Der Beginn eines Romans - " Loa"

nemo

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Hallo erst einmal. Ich habe hier die ersten paar Kapitel eines Romans an den ich arbeite. Ich würde mir gerne mal die eine oder andere objektive Meinung holen, ob der Text lesbar ist. Vor allem bei den Dialogen bin ich mir nicht so sicher. Danke - Nemo

1.

So, jetzt erst mal locker bleiben und nicht die Milch verlieren.
Kurzer Blick nach links, kurzer Blick nach rechts und die Lage ist gepeilt.
Insgesamt sechs Personen. Zwei Kassiererinnen und vier Kunden. Leichtes Spiel.
Ein paar Schritte Richtung Kasse, die Knarre aus der Jacke ziehen und ab geht’s.
„Ihr verfickten Penner, ihr geht jetzt alle zu Boden sonst gibt’s Blut !!!“
Ich liebe diesen Part. Cool sein, böse aussehen und kein Mitleid zeigen.
„So du Schlampe steh auf !!!“
Immer diejenigen aussuchen die am meisten Angst haben.
„Pack das scheiß Geld in die Tasche und zwar schnell !! Sonst kannst du demnächst aus der Stirn kacken !!“
Es geht schnell, sehr schön.
Blick nach draußen, alles ruhig.
Bewegung hinter mir.
Umdrehen. Zielen.
„ Was soll die Scheiße du Wichser, willst du als Held sterben ?“
Waffe auf die Stirn legen und lächeln.
„Na kleiner , hast du Angst ?“
Zittern, Stille.
Der typische Geruch von Angstschweiß, Augen die sich mit Tränen füllen.
„Peng, du bist Tot.“
Ich richte die Waffe knapp über seine Schulter.
Ein lauter Knall, Schreie, und der Kerl bricht zusammen, bewußtlos.
Umdrehen, auf die Kassiererin zielen.
„Mach hinne sonst bist du die nächste !“
Sie heult und beeilt sich.
So, jetzt die Kohle nehmen und nichts wie raus aus dem Laden.
Draußen steht Paul und lässt den Motor aufheulen.
Rein in die Karre. Maske vom Gesicht reißen. Tür zu. Und ab geht’s.
„Und wie isses gelaufen ?“, fragt Paul .
„Halt’s Maul und gib Gas !!“, schnauze ich.
Paul ist nicht gerade ein Genie, aber im Umgang mit allem was zwei oder mehr Räder hat ist er unschlagbar.
„War ganz O.K., keine größeren Probleme gehabt.“, sag‘ ich.
Ich krieg wieder Kopfschmerzen. Jedes Mal wenn ich’n Ding drehe, platzt mir danach die Birne. Kommt bestimmt vom rumballern, sollte mir n’en Schalldämpfer besorgen.
„Paulie, halt bitte am Candie’s, ich muss mir was zum Qualmen besorgen, mir platzt der Kopf.“
Paulie nickt.
