Der Dicke, der Alte und der Spießer

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Dr Time

Mitglied
Der Dicke, der Alte und der Spießer

Ich stehe vor der roten Ampel und sehe diesen Motorroller, gefahren von einem wirklich dicken Kerl. Das Fett schwabbelt rechts und links am Sattel herunter. Er kommt aus entgegengesetzter Richtung, wabert auf mich zu. Was ist mit der roten Ampel? Mit ich-weiß-nicht-wie-viel Sachen quert er die Kreuzung und verfehlt nur ganz knapp meine frisch polierte Stoßstange. Er brettert auf den Bürgersteig, wo er durch eine Vollbremsung vor der Bäckerei zum Stehen kommt. Nur Glück, dass dort kein Kind spielte oder ein Hund saß (Wir müssen draußen bleiben).

Der Schwabbel steigt mit einer Selbstverständlichkeit ab, mit der er wahrscheinlich auch täglich seine Kola-Dosen in den Fluss wirft. Nicht, dass ich etwas gegen Dicke habe. Meine Mutter war schließlich auch dick. Ich habe sie sehr geliebt. Ich habe nur etwas gegen Dicke, die Andere im Straßenverkehr gefährden und überall ihre Kola-Dosen hinschmeißen.

Beim Absteigen verliert er einen Geldschein. Einen blauen. Fünf Euro oder Hundert? Es lässt sich nicht erkennen von hier aus.
Erst frage ich mich, ob ich Hupen soll.
„Nee“, gebe ich mir selbst zur Antwort „Hat der Kerl nicht verdient“.

Und schon ist er in der Bäckerei verschwunden, wo er sich vermutlich eine Kola kauft. Die Ampel steht immer noch auf rot. Soll ich aussteigen und mir den Schein schnappen? Gerade als ich mich das frage, kommt mir auch schon ein alter Mann zuvor. Er hebt das Geld auf, sieht sich hilflos um. Der Mann erinnert mich mit dem Schein in der Hand an meinen Opa. Auch den habe ich geliebt. Er hat uns immer Taschengeld gegeben, einmal im Monat. Es ist nur ein Fünfer, sehe ich jetzt. Der Mann sieht sich nochmal um. Nicht mehr hilflos – eher verstohlen.
Ja, ja…. Anstatt mal in der Bäckerei zu fragen, denke ich. Der Opi steckt das Geld einfach ein. So was macht mich wütend. Richtig wütend.
Die Ampel springt auf grün. Ich gebe Gas. Vollgas. Mein Wackeldackel schüttelt den Kopf.

Vielleicht hat das Schwein ja Enkelkinder.
 

Dr Time

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Der Dicke, der Alte und der Spießer

Ich stehe vor der roten Ampel und sehe diesen Motorroller, gefahren von einem wirklich dicken Kerl. Das Fett schwabbelt rechts und links am Sattel herunter. Er kommt aus entgegengesetzter Richtung, wabert auf mich zu. Was ist mit der roten Ampel? Mit ich-weiß-nicht-wie-viel Sachen quert er die Kreuzung und verfehlt nur ganz knapp meine frisch polierte Stoßstange. Er brettert auf den Bürgersteig, wo er durch eine Vollbremsung vor der Bäckerei zum Stehen kommt. Nur Glück, dass dort kein Kind spielte oder ein Hund saß (Wir müssen draußen bleiben).

Der Schwabbel steigt mit einer Selbstverständlichkeit ab, mit der er wahrscheinlich auch täglich seine Kola-Dosen in den Fluss wirft. Nicht, dass ich etwas gegen Dicke habe. Meine Mutter war schließlich auch dick. Ich habe sie sehr geliebt. Ich habe nur etwas gegen Dicke, die Andere im Straßenverkehr gefährden und überall ihre Kola-Dosen hinschmeißen.

Beim Absteigen verliert er einen Geldschein. Einen blauen. Fünf Euro oder Hundert? Es lässt sich nicht erkennen von hier aus.
Erst frage ich mich, ob ich Hupen soll.
„Nee“, gebe ich mir selbst zur Antwort „Hat der Kerl nicht verdient“.

Und schon ist er in der Bäckerei verschwunden, wo er sich vermutlich eine Kola kauft. Die Ampel steht immer noch auf rot. Soll ich aussteigen und mir den Schein schnappen? Gerade als ich mich das frage, kommt mir auch schon ein alter Mann zuvor. Er hebt das Geld auf, sieht sich hilflos um. Mit dem Schein in der Hand erinnert er mich an meinen Opa. Auch den habe ich geliebt. Er hat uns immer Taschengeld gegeben, einmal im Monat. Es ist nur ein Fünfer, sehe ich jetzt. Der Mann sieht sich nochmal um. Nicht mehr hilflos – eher verstohlen.
Ja, ja…. Anstatt mal in der Bäckerei zu fragen, denke ich. Der Opi steckt das Geld einfach ein. So was macht mich wütend. Richtig wütend.
Die Ampel springt auf grün. Ich gebe Gas. Vollgas. Mein Wackeldackel schüttelt den Kopf.

Vielleicht hat das Schwein ja Enkelkinder.
 



 
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