Der Komet

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flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Komet

Aus. Ende. Pleite. Alles verloren, alles. Sylvio leistet am Spieltisch den Offenbarungseid. Nils, der Kredithai, grinst in sich hinein: „Hab ich doch gewusst, dass du dein letztes Hemd verspielst! Na, ich werde es schon von dir eintreiben. Und wenn du wirklich nicht zahlen kannst, dann geht es dir wie den anderen – Finger ab.“
Sylvio überlegt krampfhaft: „Würde mir noch irgendeiner was borgen? Nee, ich habe keine Freunde mehr und die Familie hat mich auch verstoßen. Verdammte Spielerei! Warum nur kann ich nicht rechtzeitig aufhören? Vorhin hatte ich doch mal gewonnen, da hatte ich fast wieder genau so viel wie am Spielbeginn, warum hab ich da nicht aufgehört? Nils wird mir nach und nach alle Finger abschneiden lassen, das ist bei ihm so üblich, wenn ein Schuldner nicht zahlen kann. Was mach ich nur, was mach ich nur?“
Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und vertröstete den Kredithai auf nächste Woche. Eigentlich wollte er einen Monat Zeit haben, aber darauf ließ Nils sich nicht ein.
Zu Hause warf er sich in seinen Fernsehsessel, machte die Glotze an und sich ein Bier auf. Er wollte wenigstens einmal noch richtig besoffen sein, bevor das Unvermeidliche eintrifft.
In der Kiste flimmerte gerade Werbung. Sylvio wollte schon angewidert weiterzappen, da wurde seine Aufmerksamkeit doch gefesselt. 5000 Dollar sollte jemand bekommen, oder besser gesagt seine Angehörigen, wenn er sich für ein wissenschaftliches Experiment für hundert Jahre einfrieren ließe. Das wäre doch die Lösung! Zu erfrieren tut wesentlich weniger weh, als wenn einem jeden Tag ein Finger abgeschnitten wird! Außerdem ist das Institut hier in der Stadt und sie haben noch eine Stunde geöffnet. Er schuldet Nils zwar mehr als 5000 Dollar, aber er wird sich begnügen müssen, der alte Geizkragen.
Sylvio beeilt sich, zu dem Institut zu kommen. Hier steht schon eine lange Warteschlange heruntergekommener Gestalten. Aber es geht zügig voran. „Menno,“ denkt Sylvio, „das Institut muss ja über Knete ohne Ende verfügen! Man sieht ja gar keinen von den Wartenden wieder herauskommen!“
Endlich ist er an der Reihe und erfährt nun, warum es so schnell gegangen war: die Suffis wurden gleich zur Hintertür hinauskomplimentiert. Sylvio aber entspricht den Anforderungen und wird auf das Einfrieren vorbereitet. Unglaublich, welch eine Menge Papierkram zu unterschreiben ist, damit das Institut abgesichert ist! Aber Sylvio darf noch erleben, dass das Geld wirklich an Nils ausgezahlt wird.
Dann wird er – gut gebadet, gesalbt und geimpft – zur Cryokammer geführt, nur mit einem silbrigen Umhang bekleidet. Die Kammer hat eine Glastür, damit man den Vorgang sofort abbrechen kann, falls der Kandidat in letzter Sekunde doch noch einen Rückzieher macht. Sylvio lächelt: „Jetzt machen sie ein Schneewittchen aus mir!“ Er steigt in die Kammer, faltet die Hände vor der Brust, schließt die Augen und spürt eine heiße Welle, die ihn erhebt und ins Nirwana schweben lässt.