Er weiß, daß er mich jetzt lieber in Ruhe lassen sollte, deswegen mag ich den Kerl so.
Seitdem sein älterer Bruder Sam bei ’ner Schießerei mit den Bullen draufgegangen ist, hängt er mit mir rum. Ich bin so’ne Art Ersatzbruder für Ihn. Er ist noch zu Jung um alleine klar zu kommen und von mir kann er noch’n paar Tricks lernen. Er ist mit achtzehn zwar einen Kopf größer und drei Schränke breiter als ich mit zweiunddreißig, aber ihm fehlt noch die Erfahrung. Das Leben ist hart, wenn man’s so lebt wie wir.
„Wir sind da.“, meldet sich Paul.
„Warte im Wagen, ich bin gleich wieder da.“
Ich nehme zweihundert Kröten aus der Tasche und ab in’s Candies.
Ein Kopfnicken reicht und der Typ an der Tür lässt mich rein.
Scheiße ist der Laden voll. Ich schau mich um. Ein paar nette Weiber sind da, aber ich hab‘ heute kein Bock auf Ficken. Ich dränge mich durch die Massen Richtung Bar. Meine Birne pocht bei jedem Bassbeat. Verdammt, müssen die, die Musik so laut aufdrehen. An der Bar sitzt der Mann den ich suche. Ich geh an ihm vorbei und ein Augenkontakt genügt. Dann auf’s Klo, wo ein paar Sekunden später der Typ auch auftaucht.
„Was geht Alter ?“, fragt er mich grinsend. Er riecht das Geschäft.
„Ich hab‘ hier zweihundert Mäuse die nach dir gefragt haben. Hast du was gutes da ?“, frage ich.
„Ja klar, für meinen Lieblingskunden doch immer. Wart‘ mal 'ne Sekunde.“
Er greift in seine Jackentasche und bringt ein Beutel Gras zum Vorschein.
Er wiegt‘s vor meinen Auge ab und meine hart verdienten Mäuse wechseln den Besitzer.
„Bis demnächst Meister.“, verabschiede ich mich.
Raus aus dem Klo und wieder durch die nach Rauch und Alkohol stinkende Menge.
„He du Sack, pass mal auf ! “
Ich dreh mich um. Ein Kerl wie‘n Baum schaut mich grinsend von oben herab an.
„Hast du mich gerade Sack genannt ?“, frage ich ihn freundlich.
„Hast du ein Problem damit kleiner ?“
Ich lächele und trete ihm in die rechte Kniescheibe. Es knackt. Er krümmt sich vor Schmerzen. Nächster tritt von unten in die Fresse. Er kippt um und hält sich das Gesicht.
Blut läuft zwischen seinen Fingern.
„Selber Sack ! “, zische ich und verpisse mich schleunigst.
Am Ausgang wieder kurzes Kopfnicken und schnell in’s Auto.
„Hau‘ rein Paulie, ich will nach Hause, entspannen ist angesagt.“

