Der Herbst ist wieder da

Regenzauber

Mitglied
Der Herbst ist wieder da

Auch wenn die Abende nun später werden,
das Strahlen des Herbstes ist im Grau verstaubt.
Wie segnend bietet uns das Jahr Gebärden,
an deren Großmut niemand wirklich glaubt.

Die Sonnenbräune ist schon ausgeblichen,
vom Urlaub redet man im Konjunktiv,
Man könnte, wollte, ist dann ausgewichen,
weil es ja sowieso ganz anders lief.

Das nächste Ziel? Ach ja, das Jahresende,
der Weihnachtstrubel, der kommt noch zuvor,
und dass man sich beim Schifahren wiederfände,
falls man die Lust dazu noch nicht verlor.

So jagen wir durch Wochen, Perioden
von einem Lebenshöhepunkt zum andern,
doch hält der Alltag uns zurück am Boden.
Wir bleiben sitzen, nur Gedanken wandern.

Hörfassung
 

Ofterdingen

Mitglied
Hallo Regenzauber,

scheinbar hast du nicht auf den Forennamen (Ungereimtes) geachtet, aber sei´s drum! Mir gefallen zwei Zeilen von deinem Gedicht:

Wie segnend bietet uns das Jahr Gebärden,
an deren Großmut niemand wirklich glaubt.

Die folgende zweite Strophe ist passabel, alle anderen Zeilen verursachen mir ein Unbehagen.

Das beginnt schon mit der ersten Zeile: Die Abende werden nicht später, sondern länger. Außerdem ist der sytaktisch-inhaltliche Bezug zur zweiten Zeile unklar: "Auch wenn" setzt einen Gegensatz voraus, der dann aber nicht erscheint.

In der zweiten Zeile hat das Wort "Strahlen" eine Silbe zu viel. Ein einsilbiges Wort wie `Licht´ oder `Gold´ ist erforderlich, damit das Metrum nicht knirscht. Auch inhaltlich beißt sich einiges. Der Herbst ist eine Jahreszeit intensiver Farben, und du sprichst ja auch von seinem "Strahlen"; selbiges wird jedoch bei dir zu Grau, das hört sich so an, als sei der Herbst bereits vorüber und der Winter im Anmarsch. Dies jedoch schlägt der Überschrift ins Gesicht, die nahelegt, dass der Herbst gerade erst angefangen hat. Auch ist "verstaubt" völlig daneben, denn der Herbst ist meist keine staubtrockene Angelegenheit, sondern kann schon mal Regen bringen, was sich bei dir mit "grau" andeutet.

Dritte Strophe: Das umgangssprachliche "Ach ja" passt überhaupt nicht zum eher feierlich-besinnlichen Ton, der in der ersten Strophe angeschlagen wird, statt "der kommt noch zuvor" müsste es "... davor" heißen (zuvorkommen, jemandem zuvorkommen und zuvorkommend gehören bedeutungsmäßig nicht hierher); "der kommt noch zu/davor" bringt außerdem inhaltich nichts Neues.

Die Zeile "und dass man sich beim Schifahren wiederfände" ist metrisch-rhythmisch total aus dem Leim.

In der letzten Strophe wirkt "von einem Lebenshöhepunkt zum andern" völlig an den Haaren herbeigezogen, steht in lächerlichem Widerspruch zur vorausgehenden verlorenen Lust und zur folgenden Niedergedrücktheit ("hält ... uns zurück am Boden") und Unbeweglichkeit ("Wir bleiben sitzen").

Sieh´s positiv: Zwei Zeilen sind gut, vier weitere gehen so, das sind immerhin sechs mehr als in so manchem anderen Gedicht. Und alles andere kannst du ja noch überarbeiten.

Gruß,
Ofterdingen
 

Regenzauber

Mitglied
Sollte dies besser sein?

Na ja, Ofterdingen,

wenn du meinst, ich hätte die falsche Kategorie gewählt, so hast du durchaus Recht und ich danke dir, dass du mich auf meine Nachlässigkeit hinweist. Die Trennung in Gereimtes und Ungereimtes, die eine vernünftigere Gruppierung vor längerer Zeit ablöste, habe ich stets als eine Dummheit angesehen und so ist mein Versehen wohl als Fehlleistung zu verstehen.

Ich hab diesen Text geschrieben und gesprochen, um während meiner Erholungsphase nach einer Totalentfernung der Schilddrüse Mitte September die lästigen Beschwerden kurz zu vergessen, was freilich keine Entschuldigung sein soll. Entscheidend für mich war es, den richtigen Ton zu finden, um von der üblichen Lobhudelei für den farbenprächtigen Herbst, in Übertragung des besinnlichen Lebensabends, abzuweichen und eine nüchterne Betrachtungsweise zu formen. Es sollte ja keine „Hymne an die Nacht (sprich „Herbst“)“ sein, aber auch hier hast du Recht, wenn du erkennst, dass ich nicht den Herbstbeginn vor mir hatte, sondern so etwa November.

Was ich kaum je getan, ich will diesmal versuchen, meinen Text als Konglomerat von Eigenbau und Fremdkritik umzuschreiben und auch neu einzusprechen.

Ich danke dir für deine Mühe und versichere dir, dass ich dir nicht unterstelle, den von Shaw zitierten Genuss in diesem „Gespräch“ zu suchen.




Der Herbst ist wieder da
"verbesserte" Version

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Auch wenn die Abende nun länger werden,
so wirkt die Welt trotz Regens matt, verstaubt.
Wie segnend bietet uns das Jahr Gebärden,
an deren Großmut niemand wirklich glaubt.

Die Sonnenbräune ist längst ausgeblichen,
vom Urlaub redet man im Konjunktiv,
Man könnte, wollte, ist dann ausgewichen,
weil es ja sowieso ganz anders lief.

Das nächste Ziel? Ach ja, das Jahresende,
der Weihnachtstrubel kommt ihm noch zuvor,
und dass man sich beim Schisport wiederfände,
falls man die Lust dazu noch nicht verlor.

So stolpern wir durch Wochen, Perioden
von einem Lebenshöhepunkt zum andern,
doch hält der Alltag uns zurück am Boden.
Wir bleiben sitzen, nur Gedanken wandern.
 



 
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