„Maria, bist du schon wieder in der alten Stadt gewesen?“ fragt Simon seine Schwester. „Ja, und heute habe ich etwas ganz tolles entdeckt, da sind Keller, gaaanz tiefe Keller, so tief, dass wir morgen früher los gehen, um bis ganz nach unten zu kommen. Bin gespannt, was wir da finden!“ – „Dass nur die Eltern nichts davon merken! Oder gar der Priester, der lässt dich prompt als Hexe verbrennen, so, wie sie es mit Abigail getan haben. Du weißt doch, Männer dürfen nur das erforschen, was in der Bibel steht und Frauen dürfen gar nichts erforschen.“ Maria lacht: „Aber ich bin doch noch keine Frau. Solange ich nicht verheiratet bin, bin ich ein Mädchen.“ Der Bruder legt den Kopf schief: „Ja, aber du bist schon zwanzig, das ist verdammt alt für ein Mädchen.“ Maria runzelt die Stirn: „Willst du jetzt auch schon anfangen, mich verheiraten zu wollen? Mir ist absolut nicht danach zumute, einen Mann und Kinder zu umsorgen. Ich denke, dass ich als Mensch auf die Welt gekommen bin und nicht als Dienerin.“ Sie wirft stolz ihre dichte Haarmähne zurück und geht ins Haus.
Simon wendet sich bekümmert seiner Arbeit zu. Wann wird endlich ein Mann kommen, der Maria den Kopf zurecht rückt? Seit sie in der alten Stadt herumstöbert mit diesen Jungforschern – die sie vielleicht nur deshalb in ihrer Mitte dulden, weil sie hübsch ist – hat sie sich sehr verändert. Irgendwann haben sie dort in einem Keller eine Zeitung gefunden, da stand in der total veralteten Schrift ein Artikel über Frauenrechte, davon ist Maria jetzt völlig verdreht im Kopf. Ach, wenn sie doch niemals gelernt hätte, die alte Schrift zu entziffern! Aber es gibt ja immer wieder dumme Lehrer, die meinen, wenn man nichts aus der Vergangenheit lernt, ist man gezwungen, alte Fehler zu wiederholen, so ein Unsinn! Es braucht doch nur ein jeder bibeltreu zu leben, und schon ist alles in bester Ordnung.

David, der Sternendeuter, legt dem Hohen Rat seine neuesten Erkenntnisse vor. Ob der Dringlichkeit hat er eine Audienz außer der Reihe erwirkt. Er berichtet, dass sich ein riesiger Komet der Erde nähert und dass der Komet in wenigen Wochen auf der Erde aufschlagen wird. Wo genau, das konnte er noch nicht berechnen, aber das wäre auch egal, denn der Komet ist so riesig, dass ein Zusammenstoß mit ihm die Erde aus ihrer Bahn werfen wird. Es verging wertvolle Zeit, ehe ihm Glauben geschenkt wurde. Nun war guter Rat teuer. Was tun? Die Bevölkerung informieren oder sie im Ungewissen lassen? War Rettung überhaupt möglich? Der Hohe Rat legte schlussendlich die Zukunft der Menschheit in Gottes Hand, dahin, wo sie schon immer gelegen hat.