2.

Das Zeug knallt ja mächtig rein. Ich habe mir gerade das erste Köpfchen reingezogen und bin schon hammerbreit. Gott segne das THC !!
Die härteren Sachen vertrage ich nicht mehr, ab und zu 'ne priese Koks oder 'ne Flasche Wodka is' noch O.K., aber ich kenne genug Jungs die von dem ganzen synthetischen Zeug in der Heilanstalt vor sich hin sabbern. Cannabis hingegen ist Natur pur.
„He Paulie, deine Blubbi ist fertig, komm schon !!“ rufe ich in den Raum.
Paulie füttert gerade seine Ratte.
Das Tier gehörte seinem Bruder und er glaubt tatsächlich, daß ein Teil von Sam in dem Vieh weiterlebt. Ich habe Paul schon oft mit der Ratte reden hören, als rede er zu einem Menschen. Es ist halt’n bisschen abgedreht.
„Paul, Essen ist fertig !!“, scherze ich und greife zum Telefon.
„He, hast du die Nummer vom Pizzadienst im Kopf ?“,
Paul, der sich auf seinen Sessel fallen lässt, schüttelt den Kopf.
„Keine Ahnung.“
„Verfickte Scheiße, wir haben jetzt drei Uhr morgens, ich bin dicht wie ein Otter und hab’nen Höllen Fresskick !!“
Ich stehe auf, schwanke und gehe in die Küche.
Ich mache den Kühlschrank auf und mir kommen fast die Tränen.
Kühlschranktür wieder zu, zurück in’s Wohnzimmer.
Paul hustet sich die Lunge aus dem Hals.
„Immer vorsichtig mein Freund.“, lache ich ihn aus „Sei nicht immer so gierig !!“
Ich kann gerade noch das Wort Arschloch zwischen seinen Hustanfällen erkennen, da fällt mein Blick schon auf das Telefonbuch.
„Unsere Rettung naht.„, sage ich und schnappe mir das Ding.
Die richtige Nummer rausgesucht, zwei Pizzen Gran Plaza bestellt und die Nacht ist gerettet.
Über die Kohle müssen wir uns die nächsten Tage nicht mehr den Kopf zerbrechen.
Tankstellen haben zwar nie sehr viel Bargeld in den Kassen, aber es reicht fürs erste.
„He du Sack, du sollst nicht pennen !!“ rufe ich Paul zu, der immer tiefer in seinem Sessel versinkt.
Langsam aber sicher bin auch ich ziemlich platt. Ich setzte mich hin und zappe durch die Fernsehlandschaft.
Ich entscheide mich für einen Tierfilm. Kommt echt relaxend wenn man dicht ist.
„He, mach die Scheiße weg, sonst penne ich gleich wirklich ein !“, meckert Paul.
„Bleib mal locker Paulie, da kannste noch was lernen !!“, meckere ich zurück.
„Was soll ich denn von beschissenen Erdmännchen lernen können du Arsch !!“
„Nicht von beschissenen Erdmännchen, sondern über beschissenen Erdmännchen !!“
„Und was bringt mir das ??“
„Wolltest du nicht schlafen ?“, frage ich und wende mich ab.
„Nein, ich will das jetzt klären. Ich möchte jetzt gerne wissen was mir dieser Tierfilmscheiß bringen soll ??“
„Ich finde es einfach nur entspannend.“, antworte ich.
„Und ich finde das einfach nur einschläfernd !!“, erwidert Paul.
„Dich sollte man lieber einschläfern.“, sage ich ernst
Paul fängt an zu lachen.
„Mach doch was du willst !!“, sagt er schließlich.
Ich packe meine Knarre aus und fange an sie zu reinigen.
Ein Klopfen an der Tür.
„Mann, das ist doch endlich mal ein schneller Pizzadienst !“, staunt Paul.
Als er sieht, daß ich nicht den Anschein gebe aufstehen zu wollen, erhebt er sich aus seinem Sessel.
„Ist schon gut, ich geh schon !!“, teilt er mir mit.
Ich nicke nur.
Er öffnet die Tür, einige Sekunden passiert nichts und plötzlich höre ich eine männliche Stimme die ich zu kennen glaube.
Es ist in einem bestimmten Rauschzustand echt schwierig sein Langzeit Gedächtnis zu überreden eine gespeicherte Information auszuspucken.
Ich beuge mich nach vorne und versuche meine Neugierde zu befriedigen.
Doch Paul steht in meinem Blickfeld, so das ich nur ein in schwarz gekleidetes Bein sehen kann.
Ich lasse mich zurück auf’s Sofa fallen und mache ein dummes Gesicht.

