Der Freund Vergangenheit

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Wanni

Mitglied
Es war Ende März und Nico saß in der Cotton Bar, deren Wände ganz in grün gehalten waren.
Er hatte seit fast zwei Jahren nicht mehr mit einer Frau geschlafen. Genau von dem Zeitpunkt an, als er seine Freundin für vierzehn Tage verließ um bei seiner Wiederkehr festzustellen, dass diese nun mit dem Gitarristen einer Band zusammen war. Ihm wurde klar, dass das alles schon viel früher begonnen haben musste. Als sie ihm einmal von einem Jungen erzählte, der sie auf seinem Motorrad mitgenommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ihm das relativ egal, er war keiner von diesen eifersüchtigen Typen, doch jetzt konnte er sich alles zusammenreimen. Schon die letzten Tage vor seiner Abreise hätten ihn stutzig machen müssen. Ihre Reserviertheit und die Art und Weise wie sie mit ihm sprach. Als er ihr zum Abschied einen Kuss geben wollte, kam es zum Streit. Er war zwar durch seine Liebe zu ihr, die immer noch genauso so stark war wie zu Beginn, geblendet, doch konnte er nicht umhin zu bemerken, dass seine Anwesenheit nicht sehr erwünscht war. Er tat was er niemals mehr ihr gegenüber zu tun gedacht hatte, er fragte ob er sie küssen dürfte. Plötzlich verfinsterte sich ihr Gesicht und sie schrie es ihm ins Gesicht, dass er tun und lassen konnte was er wollte. Wenn er sie küssen wollte - bitte! Natürlich war es ihm unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, sie zu küssen. Diese Reaktion kam für ihn völlig unerwartet und das war etwas was er gar nicht leiden konnte. Es war seine Spezialität, sich die Situationen in die er geraten könnte, egal wie absurd sie auch waren, vorher genauestens durchzuspielen und zu proben. Diesmal hatte er kläglich versagt. Nichts lief so, wie er es geplant hatte. Hinzu kam noch, dass ihm trotz dieses Ereignisses keinerlei Zweifel an ihrer Liebe zu ihm kamen, was deutlich zeigt, wie wenig er noch in der Realität lebte. Nachdem er begriff was eigentlich geschehen war, wurde ihm klar, dass er sich schleunigst einen Ersatz suchen musste. Die letzten Monate hatte er sich so daran gewöhnt fast täglich mit einer Frau
Zusammenzusein, sie zu küssen, mit ihr zu schlafen, dass es ihm sicherlich schwere Qualen bereiten würde, diesen Genuss aufgeben zu müssen. Er unternahm eine Menge verzweifelte Versuche, verliebte sich ein paar Mal , doch immer ohne Erfolg. Die Art Frau, die er suchte schien vom Erdboden verschluckt zu sein. Egal wie er sich auch bemühte, nur das Beste in ihnen zu sehen, sie konnten seinen Ansprüchen nicht genügen. Es war fatal, sie konnten den Vergleich zu seiner Ex-Freundin nicht standhalten. Hinzu kam, dass die meisten Frauen seine Verzweiflung geradezu riechen konnten. (Es ist absurd. Wenn man mit einer Frau zusammen ist, scheinen einem die anderen Weiber geradezu hinterher zu starren, ist man dagegen alleine und empfänglich für ihre Reize, würdigen sie einen keines Blickes.) Er begann zu resignieren,
wozu seine immer noch lodernde Liebe zu ihr, wesentlich beitrug. Nach außen konnte man ihm nichts anmerken, da zeigte er kein Interesse mehr, doch in seinem Innern tobte es. Er machte sich Vorwürfe, wie das alles hatte passieren können und wegen seiner buchstäblichen Blindheit. Vielleicht hätte er noch etwas tun können. Aber er war einfach gegangen, ohne zu fragen warum und wieso sie ihn hatte sitzen lassen. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Fragen überflüssig, er hätte sowieso keine zustande gebracht. Das alles war nun schon fast zwei Jahre her. Er hatte sich an den Umstand gewöhnt alleine zu sein, er machte das Beste daraus. Sicher würde er eines Tages einem ähnlichen Mädchen begegnen, wenn nicht sogar einem loyaleren.
Er war jung, hatte Zeit und der Zufall hatte ihm schon die komischsten Sachen in die Hände gespielt. Wie gerade eben. Er war im Begriff seinen Mantel zu nehmen und zu gehen, als plötzlich die Kellnerin seine Bestellung aufnehmen wollte. Den ganzen Abend hatte er darauf gewartet, doch bis zu diesem Augenblick fand sie bei all dem Trubel, der in der Bar herrschte, keine Zeit für ihn. Sie war der einzigste Grund weswegen er gekommen war und er hatte die möglichen Wendungen die dieses Ereignis haben könnte in schon mehrmals in seinem Kopf durchgespielt. Er hatte sie bei seinem letzten Besuch in der Bar zum ersten Mal gesehen und sie prägte sich sofort tief in sein Gehirn. Sie hatte genau seine Größe, wunderschöne, strahlend-grüne Augen, blendend weiße Zähne und ihr Haare waren im Stil der 80er Jahre frisiert. Das alles passte so gut zu ihr, dass sie in ihrer Gesamtheit solch eine Ausstrahlung verbreitete, dass einem fast schwindlig wurde. An diesem Tag beobachtete er jede ihrer Bewegungen, jede Regung auf ihrem Gesicht und er war sich sicher, dass sie es bemerken musste. Das war ihm egal, sie sollte ruhig wissen, was für einen Eindruck sie auf ihn machte. In dieser Beziehung war Nico nicht zimperlich. Wenn er etwas wollte, ging er direkt darauf zu; Geduld war nicht gerade seine größte Stärke. Er bestellte ein Stück Kuchen, was er sonst nie tat, nur um zu sehen wie sie reagierte und um ihr noch einmal nahe zu sein. Sie lächelte, das war ja wenigstens schon mal etwas. Ein junger Mann setzte sich zu ihm, doch er hörte gar nicht was dieser sagte, seine Aufmerksamkeit richtete sich einzig und allein auf dieses bezaubernde Geschöpf. Ihm wurde klar, dass der Zufall hier wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen würde und das er selber nachhelfen müsste, sollte sich daraus irgendetwas ergeben. Er wollte gehen. Gerade als die Bedienung ihr Portemonnaie wieder schließen wollte,
trafen sich ihre Blicke und er glaubte eine gewisse Freude in ihren Augen wahrnehmen zu können. Es war ein langer, aussageschwangerer Blick, so schien es ihm zumindest. Doch gerade als er sich erheben wollte, machte ihn sein Nachbar durch einen unidentifizierbaren Laut auf sich aufmerksam und teilte ihm mit einem Augenzwinkern und voller Stolz mit, dass die Kellnerin ihm zugelächelt hätte. Er schien sich etwas darauf einzubilden, doch Nico wusste ja genau, dass dieser Typ unrecht hatte, dass dieses Lächeln ihm galt. Das hoffte er zumindest.
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo Wanni,
ich finde das Thema und die Reflektion darüber schon interessant. Aber lesen würde ich die Erklärungen doch lieber als Handlung verpackt. Das macht einen Text dann immer interessanter. Jedenfalls geht es mir so.