Es war schon spätabends und alle hatten sich schon Sorgen um Maria gemacht, als sie endlich hochrot vor Aufregung in die Stube stürzte. Sie wollte sich nicht ausschelten lassen, sondern ganz schnell und sofort von der unglaublichen Entdeckung erzählen, die sie in der alten Stadt gemacht hatten. Aber man ließ sie nicht zu Wort kommen. „Der Weltuntergang ist nahe!“ donnerte ihr Vater. „Auf die Knie, Tochter! Bete zu Gott, wie wir alle es tun! Vielleicht ist Gott gnädig und lässt den Kelch an uns vorübergehen.“
Die alte Tante Delila zischelte in ihrer Ecke: „Das kommt nur von den hoffärtigen Studenten, die alles ganz genau wissen wollen. Nur Gott weiß alles, der Mensch kann nicht alles wissen und der Mensch soll nicht alles wissen! Die Scheiterhaufen vor der Siedlung sind schon errichtet, bald werden sie alle brennen, die Bücher und die, die sie lesen! Genauso, wie es nach dem großen Krieg gewesen ist.“
Der Vater blickte nur kurz unwillig auf die Alte, dann betete er weiter sein Vaterunser und fügte eine Bitte um Schutz für seine Tochter an. Es war ihm nicht entgangen, dass sie entgegen allen Gottesgesetzen der Forschung huldigte.
Maria beendete sittsam ihr Gebet und bat dann um Gehör. Sie erzählte, dass sie in den tiefen Kellern der alten Stadt Kammern gefunden hatten, in denen hinter Glas Menschen lagen, deren Leichen noch sehr gut erhalten sind. Einer aber schien noch zu leben. Er war der einzige, der die Hände gefaltet hatte, bei allen anderen lagen sie neben dem Körper. Vielleicht, wenn sie ihn ins heutige Leben holen könnten, vielleicht wüsste er, wie die Katastrophe abzuwenden wäre? Die Familie beschloss, sich am nächsten Tag den Jungforschern anzuschließen und zu sehen, was zu machen ist.
Sie standen sehr früh auf, doch Delila war bereits auf dem Wege zum Priester, um ihm von dem Wunder zu berichten, dass da ein Mensch aus der Vergangenheit auferstehen soll wie einst Jesus und vielleicht das Unheil abwenden könnte. Der Priester meinte zuerst, dass die alte Frau verwirrtes Zeug redet, dann aber ging er in die alte Stadt und stieß auf die Gruppe, die zu den tiefen Kellern eilte. Er schloss sich ihnen an und sah, dass der Vorkriegsmensch ein blonder Jüngling war mit sanften Gesichtszügen. Er versammelte die Gruppe zu einem Dankgebet und beobachtete gespannt den Erweckungsvorgang, ständige „Ave Maria“ betend. Der Anführer der Jungforscher hatte Aufzeichnungen gefunden, nach denen er jetzt den Eingefrorenen ins Leben zurück holen wollte.
Endlich tat Sylvio den ersten Atemzug in seinem neuen Leben. Zuerst glaubte er gar nicht, dass er lebt, denn um ihn her sah er Menschen knien, die beteten und unter ihnen einen Pfarrer. Also war er doch wohl im Himmel, oder? Darüber war er sehr froh. Er hatte schon nicht mehr daran geglaubt, dass so ein notorischer Spieler in den Himmel kommt.
Als er aber den Grund für die Gebete erfuhr und in welcher Gefahr die Erde sich befindet, fiel auch er jammernd auf die Knie: „Ogottogottogott, o Jesusmariaundjosef, o Himmelundalleheiligen, o Herrgottimhimmel, auweia verdammte Scheiße!“
Alle blickten ihn entsetzt an. Dass er den Herrn anrief, war ja das Erwartete, aber der Fluch am Ende? Was haben sie da aufgeweckt? Soll das wirklich der Erlöser sein? Sylvio merkte, dass er einen Fehler gemacht hatte und sagte rasch: „Ich hatte das Gefühl, dass sich der Teufel meiner bemächtigen wollte. Ich konnte ihn nicht anders vertreiben.“ Er neigte den Kopf zu einem frommen Vaterunser – schließlich war er einst katholisch getauft worden – und die Leute beruhigten sich. Sie gaben ihm zu essen und zu trinken und auch Kleidungsstücke. Er konnte doch nicht in diesem sonderbaren Kittel bleiben.
Auf dem Weg in die Siedlung überlegte Sylvio hin und her, wie er wohl seine Rolle weiterspielen sollte. Welchen Rat konnte er den Leuten geben? Wohin könnte er sie führen, damit sie geschützt seien vor dem Kometen? Er hat den Atomkrieg tief unter der Erde überlebt, aber wenn die Erde aus ihrer Bahn geworfen wird, dann nützt es nichts, sich in ihr zu verkriechen, die Kälte des Weltraums wird auch dorthin gelangen.
Ach, wären doch die Menschen nach dem Krieg vernünftiger geblieben und hätten nicht alle Wissenschaftler umgebracht! Ihnen schob der Plebs nämlich die schlimmen Kriegsfolgen zu. Wenn die Wissenschaftler nicht die Atombombe entwickelt hätten, hätte sie auch niemand zünden können. Man muss das Übel immer an der Wurzel packen und ausrotten, jaja! Geköpft haben sie sich, diese Idioten.
Ruhig und vernünftig bleiben, mit Anstand aus der Welt scheiden, das hatte Sylvio schon einmal getan – so glaubte er zumindest – und genau dazu wird er raten, wenn er gefragt wird. Bloß nicht von alleine den Mund aufmachen, schön im Hintergrund und bescheiden bleiben!

