Der Grill (Distichon)

kakadu

Mitglied
Hallo Bernd,

ein Distichon findet man nicht oft hier im Forum. Ich mag es, wenn die
altehrwürdige Form in moderner Sprache zu neuem Leben erweckt wird.
Im Sommer gibt der Grill dem Mann gewöhnlich viel Freude,
Im Winter steht er schneebedeckt nur so 'rum.
Gegen das betonte "Im" wage ich nichts einzuwenden, zumal kein anderer
als Schiller es so vorgemacht hat.:)

Allerdings komme ich in Deinem Hexameter auf sieben Hebungen. Oder
soll der Spondeus am Versbeginn nach griechischem Vorbild den ersten Daktylus ersetzen? Dann wäre m.E. die "mer"-Silbe überzählig.

Im Sommer gibt der Grill dem Mann gewöhnlich viel Freude,

X |Xx |Xx |Xx |Xx |Xxx|Xx

Der Pentameter müsste nach der Zäsur vollständig (mit Senkungen)
gefüllt sein, also Xxx|Xxx|X

Im Winter steht dieser nur schneebedeckt rum.
X |Xx |X||Xxx|Xxx|X

So würde es m.E. klappen. Ich nehme an, Du betonst anders, und bin
neugierig, wie Du Dir die Verse gedacht hast.

Liebe Grüße
Claudia
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Claudia,
ich denke nicht, dass "im" hier betont ist. Dann bleiben nur sechs Hebungen. Ich betone es also wirklich anders.

Ich betone es so:

Im Sommer gibt der Grill dem Mann gewöhnlich viel Freude,
Im Winter steht er schneebedeckt nur so 'rum.

alternativ (wahrscheinlich sogar besser):
Im Winter steht er schneebedeckt nur so 'rum.


"Im" bildet den Auftakt, ist aber unbetont.
Das Ende jedes Verses enthält einen Rhythmuswechsel, wie bei Schiller:
Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule,
Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.
Vielleicht habe ich die Form aber auch noch nicht richtig verstanden und betone Schillers Vers falsch ...
 

kakadu

Mitglied
Lieber Bernd, wenn Du es so betonst (wie es auch für mich
"richtig" klingt), ist es nur leider kein Distichon mehr,
weil es als solches auftaktlos beginnen muss. Aber warum
sollten wir nicht unsere eigenen Strophenformen kreieren?
Mir gefällts!

Liebe Grüße
Claudia
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Kann mann Schillers Beispiel auftaktlos betonen?

Ich werde nochmal versuchen, mein Gedicht zu verbessern, so daa es mit einer schweren Silbe beginnt.
Bei Schiller gab es wahrscheinlich in der Zwischenzeit eine Betonungsänderung, sodass es kein gutes Beispiel mehr ist.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ideen:


Ausgangspunkt:
Im Sommer gibt der Grill dem Mann gewöhnlich viel Freude,
Im Winter steht er schneebedeckt nur so 'rum.

Grillen gibt dem Manne im Sommer gewöhnlich viel Freude,
Schneebedeckt steht der Grill dann im Winter herum.
---

Grillen, das gibt dem Manne im Sommer gewöhnlich viel Freude,
Schneebedeckt, kalt, steht der Grill dann im Winter herum.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Grillen, das gibt dem Manne im Sommer gewöhnlich viel Freude,
Schneebedeckt, kalt, steht der Grill dann im Winter herum.
 

kakadu

Mitglied
Ne, ne, Schiller betont wie die ollen Griechen:

Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule,
im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.

Ganz wichtig im Pentameter: Der Spondeus in der Versmitte, genauer
gesagt, die erste Verhälfte beginnt und endet betont, dann die Zäsur,
dann beginnt und endet die zweite Vershälfte betont.

Im ersten Teil dürfen Daktylen durch Tröchäen ersetzt werden, im zweiten
Teil nicht. Dieser ist immer: XxxXxxX

Ich zeig Dir mal das Schema.

Hexameter:
Xx(x)|Xx(x)|Xx(x)|Xx(x)|Xxx|Xx immer Dakt./Troch. am Ende

Pentameter:
|Xx(x)|Xx(x)|X||Xxx|Xxx|X

Wenn Du magst, kannst Du Dir mal meine "Heißhunger"-Elegie anschauen.:)

Liebe Grüße
Claudia

P.S. Ich seh gerade, Du hast bereits umgestellt. Gut! Jetzt
fehlt nur noch das obligatorische Ende beim Pentameter.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Grillen, das gibt dem Manne im Sommer gewöhnlich viel Freude,
Schneebedeckt, kalt, steht der Grill dann im Winter herum.

Liebe Claudia, was ist jetzt das Problem? Mir gefällt beim ersten Vers die Wortwahl noch nicht völlig, ich möchte aber zunächst die Grundform in Ordnung bringen.
 

kakadu

Mitglied
Lieber Bernd,
vielleicht so:

Grillen, das gibt dem Mann(e) im Sommer gewöhnlich viel Freude,
Kalt und schneebedeckt [red]|[/red] steht er im Winter herum. ?

Links und rechts von der Zäsur (rot) müssen betonte Silben stehen.
Dein Hexameter flutscht jetzt wunderbar. Du könntest Dir überlegen,
ob Du noch einen zweiten Trochäus hinein nimmst (z.B. Mann statt
Manne) Muss aber nicht sein, ganz wie Du magst.

Liebe Grüße
Claudia
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Bratwürste brät oft der Mann auf dem Grillrost im Sommer voll Eifer;
kalt und schneebedeckt steht der im Winter herum.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke, ich habe es so geändert.
Ich habe diese Form sehr selten verwendet und will hier ein Beispiel, bei dem sie gut eingehalten wird.
Deshalb bedanke ich mich besonders für die Hilfe.

Jetzige Fassung:

Bratwürste röstet der Mann auf dem Grill im Sommer voll Eifer;
kalt und schneebedeckt steht der im Winter herum.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Bratwürste röstet der Mann auf dem Grill im Sommer voll Eifer;
kalt und schneebedeckt steht der im Winter herum.
 

kakadu

Mitglied
Bravo, Bernd! Jetzt kann ich die leckeren Bratwürste riechen.
Wüsste ich, wo Du wohnst, käm ich zum Essen vorbei!:D
 



 
Oben Unten