Der Bestatter soll sterben

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Ohrenschützer

Mitglied
Der Bestatter soll sterben

Der Tod klopft selten an das Tor,
er tritt zumeist gleich ein.
Das kommt ihm auch nicht komisch vor,
wer ließe ihn schon rein?

Doch letztens kehrte er schon um,
bevor sein Werk vollendet,
und hat vor baffem Publikum
sich schimpfend abgewendet.

Das Haus, das trotzig widerstand
den Flüchen des Gevatters
und Trommeln an Portal und Wand,
war jenes des Bestatters.

Was war passiert, dass gar der Tod
nicht einfach dort hinein drang?
Vergeblich suchte er in Not
den Lieferanteneingang.

__________________
Auch zu hören unter http://ohrenschuetzer.podspot.de
 
S

Spaetschreiber

Gast
verpeilte letzte Reise

Lieber Ohrenschützer


Der Bestatter soll sterben

Der Tod klopft selten an das Tor,
er tritt [blue]ungefragt[/blue] gleich ein.
Das kommt ihm auch nicht komisch vor,
wer ließe ihn schon rein?

Doch letztens kehrte er schon um,
bevor sein Werk vollendet,
und hat vor baffem Publikum
sich schimpfend abgewendet.

Das Haus, das trotzig widerstand
den Flüchen des Gevatters
und Trommeln an Portal und Wand,
war jenes des Bestatters.

Was war passiert, dass gar der Tod
nicht einfach dort hinein drang?
Vergeblich suchte er in Not
den Lieferanteneingang.




In Strophe eins vermittelt sich mir, dass unserer aller letzter Gevatter, unhöflich, wie er nun mal ist, ohne anzuklopfen, das Haus seines potentiellen Mitreisenden betritt. Offensichtlich hat er dann, in Strophe zwei, nicht nur seinen Fahrgast angetroffen sondern auch noch die Lieben des Abzuholenden. Sicher haben sie in der Runde grad ein Fell versoffen, und waren wohl „baff“ ob des ungebetenen Besuchers. Ganz klar, dass sie ihm, (dem schwarzen Mann) die Reise vermiesen wollen. In Strophe drei dann, wird mir klargemacht, dass wohl der prominente Gast nun doch lautstark um Einlass bat. Oder trommelten die Hausinsassen durstig an die Kühlschranktüren? Das bringt mich ein wenig durcheinander, ebenso wie der Rhythmus Wechsel in der letzten Strophe. (wobei mir dieser Rhythmus am besten gefällt). Vielleicht kann man da noch ein wenig „schrauben“. In der ersten Strophe fehlte eine Silbe, ich hab da mal einen Vorschlag gemacht. S.o.



LG
Tom
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Tom,

vielen Dank für Deine intensive Auseinandersetzung. :)

Mal kurz zum Technischen: Dein Vorschlag für Zeile 2 beginnt mit einer Hebung, was aber im Zusammenhang mit der Reim-Zeile 4 so nicht passen würde. In meiner Variante sollte sich die Betonung so anhören: "er tritt zumeist gleich ein".

Wenn Du schaust, beginnt ausnahmslos jede Zeile unbetont, insofern ist meine Variante stimmiger. Sogar die Kadenzen sind gleich, bis auf Zeile 2 und 4 der ersten Strophe. :D

Zum Inhaltlichen: Ich wollte verdeutlichen, dass der Tod normalerweise ohne Tamtam gleich ins Haus hineingeht (Strophe 1). Diesmal ging er aber nicht ins Haus, sondern schimpft und kehrt vor der Tür um, was von staunenden Passanten beobachtet wird (Strophe 2). Er hat geflucht und vor Wut die Wand gehämmert, und zwar vom Haus des Bestatters (Strophe 3). Und warum? Weil er den Lieferanteneingang nicht gefunden hat (Strophe 4).

Du hast den Tod schon im Haus gewähnt, vielleicht weil Du das beginnende "doch" im Sinne von "aber nicht in diesem Fall" überlesen hast? Dann verstehe ich Deine Verwirrung. Hm, weiß im Moment nicht, wie ich es deutlicher gestalten kann.

Und bezüglich Rhythmuswechsel: Hör Dir vielleicht auf der genannten Website einmal die vorgelesene Version an, dann erkennst Du die von mir vorgesehene Betonung, meiner Meinung nach müsste es passen.