David gönnte sich keine ruhige Minute mehr. Er beobachtete ständig den Kometen und berechnete seine Bahn, um den Aufschlagsort möglichst genau zu ermitteln. Er war sehr erstaunt, als der Komet auf einmal langsamer wurde. Das widerspricht allen Naturgesetzen! Er fiel ohnmächtig vor Glück von seinem Sitz. Der Herrgott hat die weltweiten Gebete erhört! Es gibt ihn wirklich! Halleluja!
Schnell eilte er zum Hohen Rat, um das Wunder zu verkünden. Bald läuteten auf der ganzen Welt die Glocken und die Menschen lachten und weinten, waren schier blöd vor Glückseligkeit. Sylvio wurde gefeiert wie Gottes Sohn, denn man glaubte, seine Erweckung habe das Wunder bewirkt.
Ein paar Tage später raufte David sich die Haare. Der Komet hatte seinen alten Kurs auf die Erde wieder aufgenommen. Er flog langsamer, ja, aber die Bedrohung blieb. Er musste es dem Hohen Rat melden. Danach erhängte er sich, weil er ahnte, was kommen wird.
Das Volk raste. Der Zorn richtete sich gegen alle Unbotmäßigen. Die Scheiterhaufen loderten. Weltliches Schriftgut aller Art brannte und jene, die es gelesen hatten. Etliche fromme Leute sprangen ebenfalls in die Flammen, um durch ihren Opfertod die Welt zu retten. Einige fromme Leute erschlugen eigenhändig ihre allzu wissbegierigen Kinder.
Auch Maria brannte und Sylvio, der falsche Prophet. Beinahe hätte Marias ganze Familie dran glauben müssen, aber der Vater und der Bruder waren sehr angesehene Gemeindemitglieder. Da sie die ungehorsame willig herausgaben, wurden sie verschont. Man muss das Kranke entfernen, damit der Stamm gesund bleibt.

Der „Komet“ landete weich in der Wüste von Florida. Kleine grüne Männchen stiegen aus und nahmen Kontakt mit den Menschen auf . . .
 

Lord Stark

Mitglied
hi, interessante Erzählung.

Frage nur, ist sie als Einleitung zu verstehen oder als selbstständige Kurzgeschichte?

mach weiter,

Lord Stark
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

die frage hab ich mir auch schon gestellt. aber ich glaube eher, es bleibt so kurz. danke für dein interesse. lg
 
B

borax

Gast
Sehr schön, sehr schön,

kann ich nur sagen wenn ich diese Geschichte lese obwohl es soweit ja nicht hergeholt scheint, oder? Wie auch immer deine Sci-Fi Geschichten sind ja alle eine Klasse für sich, kann man nicht meckern.
Besonders interressant ist das Ende der Geschichte, welches Lord Stark bei mir auch ín den Vordergrund hob, zwar nicht fies allerdings Saukomisch...

lieben gruß borax.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
danke,

lieber borax. ja, an und für sich könnte man die geschichte weiterspinnen. mal sehen. ganz lieb grüßt
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Nö, nich weiterpinseln…

…die Geschichte ist ziemlich rund, so wie sie ist – abgesehen von dem grammatikalischen Zeit-Kuddel-Muddel, das noch behoben werden müsste. Der lakonische Ton gefällt mir…
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

liebe jon, kannste mir bitte auf die sprünge helfen? ich finde das zeitkuddelmuddel nicht. wäre dir dankbar. ganz lieb grüßt
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Du pendelst zwischen der Erzähl-Zeit „Gegenwart“ und Erzählzeit „Vergangenheit" hin und her. Beides ist "erlaubt" und hat Vor- und Nachteile. Wichtig ist, dass man sich für eines entscheidet.
Wenn man in der Vergangenheit erzählt, werden auch Allgemeingültiges und – nicht durch Anführungszeichen „herausgelöste“ – Gedanken und Gespräche in der Vergangenheit erzählt.
Zeitenwechsel sind natürlich möglich, erfordern aber – je nach der Stelle, wo es passiert, modifiziert – ein erhebliches Geschick und bergen immer das Risiko, dass der Leser "stolpert". Aller Erfahrung nach ist es einfacher, sich von der Grundform "Vergangenheit" aus in den Zeiten (ein wenig) hin und her zu bewegen – Gegenwart als Erzählkonzept ist bereits so "sperrig", dass jeder Schnitzer doppelt und dreifach auffällt.

Ich habe mal die "Sprünge" rot markiert. Blau sind weitere Anmerkungen.


