Der Gartenspezialist

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ergusu

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Der Gartenspezialist

Das Zusammenleben mit meiner Frau Käthe war für mich nicht immer einfach. Als Hauptbuchhalter erschöpfte mich die berufliche Arbeit dermaßen, dass mir der Hausgarten egal war. Um so liebevoller hegte und pflegte meine Frau das kleine Gärtchen und jede neue Knospe erfüllte sie fast mit Mutterfreuden. Sie hackte und säte, sie schnitt und düngte, und die bescheidene Himbeerernte servierte sie mir triumphierend auf dem Abendbrotteller.
Eines Tages änderte sich mein Leben, denn meine Käthe sollte zur Kur fahren. Eifrig belehrte sie mich über meine Pflichten im Hausgarten: „Schneide die Rosen. Mähe den Rasen. Das Gras darf nicht vermoosen. Die Ränder müssen nachgeschnitten werden. Vergiss nicht zu düngen und vor allem Dingen, vertreibe die Mäuse.“
„Ich imitiere eine Katze“, sagte ich.
„Mach, was du für richtig hältst.“
Ihr Vortrag dauerte über eine halbe Stunde, und ich hatte Mühe, das Wichtigste in Kurzform zu notieren: Zupfen, düngen, nachsehen, schneiden, miauen, aufpassen, vertreiben- nur bei der Zuordnung und Reihenfolge waren meine Notizen ungenau. „Du wirst deinen Garten nicht wieder erkennen“, sagte ich und hob die Hand zum Schwur.

Gleich den ersten Sonntag nutzte ich für eine ausgiebige Ortsbesichtigung und erarbeitete einen Wochenplan. Am nächsten Abend studierte ich das „Handbuch für den Kleingärtner“, denn immerhin waren mir achtzig m² Rasenfläche und zehn Rosenbüsche anvertraut worden. Dann aber schritt ich zur Tat.
Allerdings kniete ich mehr als dass ich schritt, denn ich ermittelte die Lage und Anzahl der Mäuselöcher, deren Bewohner ich ins Exil schicken sollte. Ich spielte den lieben Gott und verordnete ihnen eine halbstündige Sintflut von 3, 50 m³ Wasser laut Zähler. Dann dünkte mir, dass es genug ist.
Schließlich düngte ich wirklich. Ich teilte die Rasenfläche mittels Schnüre in Quadrate und versprühte flüssige Chemie streng nach Vorschrift. Bei Quadrat sieben kam ich jedoch durcheinander, denn ich entdeckte vor dem Komposthaufen einen Euro, was mich als Hauptbuchhalter zum Philosophieren anregte. Lange grübelte ich über Gewinn und Verlust, über Zufall und Schicksal und fragte mich, wem wohl das Geld in der Haushaltskasse fehlen könnte. Das Ergebnis war, dass ich einige Quadrate versehentlich zweimal behandelte.
Nach fünf Tagen aktiver Arbeit widmete ich mich wieder der Theorie, denn ich entlieh mir einen Bildband über Barockgärten und bewunderte die französische Gartenbaukunst. So angeregt, bastelte ich eine Schablone aus Holzlatten, nahm die Gartenschere und verwandelte die Rosenbüsche in quadratische Gebilde. Stolz fotografierte ich das Ergebnis meiner Arbeit.

Endlich kam der Tag, an dem ich meine Käthe wieder in die Arme schließen konnte. Stolz zeigte ich ihr den Garten und erhoffte mir ihre zärtliche Zustimmung und Bewunderung. Wie erstaunte ich, als Käthe immer stiller wurde und schließlich beim Anblick einiger gelbbrauner Quadrate in lautes Wehklagen ausbrach. Selbst nach einer halben Stunde zitterten ihre Schultern noch, sodass ich sie zum Hausarzt Doktor Pohl bringen musste.

Nach der Untersuchung winkte Doktor Pohl mich in den Behandlungsraum.
„Wie konnte sich ihre Gattin nur so aufregen?“ fragte er vorwurfsvoll.
„Ich verstehe das selbst nicht“, erwiderte ich und berichtete dem erstaunten Arzt von meiner Arbeit im Garten.
„Gut, gut, aber ihre Gattin sprach von einer Verfärbung des Rasens.“
„Sie kennt eben die französische Gartenbaukunst nicht. Gekachelter Rasen und würfelförmige Rosensträucher sind etwas ganz Besonderes. Schauen Sie selbst.“
Stolz zeigte ich eines meiner Fotos, die ich zur eigenen Erbauung immer bei mir trug.
„Sehr eindrucksvoll,“ stimmte mir Doktor Pohl zu.
„Und das in Kombination mit den gelben Blumen. Sie wachsen prächtiger denn je“, sagte ich.
„Das ist sicher der gemeine Löwenzahn aus der Familie der Korbblütler. Die Wurzeln sind ein hervorragendes Abführmittel. Hochinteressant.“
„Mein Experiment ist jederzeit wiederholbar, Doktor Pohl.“
„Wunderbar. Könnten Sie mir nicht ebenfalls bei der Pflege meines Hausgartens behilflich sein?“
„Selbstverständlich“, sagte ich geschmeichelt.
Doktor Pohl verabschiedete sich von mir mit einem festen Händedruck.

Meine Nebentätigkeit sprach sich herum und beschäftigte sogar die Patienten im Wartezimmer. Allerdings gab es auch Stimmen, die behaupteten, der Doktor hätte mich nur beauftragt, um seine Frau zu ärgern. Diese Kränkung ignorierte ich aber.
Eines Tages informierte mich Käthe, dass ihr dringend eine Privatkur empfohlen wurde, die sie bald antreten wolle.
„Wie schön für uns beide,“ sagte ich.
„Nur gut, dass ich deine Hilfe im Garten nicht mehr benötige.“
„Wieso?“
„Ich werde einen anerkannten Gartenfachmann beauftragen.“
„So? Einen Gartenfachmann?“
„Ja. Den Spezialisten von Doktor Pohl.“
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
prust,

kicher, lach! einfach herrlich, deine geschichte! die gehört nach humor und satire, denke ich.
ganz lieb grüßt
 
F

Franktireur

Gast
Jo, die ist sehr gut

Gut aufm Punkt, Schlußpointe sitzt.
Was will ich mehr als Leser?!
 



 
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