Es gibt Menschen die es einfach verdient hätten, daß man Sie nach der Geburt im Klo ertränkt. Und genau zu dieser Gattung gehören die Mahoney Brüder.
Der ältere der beiden, Korgan Mahoney, sitzt mir gegenüber und grinst mich dämlich an. Während sein Bruder, Bricks Mahoney, wie ein Schutzwall hinter Ihm steht und mir die Geburt einer neuen Erdmännchen Generation verdeckt.
"Ist das dein neuer Busenfreund ??", fragt Korgan lächelnd und zeigt mit dem Finger auf Paul.
Ich versuche cool zu bleiben und antworte "Warum fragst du ? Ist dein Bruder jetzt von Tieren auf Männer umgestiegen ?"
Sein arrogantes Grinsen bleibt, und ich würde Ihm am liebsten die Eier wegtreten.
"Was willst du von mir ?", frage ich Ihn.
"Ich wollte dir Arbeit anbieten. Wie Ich gehört habe, hast du dich jetzt auf Tankstellen und Lebensmittelgeschäfte spezialisiert hast. Ich will dir nur etwas Abwechslung bieten."
Er zündet sich einen Zigarillo an, läßt mich aber nicht aus den Augen
"Es war nicht meine Idee, dich zu Fragen. Ich habe dich schon immer für einen Versager gehalten. Aber der Boß scheint noch einiges von dir halten."
Ich hätte es mir fast denken können. Dieses fette Schwein Santiago hat die beiden Wichser geschickt.
"Ich arbeite nicht mehr für Santiago.", sage ich und schaue Korgan in die Augen.
Er wendet seinen Blick ab, zieht an seinem Zigarillo, und schüttelt den Kopf.
"Bist du etwa immer noch Sauer, Frankie Boy ??"
"Für dich immer noch Mr. Maddox !", schnauze ich ihn an und stehe auf.
"Du kannst Mr. Santiago bestellen, daß er sich seinen Job in den Arsch schieben soll !"
Mein Kopf fängt wieder an zu schmerzen. Das Pochen an meinen Schläfen macht mich Wahnsinnig.
Korgan drückt sein Zigarillo aus und schaut zu mir hoch.
Er hat endlich aufgehört zu grinsen.
"Möchtest du nicht zu erst hören wie viel der Boß dir für den Job bietet ?", fragt er
"Bist du taub, Mahoney ? Ich arbeite nicht mehr...", fange ich an als er mir plötzlich andeutet leise zu sein und auf die Eingangstür starrt.
Ich stocke mitten im Satz und höre Schritte im Gang.
"Das ist bestimmt der Pizza Typ.", sagt Paulie leise.
Stille.
Ein leises Klicken.
Ich kenne dieses Geräusch.
Das entsichern einer Waffe.
"Paulie geh in Deckung !", schreie ich und setze mich in Bewegung.
Während ich beim laufen meine Waffe nachlade höre ich ein lautes Knallen als die Türe eingetreten wird. Ich springe in die Küche und gehe in Deckung.
Plötzlich setzt das laute rattern einer Maschinenpistole ein.
Ich stelle mich an die Küchentür und schaue vorsichtig ins Wohnzimmer.
Die Mahoney Brüder sind hinter dem umgeworfenen Wohnzimmertisch in Deckung gegangen. Bricks schießt blind in Richtung Flur während Korgan scheinbar mit seinem Handy rumhantiert. In der Tür zähle ich vier schwer bewaffnete und vermummte Männer.
Ich suche Paulie und sehe Ihn aus dem Fenster auf die Feuertreppe steigen.
Wir stellen unseren Wagen immer in der nähe der Feuertreppe ab, falls wir unerwünschten Besuch bekommen.
Ich blicke wieder Richtung Haustür und sehe ein rundes Objekt in den Raum fliegen.
Ich drehe mich um, renne zum Küchenfenster und springe.
Ich spüre wie sich Glassplitter in meine Arme bohren, und Tränen mir in die Augen schießen. Ich lande krachend auf der Feuertreppe, als gerade eine laute Explosion aus der Wohnung zu hören ist. Ich versuche aufzustehen, verliere aber das Gleichgewicht und falle wieder hin. Ich bemerke, daß ein Stück Glas in meinem Oberschenkel steckt.
Ich packe es und ziehe es schreiend aus meinem Bein.
Mir wird schwindelig, und der Schmerz verbreitet sich in meinem Körper wie ein Lauffeuer in der Steppe.
Aus dem Augenwinkel nehme ich Bewegungen in der Wohnung wahr.
Ich halte mich am Geländer fest und ziehe mich hoch.
Ich schaue nach unten und sehe Paulie ins Auto einsteigen.
Eine Rauchwolke kommt mir aus dem zerbrochenen Küchenfenster entgegen.
Tränengas.
Ich lege mein Körper auf das Geländer, stoße mich mit meinem unverletzten Bein ab und falle.
Ich bringe meine Arme schützend um meinen Kopf und hoffe au einen sanften Aufprall.
Ich denke an Pizza Gran Plaza, an Erdmännchen...
Und dann der Schock und Dunkelheit.