Der Komet

Aus. Ende. Pleite. Alles verloren, alles. Sylvio leistet am Spieltisch den Offenbarungseid. Nils, der Kredithai, grinst in sich hinein: „Hab ich doch gewusst, dass du dein letztes Hemd verspielst! Na, ich werde es schon von dir eintreiben. Und wenn du wirklich nicht zahlen kannst, dann geht es dir wie den anderen – Finger ab.“
Sylvio überlegt [red]…bis hierher Gegenwart[/red] krampfhaft: „Würde mir noch irgendeiner was borgen? Nee, ich habe keine Freunde mehr und die Familie hat mich auch verstoßen. Verdammte Spielerei! Warum nur kann ich nicht rechtzeitig aufhören? Vorhin hatte ich doch mal gewonnen, da hatte ich fast wieder genau so viel wie am Spielbeginn, warum hab ich da nicht aufgehört? Nils wird mir nach und nach alle Finger abschneiden lassen, das ist bei ihm so üblich, wenn ein Schuldner nicht zahlen kann. Was mach ich nur, was mach ich nur?“
Er versuchte[red]jetzt Vergangenheit bis zu…[/red] , sich nichts anmerken zu lassen und vertröstete den Kredithai auf nächste Woche. Eigentlich wollteer einen Monat Zeit haben, aber darauf ließ Nils sich nicht ein.
Zu Hause warf er sich in seinen Fernsehsessel, machte die Glotze an und sich ein Bier auf. Er wollte [red]...bis hierher Vergangenheit[/red] wenigstens einmal noch richtig besoffen sein, bevor das Unvermeidliche eintrifft[red]passend zum Anfang des Textes vollendete Gegenwart statt passend zum Satz vollendete Vergangenheit[/red] .
In der Kiste flimmerte [red]weiter mit Vergangenheit…[/red] gerade Werbung. Sylvio wollte schon angewidert weiterzappen, da wurde seine Aufmerksamkeit doch gefesselt. 5000 Dollar sollte jemand bekommen, oder besser gesagt seine Angehörigen, wenn er sich für ein wissenschaftliches Experiment für hundert Jahre einfrieren ließe. Das wäre doch die Lösung! Zu erfrieren tut wesentlich weniger weh, als wenn einem jeden Tag ein Finger abgeschnitten wird! Außerdem ist[red]hier plötzlich wieder mit Gegenwartweiter [/red] das Institut hier in der Stadt und sie haben noch eine Stunde geöffnet. Er schuldet Nils zwar mehr als 5000 Dollar, aber er wird sich begnügen müssen, der alte Geizkragen.
Sylvio beeilt sich, zu dem Institut zu kommen. Hier steht schon eine lange Warteschlange heruntergekommener Gestalten. Aber es geht zügig voran. „Menno,“ denkt Sylvio, „das Institut muss ja über Knete ohne Ende verfügen! Man sieht ja gar keinen von den Wartenden wieder herauskommen!“
Endlich ist er an der Reihe und erfährt nun, warum es so schnell gegangen war[red]vollendete Vergangenheit – hier wäre Gegenwart, zumindest aber (unvollendete) Vergangenheit besser[/red] : die Suffis wurden [red]Vergangenheit[/red] gleich zur Hintertür hinauskomplimentiert. Sylvio aber entspricht [red]...und weiter mit Gegenwart...[/red] den Anforderungen und wird auf das Einfrieren vorbereitet. Unglaublich, welch eine Menge Papierkram zu unterschreiben ist, damit das Institut abgesichert ist! Aber Sylvio darf noch erleben, dass das Geld wirklich an Nils ausgezahlt wird.
Dann wird er – gut gebadet, gesalbt und geimpft – zur Cryokammer geführt, nur mit einem silbrigen Umhang bekleidet. Die Kammer hat eine Glastür, damit man den Vorgang sofort abbrechen kann, falls der Kandidat in letzter Sekunde doch noch einen Rückzieher macht. Sylvio lächelt: „Jetzt machen sie ein Schneewittchen aus mir!“ Er steigt in die Kammer, faltet die Hände vor der Brust, schließt die Augen und spürt eine heiße Welle, die ihn erhebt und ins Nirwana schweben lässt.