Danke nochmals für den konstruktiven Kommentar. Wenn Dir noch was auffallen sollte, bitte melden. Beste Grüße,
 
S

Spaetschreiber

Gast
Lieber Ohrenschützer



Erst einmal meine "vorzügliche Hochachtung für die Rezitation“, wirklich gut und in meinem Sinne, weil: Professionell.
Nur aber sind wir ja hier nicht in der „Hörlupe“ sondern in der „Leselupe“  (müsste man mal nachdenken ob das nicht eine gute Idee wäre, die es zu erfinden gilt)

Hier also noch mal meine Lesebild:
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Der Tod klopft selten an das Tor,
er tritt zumeist gleich ein.

Dies ist erst mal eine Feststellung des Erzählers. Rums! Klar und deutlich formuliert, dass sogar ich es verstehe und wirklich nix durcheinander bringen kann.
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Das kommt ihm auch nicht komisch vor,
wer ließe ihn schon rein?

Hier verlässt du die Rolle des laut Erzählers und lässt ihn nachdenken, ich mache dann immer ne Klammer drum, um es besser auszudrücken.
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Doch letztens kehrte er schon um,
bevor sein Werk vollendet,

Hier erinnert sich der Erzähler an eine Begebenheit vergangener Tage oder?
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und hat vor baffem Publikum
sich schimpfend abgewendet.

Hier nun ist dem Leser überhaupt nicht klar, wo denn das Publikum herkommen sollte, ist es nicht eine dunkle Nachgestalt in feuchten Gassen, die in Einsamkeiten verborgen liegen? Das jedenfalls ist das Bild, was ich sehe, wenn ich an diesen grausigen Gesellen denke. (ich hab schon Schiß, wenn ich nur daran denke)
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Das Haus, das trotzig widerstand
den Flüchen des Gevatters

Warum wiedersteht denn hier das „Haus“ den Attacken? Warum ist des nicht das oben erwähnte „Tor“
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und Trommeln an Portal und Wand,
war jenes des Bestatters.

Warum ist es denn soooo schwer (für Gevatter Tod natürlich), sich den Zutritt zu verschaffen?
In der Ersten Strophe steht’s doch knallhart beschrieben wie das geht (meistens)
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Was war passiert, dass gar der Tod
nicht einfach dort hinein drang?

Tja, diese Frage steht in dem Satz den ich gerade schrieb. Was war denn passiert? Noch ist unser Gevatter ja wissenslos, noch weiß er nicht um Amt und Würden des Heimgesuchten. Und warum sollte es nun gerade den schwarzen Herren vergönnt sein, sich derartige Besucher vom Leib zu halten? Naaaaaaaa? Weißt du das? Ick wees dat nich.
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Vergeblich suchte er in Not
den Lieferanteneingang.

Und wenn denn der Lieferanteneingang als Pointe gedacht ist, ist sie ein wenig zu schwach.
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Das alles sind aber nur „meine“ Gedanken wenn ich lese was du schriebst. In der Hörversion gleichen sich unsere Intensionen sicher viel mehr. Huch ist das grausig.
Grundsätzlich ist zu sagen: Es ist ein klasse „Hörgedicht“, geschrieben erreicht es mich lange nicht so,wie die brillante Rezitation.

Noch was, mein Vorschlag für Zeile zwei, beginnt NICHT mit einer Hebung. Die Hebung ist „ungefragt“, versuch’ mal.

Aber wir können ja hier noch lange herumschnattern. Die Welt ist bunt und bleibt meistens lustig.
Hoffen wir beede, das der Geselle den du beschreibst, noch lange zu tun hat an verschlossenen Türen anderer, dann hat er keene Zeit für uns beede. Das ist doch auch gut oder?

Schönen Gruß und einen tollen Frühling.

LG
Tom
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Spaetschreiber,

Noch was, mein Vorschlag für Zeile zwei, beginnt NICHT mit einer Hebung. Die Hebung ist „ungefragt“, versuch’ mal.

die Lösung des Problems (der Silben) wäre:

" [strike]er[/strike] tritt ungefragt gleich ein".

Grüße von Zeder
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
nachgefragt

Das "ungefragt" gefällt mir auch ein wenig besser und wenn du das "er" in zeile zwei weglässt stimmts auch metrisch. Den Titel hätte ich um "soll[red]te[/red]" erweitert.

Das Gedicht will ich hier auch nicht so auseinanderklabüsern - man weiß um den Sinn der Pointe, schmunzelt und gut is. :D

VG Thomas
 
S

Spaetschreiber

Gast
Ach wie sehr wünsche ich der Welt unsere kleinen Problemchen, sie wäre besser und lustiger. Ich denke das kann sie im Moment gut brauchen. Gruße an alle für die schöne, entspannte Breitendiskussion.