3.


Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, das besagt, daß man immer dann wach wird, wenn ein Traum gerade anfängt interessant zu werden.
Eben noch liege ich im Bett mit einer asiatischen Schönheit und setze zum finalen Stoß an, und schon sickern Stimmen durch meine vernebelten Gedanken, die sich einfach nicht mit meinem Traum vereinbaren lassen. Ich versuche mich umzudrehen um diesen Stimmen zu entkommen, doch ein stechender Schmerz im rechten Bein, bringt mich zurück in die Realität.
Ich öffne die Augen, aber ein helles Licht blendet mich und zwingt meine Augenlieder sich reflexartig zu schließen. Ich höre Stimmen, kann sie aber nicht verstehen. Mir wird klar, daß ich auf einem harten Stuhl sitze und meine Hände hinter meinen Rücken festgebunden sind.
Ich versuche mich auf die Stimmen zu konzentrieren.
Ich bin mir nicht sicher, aber irgendwie hört es sich Französisch an.
Ich öffne erneut die Augen, diesmal langsamer um sie an das Licht zu gewöhnen, aber die Lampe scheint mir genau ins Gesicht. Wer immer mich hier festhält, möchte nicht gesehen werden.
„Was wollt Ihr Penner von mir ?“ ich versuche cool zu klingen aber meine Stimme zittert.
Keine Antwort.
Ich spüre wie jemand den Ärmel meine Hemdes zurückzieht und ich ahne schlimmes.
„Ihr verfickten Affen !! Ich reiß euch die Eier ab und steck sie euch in’s Maul !!“, schreie ich.
Sekunden später bohrt sich langsam die Nadel einer Spritze in eine meiner Venen und ich fühle wie sich eine heiße Flüssigkeit in meine Blutbahn verteilt.
Mein Arm prickelt als wäre er eingeschlafen.
Ich werde müde, versuche aber dagegen anzukämpfen.
Und wieder Dunkelheit.

Ich schwebe über die Straßen New-Yorks.
Ich stehe auf einem Toilettendeckel auf dem Micky Maus beim pinkeln abgebildet ist.
Sieht aus wie Airbrush. Ziemlich gute Arbeit.
Das Empire State Building zieht an meiner linken vorbei und ich frage mich ob ich den Flug lenken kann.
Ich konzentriere mich und siehe da, das verdammte Ding fliegt tatsächlich durch reine Gedankenkraft.
Ich gebe richtig Gas und rase mit einem Höllentempo durch die Hochhausschluchten.
Ein Hochgefühl überkommt mich und der Geschwindigkeitsrausch pumpt mir Adrenalin in die Blutbahn.
Erst jetzt fällt mir auf, daß die Stadt verlassen zu sein scheint.
Keine Autos blockieren die Strassen, keine Menschenmassen die sich auf den Bürgersteigen drängen.
Ich fliege Richtung East-River und drossel mein Tempo ein wenig.
Plötzlich verändert sich meine Umgebung.
Es wird dunkel. Es wird Nacht.
Ich stehe mitten in einem Sumpfgebiet.
Knietief im stinkenden Wasser, versuche ich mir die Mücken vom Leib zu halten.
Langsam geht mir die ganze Sache auf die Nerven.
In der Ferne sehe ich ein flackern.
Ein Feuer.
Ich setzte mich in Bewegung und stampfe durch das trübe Wasser.
Als ich mich nähere, sehe ich mehrere schwarze menschlich Formen die anmutig um ein Lagerfeuer tanzen. Sie scheinen zu singen, es ist eine Art Gebet, eine Litanei.
Während ich sie beobachte fühle ich wie meine Glieder schwerer werden und meine Augenlieder sich schließen.
Eine Welle der Müdigkeit überrollt mich wie eine Tsunami.
Und wieder Dunkelheit.

4.

