Der Hain und das Eselchen

Raphi

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Der Hain und das Eselchen

Ein graues Eselchen hatte immer genug zu tun. Es war nicht besonders hübsch aber hübsch genug für ein Eselchen. Es trug Sachen von hier nach da und von dort nach hier. Und so geschah es, dass das Eselchen auch an einem Hain etwas abzuholen hatte. Es kannte die Wiese und den Wald aber auch die Steppe. Am Besten kannte es aber sein zu Hause, die Böschung am Fluss. Die Böschung war ein Hang mit Gras und ein paar Gebüschen, in denen man sich verstecken konnte. Es war nicht aufregend aber es gab alles was das Eselchen brauchte. Den Hain aber kannte es nicht.
Der Hain war umgeben von einer kleinen dornigen Hecke. Und als das Eselchen etwas Zeit hatte sprang es über die Hecke und auch wenn es etwas weh tat so hatte doch die Neugier gesiegt. Das Eselchen wurde für seinen Mut belohnt, denn der Hain war so schön. Nun, er war nicht gepflegt wie ein Garten. Vieles wuchs durcheinander wie es gerade Platz fand. Aber es gab so vieles Blumen und Bäume, Sträucher und Gräser und ein kleinen Bach der lieblich plätscherte. Das Rauschen der Blätter war wie Musik. Und auch wenn viele von den wilden Pflanzen die da waren dem Eselchen nicht geschmeckt hätten oder sogar giftig waren. Es war ein Platz zum Wohlfühlen.
In dem Hain wuchs aber auch ein Baum, er war gerade und schön, ganz erhaben. Und dieser Baum trug nur eine einzige Blüte. Die duftete so lieb, so herzzerreißend, das wer sie einmal gerochen hatte und um ihre Existenz wusste sie nicht vergessen konnte und ihren Geruch noch aus weiter Entfernung auch noch außerhalb des Hains riechen konnte. Das Eselchen sah diese schöne rote Blüte und roch sie und konnte nicht anders als ihr ganz nah sein zu wollen. Am Rande der Blüte hing ein Tropfen von ihrem wunderbar riechenden Saft. Und ganz vorsichtig leckte das Eselchen mit seiner Zunge diesen glückseligen Tropfen und küsste die Blüte. Das Eselchen war so glücklich, und auch wenn es wusste, dass es von diesem Tropfen oder von jedem weiteren nicht satt oder auf immer glücklich werden würde, so war doch der Moment so schön und so lang, dass seine Liebe diesem schönen wilden Hain galt.
Das Eselchen war auch nicht das einzige Tier was diesen wunderbaren Hain kannte. Im Hain lebte ein Rabe, auch eine Giraffe hatte das Eselchen bald schon am Rande des Hains von den Bäumen fressen sehen. Aber erschreckt war das Eselchen über den alten, stinkenden Geier der immer wieder über dem Hain kreiste. Es mochte den Geier nicht, auch wenn er lustige Spiele mit Knochen kannte. Das Eselchen hatte Angst um den Baum, die Giraffe könnte ihn anfressen oder gar die Blüte. Und der Rabe, der sicherlich alles Schöne im Hain kennen mochte, war ein grober Bursche der die Landschaft unsicher machte.
Das Eselchen besuchte so oft es konnte den Hain und fühlte sich meist wohl. Doch auch das Eselchen war nicht immer geschickt und selbst wenn es vorsichtig war, knickte es doch immer hier eine Blume oder da einen Ast. Und so geschah es, das die Blüte des Baumes sich manchmal vor den Augen des Eselchens schloss. Das Eselchen war traurig und kam nicht mehr so oft. Es roch zwar immer wieder die Blüte des Baumes, wenn es in der Nähe des Haines war. Doch selbst wenn es die immer höher werdende Dornenhecke übersprang und sich dabei auch schon mal verletzte so fand es die Blüte verschlossen, weil es wohl zu hektisch und zu ungeschickt daher kam. Es beneidete den Raben der einfach flog, den Geier, ja selbst die Giraffe mit ihren langen Beinen.
Wenn das Eselchen nun am Hain vorbei kam so schien auch das Rauschen des Hains zu verstummen und der lieblich Geruch der Blüte zu verschwinden. Er sah aber auch, dass die Freude der anderen Tiere die den Hain kannten nicht abnahm. Traurig lag das Eselchen abends an der Böschung und manchmal war sein Herz so schwer das ihm auch die Freude an der Böschung und dem kleinen Fluss fehlte. Doch es besann sich oft und blieb was es war ein Eselchen. Es wich manchmal, wenn es sich schwach fühlte, dem Hain aus und ging andere Wege. Doch manchmal glaubte es die Blüte zu riechen und ging doch hin, holte sich ein paar schmerzhafte Dornenstiche, um zu wissen, dass kein Weg in den Hain hinein führte. Einen ernsthaften ideenreichen Versuch unternahm es aber nicht. Es fragte nicht den Raben, Giraffe oder Geier um Rat. Es erfand keinen Plan für einen Tunnel. Es baute keine Flugmaschine. Es träumte vom Hain. Und wusste es und wusste es doch nicht, dass dieser sich immer veränderte, wild und schön wuchs und Platz und Freude bot. Es war ein törichtes Eselchen, aber genau so sind die Eselchen.





