Der Guru

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Helmut D.

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Der Guru

Janos Schmidt war Guru. Er trug ein indisches Gewand und einen Turban. Fast den ganzen Tag über gab er weise Sprüche von sich und ab und zu sang und tanzte er. Janos meinte, er hätte von der Speise Gottes gegessen und besäße nun die Weisheit der ganzen Welt. Er besaß auch eine Freundin, Janine. Sie folgte ihm auf Schritt und Tritt, weil sie von seinem Schein zehren wollte. Böse Zungen sagten, weil sie eifersüchtig wäre. Sie liebte ihn abgöttisch, musste aber immer Abstand halten. Damit sich sein Geist entfalten könnte. Widersacher sagten, weil sie unsauber wäre und stänke. Wie auch immer. Die beiden waren Gurus und auch sie gab heilige Sprüche von sich. Gurus besitzen Autorität. Sie haben Anhänger und Jünger. Und so auch Janos. Seine Jünger, drei an der Zahl, mussten das Leben für ihren Meister gestalten. So nannte er es. Böse Zungen behaupteten, sie müssten waschen und kochen, die Wohnung reinigen und den Meister baden. Janos war Atheist. Er glaubte nicht an Gott. An etwas Unsichtbares könne man nicht glauben, meinte er. Er glaubte an das Glück. Und an die Macht. Denn er war autoritär. Wenn Spötter ihn fragten, warum er denn nicht mehr Jünger hätte, sagte er, seine vielen Jünger hätten ihren Meister noch nicht erkannt. Sie seien wie Wölfe, die ihren Leitwolf noch nicht gefunden hätten. Aber das würde sich noch geben. Eines Tages würden Tausende an ihn glauben und er würde zum Schöpfer einer neuen Lehre werden. Aber das hätte ja noch Zeit.
Janos hatte ein Hobby. Die Fußball-Bundesliga. Und so verfolgte er jeden Samstag die Spiele und freute sich, wenn sein Verein gewonnen hatte und er litt, wenn sein Verein verlor. Wer sein Verein sei, verriet er nicht. Aber Widersacher munkelten, dass es der berühmte Skandalclub im Süden wäre. Der, den so viele liebten und hassten. Widersacher meinten, er würde sich den Zorn seiner Jünger zuziehen, wenn er den Namen preisgäbe. Die, die ihn noch nicht erkannt hatten.
Janos fuhr öfter nach Indien. Er würde sich dort mit anderen Meistern treffen und die Übernahme der Weltherrschaft besprechen. Denn Janos war überzeugt, dass er von göttlicher Herkunft wäre und dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis es soweit wäre, dass alle ihn erkannten.
So vergingen die Jahre und keine Weltherrschaft war in Sicht, sondern bittere Not. Die Jünger hatten sich bis auf einen von ihm entfernt und die Freundin hatte einen anderen. So lag er Tag und Nacht auf seinen Fußbodenbett und meditierte. Lauthals rief Janos Gott an und bat ihn um seine Gunst. Denn Janos hatte mittlerweile seine alten Thesen aufgegeben und Gott wiedergefunden. Und er machte ihn dafür verantwortlich, dass nichts geschähe. Bitter weinte er um seine Jünger und seine Vertraute. Alle hätten sich gegen ihn verschworen und er trüge die Last der Welt auf seinen Schultern. Warum erbarme sich Gott nicht seiner und warum ließe er ihn im Dreck liegen. So jammerte Janos den ganzen Tag und er bekam darüber Haarausfall und sein Bart ergraute. Da trat eines Tages eine Wende in seinem Leben ein. Jedenfalls war Janos von einem Tag zum anderen ein anderer. Er hatte nämlich heimlich Lotto gespielt und im Lotto gewonnen. Sechs Richtige, Reichtum mit einem Schlag. Sofort machte sich Janos auf, um ein neues Domizil zu suchen. Ein Guru müsste zumindest in einer Residenz wohnen und nicht in einer Einzimmerwohnung. Als die Freundin und die ehemaligen Jünger von seinem Reichtum hörten, besannen sie sich und folgten ihn wieder. Und neue Jünger kamen dazu. Er lebte, wie ein Guru leben muss, mit vielen Anhängern und in Luxus. Ja, jetzt hätte sich seine Vorhersage erfüllt und die Menschen hätten seine Führerschaft anerkannt. Jetzt hätten die Wölfe ihren Leitwolf gefunden.
Janos war damit zufrieden. Von Weltherrschaft sprach er nicht mehr, stattdessen regelmäßig in feinen Hotels vor seinen Freunden. Damit war er zufrieden. Es war so gekommen, wie es kommen musste und mit dieser Gewissheit beschloss er sein Leben.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

ganz nett. stärkere gliederung würde den lesegenuss erhöhen. ein intelligenter schreiber macht vor jedem neuen gedanken einen absatz.
lg
 



 
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