Als ich diesmal aufwache, traue ich mich nicht meine Augen zu öffnen.
Etwas hat sich aber verändert.
Ich liege seltsam weich und ein penetranter Geruch bohrt sich in meine Nasenflügel.
Ich bewege mich und ein brennender Schmerz gibt mir zu verstehen, daß es meinem Bein immer noch nicht sehr gut geht. Mit meiner rechten Hand greife ich in etwas, daß sich verdächtig nach Essensresten anfühlt.
Ich sammle meine Gedanken, und durch die Dunkelheit meiner Gehirngänge kriecht eine Erkenntnis.
Vorsichtig öffne ich die Augen und sehe meine Vermutung bestätigt.
Ich schiebe den Deckel des Müllcontainer, in dem ich stecke, zurück, und klettere mit sehr viel mühe heraus.
Es ist Nacht und ich befinde mich in einer abgefuckten Gasse.
Ich habe wohl ein paar Penner geweckt, die mich jetzt ungläubig anstarren. Ich werfe Ihnen nur einen abschätzigen Blick zu und sie schauen weg.
Ich habe jetzt echt die Schnauze voll. Mir tut alles weh und ich fühle mich wie ausgekotzt. Die Wunde an meinem Bein hat sich entzündet und klebt an meiner Jeans, so daß jeder Schritt zu Qual wird.
Ich mache eine kurze Bestandsaufnahme. Ich habe kein Handy dabei und mein Portemonnaie liegt noch in der Wohnung, allerdings habe ich noch einen zerknüllten Hundert Dollar Schein in der Tasche. Was ich jetzt brauche ist ein Arzt und ein Telefon.
Das Krankenhaus kann ich vergessen, weil ich keine Sozialversicherungskarte habe aber ich kenne jemand der mir noch ein Gefallen schuldet.
Ich humpele bis zu nächstgrößeren Strasse und winke ein Taxi heran.
Als Taxi Fahrer, würde ich bestimmt nicht anhalten um mich mitzunehmen so wie ich jetzt aussehe, aber es ist dunkel und ich habe Glück.
Im Taxi komme ich endlich dazu die vergangenen Stunden Revue passieren zu lassen.
Ich lehne mich etwas zurück und lege mein Bein in eine erträglichen Lage.
Alles hatte mit dem Besuch der Mahoney Brüder begonnen.
Das konnte nur bedeuten, daß Santiago seine dicken Wurstfinger im Spiel haben mußte.

Humberto José Santiago, auch das fette Schwein Santiago genannt, verfügt über einen derart gigantischen Leibesumfang , daß dieser schon in Metern statt in Zentimetern gemessen werden muß. Seine Körperfülle scheint auch in direkter Relation zu seinem Ego zu stehen und das macht diesen Mann wohl so gefährlich. Wenn er einen Raum betritt, füllt er Ihn nicht nur durch seine unübersehbare Präsenz aus, sondern auch durch sein unerschütterliches Selbstvertrauen, das es einem schwer macht Ihm zu widersprechen.
Er ist der geborene Manipulator, eine Puertoricanische Version Machiavellis.
Auch mich hatte dieser Mann fasziniert, der es perfekt verstand mir Honig um den Mund zu schmieren, und mir eine goldenen Zukunft in seiner Organisation prophezeite.
Es dauerte drei Jahre bis ich Ihn durchschaute.
Ich hatte mich in dieser Zeit vom Laufburschen, Fahrer bis zum Vertrauensmann Santiagos hochgearbeitet und erst dann erkannte ich sein wahres Gesicht.
Er ist gar nicht so darauf besessen Reichtümer anzuhäufen wie es in dieser „Branche“ üblich ist, sondern es ist das Machtgefühl wonach es Ihm dürstet. Das Gefühl andere Menschen zu benutzen und sie, wenn nötig, zu vernichten.
Von Drogengeschäften über Prostitution bis hin zu Waffendeals mit Kopftuch-Trägern, vor nichts schreckt er zurück. Er hat Verbindung zu der wichtigsten Mafia Familie der Stadt, den Cipones, zu den Japsen und zu den Kolumbianern. Er kennt die Reichen und die Wichtigen, die Aufsteiger und diejenigen die gerne wichtig wären. Er ist wie eine Spinne, die Ihr Netz über die Stadt gesponnen hat. Er interessiert sich nicht für Frauen, verabscheut öffentliche Auftritte und liebt es das Geschehen aus dem Schatten zu lenken.
Sein einziges Hobby, soweit ich das beurteilen kann, ist das Sammeln und Handeln mit Antiken Kunststücken. Sein ganzes Haus ist voll mit Relikten vergangener Tage; alte Statuen die grimmig dreinschauend, die Räume bewachen, Vasen mit kunstvoll gezeichneten Drachen und sein ganzer Stolz, ein Zimmer voller altertümlicher Waffen.
Ich hatte einmal die Ehre diesen Raum zu sehen und ich kam mir vor wie in einer Mittelalterlichen Waffenkammer.
Ich möchte nicht behaupten, daß ich mir aufgrund meiner bisherigen Taten einen Freischein für’s Paradies verdient hätte, aber für Santiago sieht’s am Tage des Jüngsten Gerichts verdammt düster aus. Wenn er dort auf die Seelen derjenigen trifft, die er auf dem Gewissen hat, dürfte es im Fegefeuer eng werden.

