Der Autor

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Inge Anna

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Der Autor

Es schien sein erster Kurzroman
mir inhaltlos und schal;
doch hielt mein Nachbar Florian
das Werk für genial.

Er sah den jungen Autor schon
geschniegelt und gekrönt,
befreit von schmalem Hungerlohn
und vom Erfolg verwöhnt.

Doch schwieg die Welt, das Ziel lag fern,
begrabenes Talent,
noch zeigte sich kein heller Stern
am weiten Firmament.

Beharrlichkeit und zäher Fleiß
brachten dem Autor dann
den heiß ersehnten Leserkreis:
Der Höhenflug begann.

Sein zweites Buch, die Sensation,
Goldregen dem Genie!
Im Schlummer lagen Spott und Hohn,
in engster Harmonie.

Und Florian hob stolz das Haupt,
als gelte ihm der Ruhm.
Er hatte an den Sieg geglaubt,
die Wartezeit war um.

Nur einmal gegenüberstehen,
dem Autor seiner Wahl,
ihm lächelnd in die Augen sehen,
Wunschträume ohne Zahl.

Dass sein Idol mir gut bekannt,
gab ich zunächst nicht preis.
Mein Schulfreund hieß Max Ohrenrand -
der Name lag auf Eis.

Hier sollte Gunnar Marius
im Rampenlichte steh'n;
da ließ man feinsten Zuckerguss
langsam im Mund zergeh'n.

Woher das alte Foto kam,
Florian fragte nicht.
Ich zog's aus Staub und Schreibtischkram;
froh strahlte sein Gesicht.

Doch seinen Himmel trübte bald
ein dunkles Wolkenband.
Ihm wurde plötzlich eisig kalt,
Vergangenes erstand.

Das Bild - war es die Möglichkeit -
zeigte ihm jenen Mann,
dessen feige Verlogenheit
ihm Schweres angetan.

Damals verfehlte der Ruin
ihn nur um Haaresbreite,
dem Abgrund nah' - und nur durch ihn -
qualvolle Seelenpleite.

Was Florian mich wissen ließ,
verwunderte mich sehr,
und dass mein Schulgefährt' so mies,
fiel mir zu glauben schwer.

Als des Verruchten Name fiel,
atmete ich freier;
der Schuft besaß ein Haus in Kiel
und hieß Paul-Detlef Meier.

Er seufzte und die Zeit verstrich;
ich sah, wie sehr er litt,
und als er ging, entschloss ich mich
zu einem kühnen Schritt.

Ich rief bei Max in München an,
pries brav sein neues Buch;
leicht pendelte sich in den Plan
sein baldiger Besuch.

Ein Sommerabend drängte dann
zu Gartenplausch und Wein.
Erst jetzt sprach ich von Florian
und dessen Grübelei'n.

Mein Schulfreund unterbrach mich nicht,
doch wich aus seinem Blick
das mir vertraute warme Licht,
ob jenem Missgeschick.

Und einer Amsel Abendgruß
drang wehmutsvoll ins Ohr.
Was dachte Gunnar Marius?
Ich spürte, dass ich fror.

Doch köstlich mundete der Wein,
er trank ihn mit Genuss;
das, was er schreibe, schlage ein,
rief Gunnar Marius.

Sein Redestrom schwoll mächtig an,
mir wurde kalt und heiß.
Am Gartentor stand Florian;
ich wischte mir den Schweiß.

Was dann geschah, wird euch erzählt
in Gunnars drittem Buch,
und wer es liest, hat gut gewählt:
"Des Lebens Brandgeruch".
 



 
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