Der Apfelbaum

4,00 Stern(e) 1 Stimme
Der Apfelbaum (1989)


Ein Lausebengel auf der Lauer
erklimmt die hohe Gartenmauer.
Schwingt hinüber, springt hinab,
wend’t sich von der Mauer ab.
Er stiehlt sich schnell zum Apfelbaum,
um süße Früchte sich zu klau’n.

Am dicken Stamme angelangt
erklettert er des Baumes Rand.
Er schwingt sich dann vom ersten Ast
dem zweiten zu, ganz ohne Hast.
Der dritte, vierte, fünfte ward
erklommen, ganz nach Affenart.

Die Äste werden schließlich Zweige,
und der Bube, gar nicht feige,
steigt hinauf den allerdünnsten,
strebt mit tollsten Kletterkünsten
einer prächt’gen Frucht entgegen,
die er sich bemüht zu kriegen,
streckt die Hand in diesem Sinn
seinem Ziel, dem Apfel, hin.

Doch so sehr er sich auch streckt,
viel zu weit noch ist der weg!
Er beugt sich schließlich weit hinaus,
viel zu weit, und dann - oh Graus! -
kracht der Zweig, der Bube fällt,
bis er auf den Boden prellt.

Und siehe da: der Knabe kriegt,
wenn’s ihm auch nicht ganz beliebt,
so viele Äpfel auf den Kopf.
Ja, so geht’s dem armen Tropf!

Jetzt kommt auch noch der Bauer an:
„Bengel! Was hast Du getan?
Ich befehl’ dir, freches Wesen,
alle Äpfel aufzulesen!”
So verdient’s ein Apfeldieb,
büßen muss, wer nicht ist lieb!

Endlich sind, dass nichts vergammelt,
alle Äpfel eingesammelt.
Diese bringt er Bauer Moll,
wie’s so sein muss und auch soll.

Unser Bengel will schon wenden,
sagt Herr Moll: „Zu allen Enden
sei dir doch ein Lohn zuteil!”
Nun ist alles wieder heil.

Der Bub bekommt ein gutes Stück,
und er strahlt vor lauter Glück,
wendet sich dem Heimweg zu,
und Herr Moll hat seine Ruh’.

Und die Moral von der Geschicht’?
Äpfel stehlen lohnt sich doch!


Mark Dreyblatt (mein Pseudonym)​
 
L

label

Gast
Hallo Crimson Conjuror

Das ist jetzt das dritte Werk von dir, das ich lese und ich hätte auch ohne den Verfassernamen zu kennen, dich als Autoren vermutet.
du hast einen leichten, sehr einfallsreichen Stil, auch der Rhythmus deiner verse ist heiter.

gefällt mir richtig gut.
Hast du noch mehr davon? mach doch ein Kinderbuch daraus!

Netter "Moral-Schluss" klingt buschig.
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Finde ich auch wieder recht fruchtig.
Wie ich sehe, ist das Gedicht schon zwanzig Jahre alt und Veränderungen kommen wohl etwas zu spät.
Na gut, aber eine Stelle hätte ich trotzdem zu bemängeln:

Doch so sehr er sich auch streckt,
viel zu weit [blue]ist der noch[/blue] weg!
Er beugt sich schließlich weit hinaus,
viel zu weit, und dann - oh Graus! -
kracht der Zweig, der Bube fällt,
bis er auf den Boden [red]prellt[/red].

Hier müsste es nun wirklich [blue]prallt[/blue] heißen. Man kann auf etwas prallen, oder man wird geprellt. Andersherum macht es keinen Sinn. Also wäre eine andere Möglichkeit:

kracht der Zweig, der Bube fällt,
bis [blue]ihn hart der[/blue] Boden prellt.​
Vielleicht kannst Du Dich ja zu einer späten Korrektur durchringen. ;)

Viele Grüße
Sta.tor
 
Hallo label!

Erst mal vielen Dank, dass du alle meine Werke gelesen hast! Dass du mich am Stil erkannt hast, überrascht mich etwas. Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mit derselben Grundhaltung an jedes der drei Gedichte heranging.

Dieser Stil scheint wirklich zu gefallen. Vielleicht sollte ich tatsächlich an einen Verlag oder besser ihre Vertreter herantreten, denn unverlangt eingesandte Manuskripte haben sehr selten genügend Überzeugungskraft.

