erlöstes Grinsen: "Wie, du auch?" Nach längerer Fahrt, die sie aus dem Häusermeer der Stadt brachte, standen sie an einem Waldweg und inhalierten die kühle Morgenluft, genossen schweigend den Duft der erwachenden Bäume, hörten gemeinsam in den Sonnenaufgang hinein.
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Hallo Kio,

ja, die Zeiten haben sich geändert, ein Anhalter am Straßenrand wird heute oft ganz allgemein mit einem Bettler oder potentiellen Kriminellen gleichgesetzt. Vor dreißig Jahren gab es da mindestens noch eine weitere, bessere Meinung...

Der Text gefällt mir, er ist in einem angenehmen, ruhigen Grundton geschrieben. Trotz der Kürze kommen die Lebenshaltungen gut rüber.

Dann erlöstes grinsen : "Wie du auch?" Grinsen ist im geg. Zusammenhang ein Substantiv, nach "wie" wäre ein Komma passend.

LG

P.
 

kio

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Penelopeia
Hallo Kio,

ja, die Zeiten haben sich geändert, ein Anhalter am Straßenrand wird heute oft ganz allgemein mit einem Bettler oder potentiellen Kriminellen gleichgesetzt. Vor dreißig Jahren gab es da mindestens noch eine weitere, bessere Meinung...

Der Text gefällt mir, er ist in einem angenehmen, ruhigen Grundton geschrieben. Trotz der Kürze kommen die Lebenshaltungen gut rüber.

Dann erlöstes grinsen : "Wie du auch?" Grinsen ist im geg. Zusammenhang ein Substantiv, nach "wie" wäre ein Komma passend.

LG

P.
Hallo Penelopeia,
danke für die Blumen - habe deinem Rechtschreib-Verbesserungs-Vorschlag Rechnung getragen. Genau die Ruhe ist es, die mir die Nähe eines ganz besonderen Menschen vermittelt. Und ich freu' mich tierisch, dass du das in der story wiedererkannt hast. Gruß
 



 
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