„Maria, bist du schon wieder in der alten Stadt gewesen?“ fragt Simon seine Schwester. „Ja, und heute habe ich etwas ganz tolles entdeckt, da sind Keller, gaaanz tiefe Keller, so tief, dass wir morgen früher los gehen, um bis ganz nach unten zu kommen. Bin gespannt, was wir da finden!“ – „Dass nur die Eltern nichts davon merken! Oder gar der Priester, der lässt dich prompt als Hexe verbrennen, so, wie sie es mit Abigail getan haben. Du weißt doch, Männer dürfen nur das erforschen, was in der Bibel steht und Frauen dürfen gar nichts erforschen.“ Maria lacht: „Aber ich bin doch noch keine Frau. Solange ich nicht verheiratet bin, bin ich ein Mädchen.“ Der Bruder legt den Kopf schief: „Ja, aber du bist schon zwanzig, das ist verdammt alt für ein Mädchen.“ Maria runzelt die Stirn: „Willst du jetzt auch schon anfangen, mich verheiraten zu wollen? Mir ist absolut nicht danach zumute, einen Mann und Kinder zu umsorgen. Ich denke, dass ich als Mensch auf die Welt gekommen bin und nicht als Dienerin.“ Sie wirft stolz ihre dichte Haarmähne zurück und geht ins Haus.
Simon wendet sich bekümmert seiner Arbeit zu. Wann wird endlich ein Mann kommen, der Maria den Kopf zurecht rückt? Seit sie in der alten Stadt herumstöbert mit diesen Jungforschern – die sie vielleicht nur deshalb in ihrer Mitte dulden, weil sie hübsch ist – hat sie sich sehr verändert. Irgendwann haben sie dort in einem Keller eine Zeitung gefunden, da stand in der total veralteten Schrift ein Artikel über Frauenrechte, davon ist Maria jetzt völlig verdreht im Kopf. Ach, wenn sie doch niemals gelernt hätte, die alte Schrift zu entziffern! Aber es gibt ja immer wieder dumme Lehrer, die meinen, wenn man nichts aus der Vergangenheit lernt, ist [blue]hier würde ich ein „sei“ verwenden – Simon stellt es ja in Frage[/blue] man gezwungen, alte Fehler zu wiederholen, so ein Unsinn! Es braucht doch nur ein jeder bibeltreu zu leben, und schon ist alles in bester Ordnung.

David, der Sternendeuter, legt dem Hohen Rat seine neuesten Erkenntnisse vor. Ob der Dringlichkeit hat er eine Audienz außer der Reihe erwirkt. Er berichtet[red]..bis hierher Gegenwart...[/red] , dass sich ein riesiger Komet der Erde nähert und dass der Komet in wenigen Wochen auf der Erde aufschlagen wird. Wo genau, das konnte [red]diese Vergangenheit ist berechtigt – er kam noch nicht dazu, hat das Ergebnis also noch nich[/red] er noch nicht berechnen, aber das wäre [blue]entweder hier: Das ist egal...[/blue] auch egal, denn der Komet ist [blue]...oder hier: er sei so riesig[/blue] so riesig, dass ein Zusammenstoß mit ihm die Erde aus ihrer Bahn werfen wird[blue]..und hier „würde“[/blue] . Es verging [red]die Vergangenheit in diesem Satz ist nicht berechtigt – er argumentiert und es vergeht Zeit dabei[/red] wertvolle Zeit, ehe ihm Glauben geschenkt wurde. Nun war [red]weiter mit Vergangenheit[/red] guter Rat teuer. Was tun[red]das sieht zwar auf den ersten Blick aus wie Gegenwart ist aber zeitloser Infinitiv und damit berechtigt[/red] ? Die Bevölkerung informieren oder sie im Ungewissen lassen? War Rettung überhaupt möglich? Der Hohe Rat legte schlussendlich die Zukunft der Menschheit in Gottes Hand, dahin, wo sie schon immer gelegen hat[red]plötzlich wieder (vollendete) Gegenwart[/red] .