Vielen Dank für deinen Kommentar. Er macht Mut zu mehr. Allerdings muss ich erst noch ein paar Fremdwerke kommentieren - mindestens 3 für 1 (eigenes).

Liebe Grüße

Markus


P.S. Was bedeutet „buschig“? :)
 
Der Apfelbaum (1989)


Ein Lausebengel auf der Lauer
stürmt die hohe Gartenmauer.
Schwingt hinüber, springt hinab,
wend’t sich von der Mauer ab.
Er stiehlt sich schnell zum Apfelbaum,
um süße Früchte sich zu klau’n.

Am dicken Stamme angelangt
erklettert er des Baumes Rand.
Er hangelt sich vom ersten Ast
dem zweiten zu, ganz ohne Hast.
Der dritte, vierte, fünfte ward
erklommen - ganz nach Affenart.

Die Äste werden schließlich Zweige,
und der Bube, gar nicht feige,
steigt hinauf den allerdünnsten,
strebt mit tollsten Kletterkünsten
einer prächt’gen Frucht entgegen,
die er sich bemüht zu kriegen,
streckt die Hand in diesem Sinn
seinem Ziel, dem Apfel, hin.

Doch so sehr er sich auch streckt,
viel zu weit noch ist der weg!
Er beugt sich schließlich weit hinaus,
viel zu weit, und dann - oh Graus! -
kracht der Zweig, den Buben haut’s
genau aufs Steißbein. Autsch! – Pardauz!

Und siehe da: der Knabe kriegt,
und wenn sein Stolz sich auch verbiegt,
so viele Äpfel auf den Kopf.
Ja, so geht’s dem armen Tropf!

Jetzt kommt auch noch der Bauer an:
„Bengel! Was hast Du getan?
Ich befehl’ dir, freches Wesen,
alle Äpfel aufzulesen!”
So verdient’s ein Apfeldieb,
büßen muss, wer nicht ist lieb!

Endlich sind, dass nichts vergammelt,
alle Äpfel eingesammelt.
Diese bringt er Bauer Moll,
wie’s so sein muss und auch soll.

Unser Bengel will schon wenden,
sagt Herr Moll: „Zu allen Enden
sei dir doch ein Lohn zuteil!”
Nun ist alles wieder heil.

Der Bub bekommt ein gutes Stück,
und er strahlt vor lauter Glück,
wendet sich dem Heimweg zu,
und Herr Moll hat seine Ruh’.

Und die Moral von der Geschicht’?
Äpfel stehlen lohnt sich doch!



Mark Dreyblatt (mein Pseudonym)
 
Hallo Sta.tor!

Habe eben erst bemerkt, dass ich die Antwort (geschrieben am 08.09., 19:00 Uhr) auf deinen Kommentar noch gar nicht veröffentlicht hatte. Das sei hiermit nachgeholt. Verzeihung?

Liebe Grüße

Markus
 
Hallo Sta.tor!

Ist ja ein leckeres Prädikat: fruchtig! :)
Das Gedicht ist alt, war sogar mein erstes richtiges - mit Hand und Fuß plus Pointe. Das erste, das sich wirklich sehen lassen konnte.

Als Künstler ist man nie zufrieden. Man findet stets noch etwas, das sich verbessern lässt. Und sollte sich die Möglichkeit dazu bieten, warum sollte man sie nicht wahrnehmen?

Unmittelbar vor der Veröffentlichung hier auf der Lupe habe ich tatsächlich noch kleine Änderungen vorgenommen, ausgelöst durch die Kommentare zum hier und da holpernden Versmaß meiner beiden vorangegangenen Werke, habe also daraus gelernt.

Abgesehen vom Vers „viel zu weit ist der noch weg!” sind deine Einwände berechtigt. Ich vermute, du bekommst beim Lesen meines Gedichts ein so irrwitziges Tempo drauf, dass du gar nicht mehr Wort für Wort gelesen hast. In dieser (blau eingefärbten) Form hatte ich es tatsächlich mal stehen, aber die schon erwähnten Kommentare zu früheren Fehlern haben mich dazu veranlasst, es umzustellen – in diese Form: „viel zu weit noch ist der weg”. Leider neigen wir dazu, Verse wie beim normalen Sprechen zu betonen, anstatt uns darauf zu besinnen, wie es lauten müsste, damit es dichterisch klingt (vgl. dazu auch die Kommentare zu „Brim und Brom”).