Alle Ähnlichkeieten mit lebenden oder toten Personen und Landschaften sind rein zufällig.
 

Haremsdame

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Hallo Raphi,

zuerst möchte ich Dich hier auf der Leselupe herzlich willkommen heißen. Hoffentlich kannst Du mit den Kommentaren, die Du hier erhältst, etwas anfangen und fühlst Dich dadurch nicht in Deiner Künstlerehre angegriffen...

Eine nette Parabel ist Dir da gelungen. Wenn ich allerdings den Forentext anschaue, frage ich mich, ob Dein Text nicht besser bei den Kurzgeschichten aufgehoben wäre, da er ja keine wirkliche Handlung enthält?

Die Grundidee Deines Textes gefällt mir sehr gut. Leider fehlt es in meinen Augen noch ein wenig an der Ausführung. Aber wenn Du Interesse hast, daran zu feilen, kannst Du mit meinen Hinweisen vielleicht was anfangen...

Zuerst mal zur Zeichensetzung:

Es war nicht aufregend[red]Komma[/red] aber es gab alles[red]Komma[/red] was das Eselchen brauchte.
Das Eselchen war auch nicht das einzige Tier[red]Komma[/red] was diesen wunderbaren Hain kannte.
Und der Rabe, der sicherlich alles Schöne im Hain kennen mochte, war ein grober Bursche[red]Komma[/red] der die Landschaft unsicher machte.
Wenn das Eselchen nun am Hain vorbei kam[red]Komma[/red] so schien auch das Rauschen des Hains zu verstummen und der lieblich Geruch der Blüte zu verschwinden.
E[red][strike]r[/strike]s[/red][blue](Bezieht sich doch auf das Eselchen)[/blue] sah aber auch, dass die Freude der anderen Tiere[red]Komma[/red] die den Hain kannten[red]Komma[/red] nicht abnahm.
Traurig lag das Eselchen abends an der Böschung und manchmal war sein Herz so schwer[red]Komma [/red]das[red]s[/red] ihm auch die Freude an der Böschung und dem kleinen Fluss fehlte. Doch es besann sich oft und blieb was es war[red]Doppelpunkt[/red] ein Eselchen.
Ich hoffe, ich habe nichts übersehen...

Nun noch zum Stil:
Der Hain war umgeben von einer kleinen dornigen Hecke.
In meinen Augen ist "klein" zu nichtssagend. Mir würde z.B. "niedrig" oder etwas ähnliches besser gefallen.
Und als das Eselchen etwas Zeit hatte sprang es über die Hecke [red]Punkt[/red] [strike]und [/strike]Auch wenn es etwas weh tat[red]Komma[/red] so hatte doch die Neugier gesiegt.
Aber es gab so vieles [red]entweder Doppelpunkt oder viele (ohne s)[/red]Blumen und Bäume, Sträucher und Gräser und ein[red](en)[/red] kleinen Bach[red]Komma[/red] der lieblich plätscherte.
[red][strike]Und [/strike][/red]Auch wenn viele von den wilden Pflanzen[red]Komma[/red] die da waren [red]Komma [/red]dem Eselchen nicht geschmeckt hätten[red]Komma?[/red] oder sogar giftig waren.
In dem oben durchforsteten Abschnitt kommt zweimal kurz nacheinander "vieles" vor. Könntest Du das nicht mit einem deutlicheren Wort umschreiben? "Vieles" ist ebenso "nichtssagend" wie "schön" oder "klein".
Die duftete so lieb, so herzzerreißend, das[red]s[/red][red],[/red] wer sie einmal gerochen hatte und um ihre Existenz wusste[red]Komma[/red] sie nicht vergessen konnte[red], sondern [strike]und[/strike][/red] ihren Geruch noch aus weiter Entfernung[red]Komma[/red]auch noch außerhalb des Hains [red][strike]riechen konnte[/strike] roch[/red].
Das Eselchen sah diese [blue]schöne[/blue] rote Blüte und [blue]roch[/blue] sie und [red][strike]konnte nicht anders als ihr ganz nah sein zu wollen[/strike][/red] wollte ihr immerzu ganz nah sein.

Verstehst Du, auf was ich raus will? Mit ein paar Umstellungen, richtiger Zeichensetzung und deutlicheren Adjektiven kommt Deine Aussage viel besser zum Tragen, lässt sich (in meinen Augen) viel angenehmer lesen...

Du wirst sehen, je öfter Du den Text durchliest, desto mehr verbesserungswürdiges fällt Dir auf.

Bitte, zeig uns das Resultat Deiner Überarbeitung! Dann ist es vielleicht auch möglich, eine Wertung abzugeben.

Mit den besten Grüßen
Haremsdame
 



 
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