Bitte noch korrigieren: Gitarristen

Schöne Grüße
Socke
 

Wanni

Mitglied
merci

Ich nehm das ernst und werd's versuchen.
Ich hab nur keine Ahnung wie ich die Handlung
von vor zwei Jahren, in das Geschehen einbauen soll,
geschweige denn, mit den Erklärungen zu beginnen und dann
einen Zeitsprung in die Zukunft machen.
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo wanni,
bin ich ja beruhigt, dass Du meinen Kommentar positiv aufnimmst. Ist nicht immer üblich in den lupischen Welten.

Also machen sollst Du gar nix was Dir nicht behagt, denn es ist DEIN Text.

Aber nur mal theoretisch gesprochen, ließen sich zum Beispiel Erklärungen auch in Dialoge verpacken und somit automatisch in Handlung einbetten.

Ein weiterer Kunstkniff wäre: Du bringst zusätzliche Handlung der Gegenwart durch den Erzähler ein. Also was er gerade macht, als ihm diese Erinnerungen durch den Kopf gehen. Das wäre dann auch eine nette Abwechslung. (dass er sich eine Zigarette anzündet, oder so ähnlich)

Oder, du lässt es einfach wie es ist. Ich wollte Dir nur meinen persönlichen Eindruck schildern.

Schöne Grüße
Socke
 

Wanni

Mitglied
zum vorschlag

Danke nochmals.
Ich habe mir auch so etwas gedacht, aber ich war mir nicht sicher, ob man so einfach mit den Zeiten spielen kann.
Von der Vergangenheit in die Gegenwart springen und so.
Ich habe soetwas ehrlich gesagt auch noch in keinem Buch gesehen. Ich dachte eigentlich das wäre ein schlechter Stil.
 



 
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