Es war[red]wieder weiter mit Vergangenheit[/red] schon spätabends und alle hatten sich schon Sorgen um Maria gemacht, als sie endlich hochrot vor Aufregung in die Stube stürzte . Sie wollte sich nicht ausschelten lassen, sondern ganz schnell und sofort von der unglaublichen Entdeckung erzählen, die sie in der alten Stadt gemacht hatten. Aber man ließ sie nicht zu Wort kommen. „Der Weltuntergang ist nahe!“ donnerte ihr Vater. „Auf die Knie, Tochter! Bete zu Gott, wie wir alle es tun! Vielleicht ist Gott gnädig und lässt den Kelch an uns vorübergehen.“
Die alte Tante Delila zischelte in ihrer Ecke: „Das kommt nur von den hoffärtigen Studenten, die alles ganz genau wissen wollen. Nur Gott weiß alles, der Mensch kann nicht alles wissen und der Mensch soll nicht alles wissen! Die Scheiterhaufen vor der Siedlung sind schon errichtet, bald werden sie alle brennen, die Bücher und die, die sie lesen! Genauso, wie es nach dem großen Krieg gewesen ist.“
Der Vater blickte nur kurz unwillig auf die Alte, dann betete er weiter sein Vaterunser und fügte eine Bitte um Schutz für seine Tochter an. Es war ihm nicht entgangen, dass sie entgegen allen Gottesgesetzen der Forschung huldigte.
Maria beendete sittsam ihr Gebet und bat dann um Gehör. Sie erzählte, dass sie in den tiefen Kellern der alten Stadt Kammern gefunden hatten[red]vollendete Vergangenheit[/red] , in denen hinter Glas Menschen lagen[red]Vergangenheit[/red] , deren Leichen noch sehr gut erhalten sind[red]plötzlich mitten im Satz Gegenwart[/red] . Einer aber schien [red]..und weiter in der Vergangenheit[/red] noch zu leben. Er war der einzige, der die Hände gefaltet hatte, bei allen anderen lagen [sie neben dem Körper. Vielleicht, wenn sie ihn ins heutige Leben holen könnten, vielleicht wüsste er, wie die Katastrophe abzuwenden wäre? Die Familie beschloss[red]Vergangenheit[/red] , sich am nächsten Tag den Jungforschern anzuschließen und zu sehen, was zu machen ist[red]plötzlich im Satz Gegenwart[/red] .
Sie standen [red]..weiter mit Vergangenheit[/red] sehr früh auf, doch Delila war bereits auf dem Wege zum Priester, um ihm von dem Wunder zu berichten, dass da ein Mensch aus der Vergangenheit auferstehen soll[red]mitten im Satz Gegewart[/red] wie einst Jesus und vielleicht das Unheil abwenden könnte. Der Priester meinte [red]Vergangenheit[/red] zuerst, dass die alte Frau verwirrtes Zeug redet[red]plötzlich mitten im Satz Gegenwart[/red] , dann aber ging [red]Vergangenheit[/red] er in die alte Stadt und stieß[red]weiter mit Vergangenheit[/red] auf die Gruppe, die zu den tiefen Kellern eilte. Er schloss sich ihnen an und sah, dass der Vorkriegsmensch ein blonder Jüngling war mit sanften Gesichtszügen[blue]hier fehlt ein „war“ (bzw „ist“)[/blue] . Er versammeltedie Gruppe zu einem Dankgebet und beobachtete gespannt den Erweckungsvorgang, ständige „Ave Maria“ betend. Der Anführer der Jungforscher hatte Aufzeichnungen gefunden, nach denen er jetzt den Eingefrorenen ins Leben zurück holen wollte.
Endlich tat Sylvio den ersten Atemzug in seinem neuen Leben. Zuerst glaubte[red]Vergangenheit[/red] er gar nicht, dass er lebt[red]mitten im Satz Gegenwart[/red] , denn um ihn her sah [red]...wieder Vergangenheit[/red] er Menschen knien, die beteten[blue]hier fehlt ein Komma[/blue] und unter ihnen einen Pfarrer. Also war er doch wohl im Himmel, oder? Darüber war er sehr froh. Er hatte [red]vollendete Vergangenheit[/red] schon nicht mehr daran geglaubt, dass so ein notorischer Spieler in den Himmel kommt [red]plötzlich Gegenwart[/red] .
Als er aber den Grund für die Gebete erfuhr [red]Vergangenheit[/red] und in welcher Gefahr die Erde sich befindet[red]plötzlich Gegenwart[/red] , fiel[red]weiter: Vergangenheit[/red] auch er jammernd auf die Knie: „Ogottogottogott, o Jesusmariaundjosef, o Himmelundalleheiligen, o Herrgottimhimmel, auweia verdammte Scheiße!“
Alle blickten ihn entsetzt an. Dass er den Herrn anrief[red]Vergangenheit[/red] , war ja das Erwartete, aber der Fluch am Ende? Was haben[red]plötzlich vollendete Gegenwart[/red] sie da aufgeweckt? Soll [red]mittendrin Gegenwart[/red] das wirklich der Erlöser sein? Sylvio merkte[red]Vergangenheit...[/red] , dass er einen Fehler gemacht hatte[blue]hier fehlt ein Komma[/blue] und sagterasch: „Ich hatte das Gefühl, dass sich der Teufel meiner bemächtigen wollte. Ich konnte ihn nicht anders vertreiben.“ Er neigte den Kopf zu einem frommen Vaterunser – schließlich war er einst katholisch getauft worden – und die Leute beruhigten sich. Sie gaben ihm zu essen und zu trinken und auch Kleidungsstücke. Er konnte doch nicht in diesem sonderbaren Kittel bleiben.
Auf dem Weg in die Siedlung überlegte Sylvio hin und her, wie er wohl seine Rolle weiterspielen sollte. Welchen Rat konnte er den Leuten geben? Wohin könnte er sie führen, damit sie geschützt seien vor dem Kometen? Er hat [red]plötzlich vollendetet Gegenwart[/red]den Atomkrieg tief unter der Erde überlebt, aber wenn die Erde aus ihrer Bahn geworfen wird[red]weiter mit Gegenwart...[/red] , dann nützt es nichts, sich in ihr zu verkriechen, die Kälte des Weltraums wird auch dorthin gelangen.
Ach, wären[red]versteckter aber korrekter Wechsel zu Vergangenheitsformen[/red] doch die Menschen nach dem Krieg vernünftiger geblieben und hätten nicht alle Wissenschaftler umgebracht! Ihnen schob [red]Vergangenheit statt besser/richtiger vollendeter Vergangenheit[/red] der Plebs nämlich die schlimmen Kriegsfolgen zu. Wenn die Wissenschaftler nicht die Atombombe entwickelt hätten, hätte sie auch niemand zünden können. Man muss [red]...und mittendrin plötzlich Gegenwart...[/red] das Übel immer an der Wurzel packen und ausrotten, jaja! Geköpft haben sie sich, diese Idioten.
Ruhig und vernünftig bleiben, mit Anstand aus der Welt scheiden, das hatte [red]Vergangenheit[/red] Sylvio schon einmal getan – so glaubte[red]Vergangenheit[/red] er zumindest – und genau dazu wird [red]plötzlich Gegenwart[/red] er raten, wenn er gefragt wird[red]Gegenwart[/red] . Bloß nicht von alleine den Mund aufmachen, schön im Hintergrund und bescheiden bleiben!