Die Stimme des Taxi Fahrers reißt mich aus meinen Gedanken.
„Wir sind da, Sir !“, sagt er mit einem unüberhörbaren indischen Akzent.
Mein Kopf lehnt an der beschlagenen Scheibe und ich raffe mich auf obwohl ich auf der Stelle einschlafen könnte.
„Das macht 14 Dollar und 10 Cent, Sir“, sagt er und kramt eine große Brieftasche auf der Fahrertür.
Ich steige aus, und das Brennen in meinem Bein macht mich fast wahnsinnig.
Ich bezahle, warte auf mein Rückgeld und halte mich am Taxi fest.
Als es losfährt, schwanke ich etwas, kann mich aber noch gerade so auf den Füßen halten.
Zum Glück ist es nicht mehr weit. Ich gehe, mein Bein hinter mir her schleifend, durch ein kleines weißes Gartentor. Ich spüre leichten Regen an meinen Kopf prallen.
Als ich an der Eingangstür des Hauses stehe, hoffe ich kurz, daß ich auch das richtige erwischt habe. Einen größeren Spaziergang, traue ich mich nicht mehr zu.
Ich schiele auf den Namen auf dem Briefkasten.
„Matthew Zuckerman“ steht dort.
„Da haben wir noch mal Dusel gehabt, Mr. Maddox“, murmele ich vor mich hin.
Ich drücke auf die Klingel und warte.
Ich höre Schritte im Hausflur und bete, daß es Matthew ist, und nicht seine Frau.
Seit er vor fünf Jahren geheiratet hat, habe ich ihn nicht mehr gesehen.
Ich weiß, daß er jetzt eine eigene Praxis besitzt und recht erfolgreich ist, aber seine Frau, Catherine, konnte ich noch nie leiden. Matthew und ich sind seit der Schulzeit dicke Freunde. Ich habe ihm zwar immer erzählt, ich würde für einen Sicherheitsdienst arbeiten, aber ich glaube er wußte recht gut wie ich meine Mäuse verdiente. Nach der Hochzeit - bei der ich so besoffen war, daß ich der Braut auf die Schuhe gekotzt habe -, ist unser Kontakt abgebrochen. Ich weiß, daß Catherine damit zu tun hat. Na ja, ist ihr gutes Recht. War vielleicht auch besser für Matt.
Die Tür öffnet sich.
Er sieht noch genauso aus wie früher; vielleicht nur etwas stabiler.
„Hast zugenommen. Man merkt das ‘ne Frau im Haus ist.“, sage ich und versuche zu lächeln.
„Ach du Scheiße !! Frank, was ist los mit dir ?“, fragt er scheinbar überrascht mich zu sehen.
„Ich war gerade mit dem Hund spazieren, als ich mir dachte, ich könnte doch mal meinen alten Freund, den Juden, besuchen.“
Matthew lächelt, legt meinen Arm um seine Schulter und trägt mich ins Haus.
„Ich bin kein Jude mehr. Ich bin jetzt Buddhist.“, sagt er ernst.
„Willst du mich verarschen ?“
„Klar doch.“, sagt er mir und zeigt mir ein Stuhl, auf den mich setzten soll.
Er schaut sich meine Wunde an und schüttelt den Kopf.
„Ich stelle dir keine Fragen, möchte aber gerne etwas klar stellen.“
Er überlegt kurz.
„Also, ich werde dir helfen. Die Wunde muß genäht werden, da heißt...“
Ich unterbreche ihn.
„Ich dachte du bist Tierarzt ! Wieso nähen ? Kannst du sie nicht einfach desinfizieren und ein Pflaster drauf knallen ?“
„Die Wunde mußt genäht werden. Da gibt es kein wenn und aber. Eine Fleischwunde bei einem Menschen, ist nicht viel anders als eine bei einem Pferd. Vertrau mir einfach.“
Er holt kurz Luft.
„Also, noch mal von vorne. Ich werde dir helfen und keine Fragen stellen. Wir werden gleich in meine Praxis fahren. Catherine werde ich von einem Notfall erzählen. Du weißt ja, was sie von dir hält oder ?“
Ich nicke kurz.
„Dort werde ich deine Wunde behandeln und dich dann nach Hause fahren.“
Ich schüttel den Kopf.
„Das wäre keine gute Idee.“, sage ich kraftlos.
„Gut wir haben morgen Sonntag, daß heißt, du kannst in der Praxis übernachten. Aber Morgen bist du weg. Ist das O.K. ?“
Ich nicke wieder.
„Warte hier.“, sagt er und geht die Treppe hoch.
Eigentlich der richtige Augenblick für einen coolen Spruch der Marke: „Ich geh noch mal ‚ne Runde um den Block.“
Aber ich fühle mich kraftlos und leer, und lasse es lieber bleiben.
Was danach alles passiert, nehme ich nur noch durch einen Schleier aus Müdigkeit wahr; die Autofahrt im Regen, der Aufzug, die Praxis, die Spritze. Ich lege mich hin, schließe die Augen und schlafe ein.
 