Frohes Fest !

(ganz gleich welches gerade ansteht.)

Tom
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Tom, hallo Zeder,

nochmals vielen Dank für die ausführliche Auseinandersetzung. :)

Tom, Du hast natürlich Recht, den Text selbst zu lesen und vorgelesen zu bekommen, sind unterschiedliche Zugänge. Und da wir hier nicht in der "Hörlupe" sind, wollte ich das Vorgelesene zur rhythmischen Verdeutlichung anführen. Wenn dieser Leserhythmus für Dich nicht klar durchkommt und Du das Gefühl hast, dass noch eine Silbe fehlt oder es holpert, ist das natürlich ein Hinweis darauf, dass der Text noch verbesserungsfähig ist.

Euer Vorschlag
Der Tod klopft selten an das Tor,
tritt ungefragt gleich ein

ist eine durchaus gültige Variante, die ihren Reiz hat. Vor allem, weil die Dopplung "selten/zumeist" wegfallen würde. Mir hat die sprachliche Wiederholung der drei "ei" gefallen: "zumeist gleich ein", aber vielleicht hat Euch das gerade gestört?

Ich denke, ich werde Euren Vorschlag übernehmen, nach einmal überschlafen. :)

Zum Titel: "Sollte" nähme mir schon zu früh vorweg, dass daraus nichts wird. Er soll ja - auch nach fehlgeschlagenem Versuch - noch immer sterben. Außerdem darf es ruhig auch ein bisschen nach Western klingen.

Nochmals danke für Eure konstruktiven Beiträge! Beste Grüße,
 

Ohrenschützer

Mitglied
Der Bestatter soll sterben

Der Tod klopft selten an das Tor,
tritt ungefragt gleich ein.
Das kommt ihm auch nicht komisch vor,
wer ließe ihn schon rein?

Doch letztens kehrte er schon um,
bevor sein Werk vollendet,
und hat vor baffem Publikum
sich schimpfend abgewendet.

Das Haus, das trotzig widerstand
den Flüchen des Gevatters
und Trommeln an Portal und Wand,
war jenes des Bestatters.

Was war passiert, dass gar der Tod
nicht einfach dort hinein drang?
Vergeblich suchte er in Not
den Lieferanteneingang.

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Auch zu hören (in der Ursprungsfassung mit anderer Zeile 2) unter
http://ohrenschuetzer.podspot.de
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe die Pointe immer noch nicht verstanden.
Warum sollte TOD den Lieferanteingang suchen? Er liefert doch nichts.
 

Ohrenschützer

Mitglied
Nein, er liefert im konkreten Fall nix. Obwohl - wäre auch eine nette Idee: Pizza-Service, als Nachtisch einmal Ableben, ab vier Personen Lieferung frei Haus. Kein Fliegenpilz-Belag kostet extra. :D

Nein. Aber grundsätzlich liefert der Tod dem Bestatter die "menschliche Ware" zum täglichen Lebensunterhalt. So sieht sich zumindest der Gevatter als Lieferant des Bestatters. Und sucht - obwohl er unhöflicherweise nicht anklopft - zumindest mal die richtige Tür, um einzutreten. Die es eben nicht gibt.

Zugegeben, ich habe das Gedicht darauf ausgerichtet, es als Hörgedicht zu präsentieren. Durchaus möglich, dass es in der rein schriftlichen Version nicht so klar ankommt.
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Jürgen,

hast Du den Hörtext schon gehört? :) Ich betone die Stelle so:
nicht einfach dort hinein drang?
Das "drang" ist also unbetont (zwecks Reim auf "Eingang"). Ist Dein Einwand damit geklärt? Ansonsten bitte ich um nähere Ausführungen. Ich weiß, es ist schwierig zu erklären, wo und warum es holpert. :)

Schöne Grüße,
_________________
Der Ohrenschützer
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Oh, das ist ein mythologisches Problem.

Für mich liefert der personifizierte TOD keine Kadaver an Bestatter sondern trennt die Seele vom Körper. Daher verstand ich die Pointe nicht.

Ich werds mir mal zu Hause als Vortrag anhören.
 

Ohrenschützer

Mitglied
Verstehe. Wer an die Seele glaubt... Du als offensichtlicher Pratchett-Leser hast natürlich eine konkrete Vorstellung. Ist auch OK. Danke für die Vermittlung Deiner Sicht. :)
 



 
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