Der Himmel über Berlin, oder. Ich will Deutschland dienen

Der Himmel über Berlin, oder: Ich will Deutschland dienen.
Eine Polemik, gedacht als Beitrag zu den laufenden Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition in Berlin.


Der Himmel über Berlin schämt sich schwarzrot.

Unter seinem Schutz verbiegen sich gerade Menschen in ihren Überzeugungen, versuchen Dinge auf einen Nenner zu bringen, die bisher unvereinbar waren. Eigentlich ist es erstaunlich, dass sie alle noch aufrecht gehen können, ohne Rückgrat.

Sie sagen, dass, was wir jetzt tun müssen, sind wir dem Wähler schuldig. Sie wollen den Anschein erwecken, dass sie für uns etwas Gutes im Schilde führen. Aber haben Sie nicht die Fleischtöpfe, die sie uns jetzt nicht mehr füllen können, nicht selbst geleert? Haben sie nicht oft gesagt: lass diesen Kelch an uns vorübergehen, um ihn dann genüsslich selbst leer zu trinken? Haben sie nicht ihren Machtdurst gelöscht mit dem Wasser, das für unseren Durst eingefüllt worden war?

Jetzt geht es ans Eingemachte, sagen sie, aber die Weckgläser in den Regalen ihrer Haushalte sind leer.

Früher haben sie auf der Strasse nicht zusammen gespielt, jetzt zeigen sie sich stolz gegenseitig ihre Kinderzimmer und ihre Spielsachen.

Einige lassen ihre Felle schwimmen, ziehen sich aus bis aufs letzte Hemd, verscherbeln Haus und Hof, vom Tafelsilber ganz zu schweigen, nur um 1. Steuermann im Boot zu werden. Nautische Kenntnisse sind dafür nicht erforderlich, denn da die Ruderer im Boot in entgegen gesetzte Richtungen rudern, dreht sich das Boot eh im Kreis. Sollte das Boot kentern, tragen sie alle sichere DeLuxe-Schwimmwesten, die sie für lange Zeit sicher und warm über Wasser halten.

Manche nehmen Mist in Kauf, nur um im Stall dabei zu sein.

Sie sagen, sie haben das Loch entdeckt, in dem wir alle, heulend und zähneknirschend, bereits eine geraume Zeit liegen. Das Loch sei sehr groß, sagen sie; warum sind dann nur wir hineingefallen und nicht auch sie?

Sie sagen auch, das Loch muss gestopft werden. Hoffentlich holen sie uns vorher dort raus.

Viel Geld fehlt, sagen sie. Wo Geld fehlt, ist üblicherweise gestohlen worden. So schnell werden sie das Geld aber nicht wieder bekommen, denn die Diebe sitzen mit am Tisch und beteiligen sich daran, unverfängliche Bezeichnungen für unweigerlich kommende neue Diebstähle zu finden.

Sie sagen weiter, alle müssen den Gürtel enger schnallen und vergessen, dass wir für das letzte Hemd, das wir tragen, gar keinen Gürtel brauchen.

Jahrelang sollen wir über unsere Verhältnisse gelebt haben; meinen sie damit auch die fast 5 Millionen, die seit langem überhaupt kein (Arbeits-)Verhältnis mehr haben?

Jetzt machen sie gemeinsam einen Kassensturz. Sie werden nicht lange zu zählen haben, wenn sie die Kasse, rechts oder links, auf dem Verhandlungstisch umgestülpt haben; hoffentlich fällt der eine Cent nicht vom Tisch auf den roten Teppich.

Von allen Seiten werden Stellungnahmen vor laufenden Kameras abgegeben. Hoffentlich bleiben die Kameras endlich mal stehen, damit die, die die Stellungnahmen abgeben, nicht immer hinter ihnen herlaufen müssen.

Wir sind auf einem guten Weg, erklären sie nach jeder Gesprächsrunde labyrinthisch – und genau deswegen habe ich mich zu diesem Beitrag zu den laufenden Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition in Berlin entschlossen. Wegweiser will ich sein, damit sich die Koalitionäre, blind vor ihrem Eifer, für uns den Karren aus dem Dreck zu ziehen, nicht im Dickicht ihres Wohlwollens für uns kleine Leute verfangen und -
übrigens, ganz ohne Frage, es gibt nur einen völlig uneigennützigen Grund für die Verfassung dieser Zeilen:
Ich will Deutschland dienen.
 



 
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