itsme

Mitglied
....

Da ist Tempo drin, aber nenn den Typ nicht Paul. Jeder 2. kleine Gauner der 50er und 60er hieß Paul. Atemberaubend ansonsten, und du hälst es FAST durch.

Kein Bruch, keine Schwächen in den Dialogen. Ein klitzekleinig wenig wird dein ich Erzähler, als er Paul beschreibt (ganz am Anfang) zu analytisch nüchtern. Da ist er nicht mehr stimmig. Selten dein Stil hier, aber gut.

Grüßlinge
itsme
 

nemo

Mitglied
Hallo !!

Erst einmal vielen Dank für Kritik und Verbesserungsvörschläge.
Was den Stil der Geschichte angeht, hast du recht.
Ich kann nicht leugnen, dass ich von einigen Filme a la Pulp Fiction, Snatch...inspiriert wurde, und die Sprache meiner Protagonisten etwas krasser gestaltet habe.

Was den weiteren Verlauf der Geschichte angeht, so wird sie sich in einer etwas düsteren Richtung entwickeln.
Der Titel "Loa" ist ein Wort, dass aus der Voodoo Religion stammt und ich möchte gerne dieses Thema mit einbeziehen, wobei ich mich momentan noch in diese Thematik einarbeite.

Danke nochmal !

Nemo
 



 
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