David gönnte [red]..und zurück zur Vergangenheit[/red] sich keine ruhige Minute mehr. Er beobachtete ständig den Kometen und berechnete seine Bahn, um den Aufschlagsort möglichst genau zu ermitteln. Er war sehr erstaunt, als der Komet auf einmal langsamer wurde[red]Vergangenheit[/red] . Das widerspricht [red]Gegenwart[/red] allen Naturgesetzen! Er fiel [red]Vergangenheit[/red] ohnmächtig vor Glück von seinem Sitz. Der Herrgott hat [red]vollendete Gegenwart[/red] die weltweiten Gebete erhört! Es gibt [red]Gegenwart[/red] ihn wirklich! Halleluja!
Schnell eilte [red]Vergangenheit....[/red] er zum Hohen Rat, um das Wunder zu verkünden. Bald läuteten auf der ganzen Welt die Glocken und die Menschen lachten und weinten, waren schier blöd vor Glückseligkeit. Sylvio wurde gefeiert wie Gottes Sohn, denn man glaubte, seine Erweckung habe das Wunder bewirkt.
Ein paar Tage später raufte David sich die Haare. Der Komet hatte seinen alten Kurs auf die Erde wieder aufgenommen. Er flog langsamer, ja, aber die Bedrohung blieb. Er musste es dem Hohen Rat melden. Danach erhängte er sich, weil er ahnte[red]Vergangenheit[/red] , was kommen wird[red]von der Gegenwart aus gesehene Zukunft[/red] .
Das Volk raste[red]…und zurück zur Vergangenheit...[/red] . Der Zorn richtete sich gegen alle Unbotmäßigen. Die Scheiterhaufen loderten. Weltliches Schriftgut aller Art brannte und jene, die es gelesen hatten. Etliche fromme Leute sprangen ebenfalls in die Flammen, um durch ihren Opfertod die Welt zu retten. Einige fromme Leute erschlugen eigenhändig ihre allzu wissbegierigen Kinder.
Auch Maria brannte und Sylvio, der falsche Prophet. Beinahe hätte Marias ganze Familie dran glauben müssen, aber der Vater und der Bruder waren sehr angesehene Gemeindemitglieder. Da sie die ungehorsame [blue]die Ungehorsame[/blue] willig herausgaben, wurden [red]Vergangenheit[/red] sie verschont. Man muss [red]Gegenwart[/red] das Kranke entfernen, damit der Stamm gesund bleibt.

Der „Komet“ landete [red]Vergangenheit[/red] weich in der Wüste von Florida. Kleine grüne Männchen stiegen aus und nahmen Kontakt mit den Menschen auf . . .
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
auweia!

igittigitt, das wimmelt ja geradezu von rot und blau! hätte nie gedacht, daß ick soviel fehler auf einmal in einer geschichte machen kann! herzlichen dank für deine hilfe. werde die geschichte in ruhe überarbeiten. ganz lieb grüßt
 



 
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