Das „prellt” war mir über die Jahre stets ein Dorn im Auge, hatte jedoch nie die Kraft aufbringen können, es durch „prallt” zu ersetzen – wegen des Reims. Aber jetzt denke ich, dass ich beide Verse neu schreibe, mit neuem Reim. Der Anstoß dazu kommt von dir. Dafür vielen Dank!

Liebe Grüße

Markus
 
An alle!

Ich muss wirklich sagen, die Kommentare zu meinen letzten Werken und diesem hier haben ihm wirklich gut getan. Ich denke, „der Apfelbaum” macht jetzt eine schlankere Figur und liest sich leichter - selbst für mich!

Vielen Dank an alle, die mich dahin geführt haben, mein Augenmerk auf das Metrum zu lenken!

Crimson Conjuror
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hi Crimson,

Autsch-Pardauz?
Hatten wir das nicht schon mal irgendwo?
Hans-guck-in-die-Luft?

Meiner Meinung nach nicht die eleganteste Lösung, aber - es ist ja Dein Gedicht.

Warum sollte ein unverdrehter Vers schlechter sein als ein Verdrehter. Das verstehe ich nicht. Die Betonung des "noch" kann doch getrost vernachlässigt werden. Mir sind natürliche Versgebilde lieber, auch wenn ich mich selber manchmal nicht dran halte. Meist finde ich dann einfach keine bessere Lösung, aber hier gibt es doch gar keine Probleme.

Übrigens, lese ich Gedichte tatsächlich Wort für Wort, meistens sogar mehrmals. Nie würde ich mich sonst anmaßen zu urteilen. Dahingestellt sei mal, ob mich die Botschaft des Textes auch jedes Mal erreicht. In Deinem Fall war es aber so. ;)

Viele Grüße
Sta.tor
 
Der Apfelbaum (1989)


Ein Lausebengel auf der Lauer
stürmt die hohe Gartenmauer.
Schwingt hinüber, springt hinab,
wend’t sich von der Mauer ab.
Er stiehlt sich schnell zum Apfelbaum,
um süße Früchte sich zu klau’n.

Am dicken Stamme angelangt
erklettert er des Baumes Rand.
Er hangelt sich vom ersten Ast
dem zweiten zu, ganz ohne Hast.
Der dritte, vierte, fünfte ward
erklommen - ganz nach Affenart.

Die Äste werden schließlich Zweige,
und der Bube, gar nicht feige,
steigt hinauf den allerdünnsten,
strebt mit tollsten Kletterkünsten
einer prächt’gen Frucht entgegen,
die er sich bemüht zu kriegen,
streckt die Hand in diesem Sinn
seinem Ziel, dem Apfel, hin.

Doch so sehr er sich auch streckt,
viel zu weit noch ist der weg!
Er beugt sich schließlich weit hinaus,
viel zu weit, und dann - oh Graus! -
kracht der Zweig, den Buben haut’s
genau aufs Steißbein. Autsch! – Pardauz!

Und siehe da: der Knabe kriegt,
und wenn sein Stolz sich auch verbiegt,
so viele Äpfel auf den Kopf.
Ja, so geht’s dem armen Tropf!

Jetzt kommt auch noch der Bauer an:
„Bengel! Was hast Du getan?
Ich befehl’ dir, freches Wesen,
alle Äpfel aufzulesen!”
So verdient’s ein Apfeldieb,
büßen muss, wer nicht ist lieb!

Endlich sind, dass nichts vergammelt,
alle Äpfel eingesammelt.
Diese bringt er Bauer Moll,
wie’s so sein muss und auch soll.

Unser Bengel will schon wenden,
sagt Herr Moll: „Zu allen Enden
sei dir doch ein Lohn zuteil!”
Nun ist alles wieder heil.

Der Bub bekommt ein gutes Stück,
und er strahlt vor lauter Glück,
wendet sich dem Heimweg zu,
und Herr Moll hat seine Ruh’.

Und die Moral von der Geschicht’?
Äpfel stehlen lohnt sich doch!


 



 
Oben Unten