Der Lindenbaum

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Egal ob ich litt wie ein Hund oder vor Freude fast zersprang, immer zog es mich zu meinem alten Lindenbaum.
Er war meine Zuflucht in guten, als auch in schlechten Zeiten.
Wie oft saß ich in seinem Schatten, vertraute ihm meine Gedanken an, und ritzte Worte voller Sehnsucht in seinen Stamm.
Heute lebe ich weit weg von diesem friedlichen Ort. Und doch muss ich oft an meinen Baum denken. Wie ein Freund, dem man alles sagen kann, fehlt er mir. Ohne einen solchen Vertrauten ist das Leben nicht leicht.
Aber ich halte mich an meinen Erinnerungen fest, stelle mir das Rauschen der Zweige vor, bis ich sogar das Plätschern des Brunnens in der Nähe hören kann.
Dann fallen meine Sorgen einen Moment von mir ab und ich finde die langersehnte Ruhe.
 

Ephraim

Mitglied
Baumfrevel!

Es ist ja immerhin ehrenvoll, auch in der Ferne noch an den Ort der eigenen Schande zu denken, ich hoffe, mit etwas Reue, denn dem Baum hat es mit Sicherheit nicht gut getan als Schreibmaterial gedient haben zu müssen. so kann die Bezeichnung "friedlicher Ort" nur satirisch gesehen werden, denn, des einen Ul ist des andern Nachtigall.
Im übrigen ist das ganze ziemlich kitschig. Dann konnt zu allem Überfluß auch noch ein rauschender Brunnen dazu. Wie rauscht eigentlich ein Brunnen und womit? Vielleicht aber war das Geräusch nicht das Rauschen des Brunnen, sondern das Krachen der einen Moment herabfallenden Sorgen, denn nach dem Moment mußten die ja blitzesschnelle wieder zurück. Und das geht nun mal nicht lautlos, wenn überhaupt.
Herzliche Grüße
Ephraim
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Das Rauschen

Sehr geehrter Ephraim,

" denn dem Baum hat es mit Sicherheit nicht gut getan als Schreibmaterial gedient haben zu müssen."

Tja, vielleicht hättest Du Dich vor Deiner Einlassung mit den Inhalten der "Schreibaufgabe" beschäftigen sollen. Ob es dem Baum gut getan hat, dass er " am Brunnen vor dem Tore" stand und dass "in seine Rinde so manches süße Wort geschnitten wurde", vermag nur derjenige zu beurteilen, der es - bei welcher Gelegenheit auch immer - sang. Gedichtet hat den ursprünglichen Text auf jeden Fall W.Müller, die Komposition stammt von Fr. Schubert.

"Dann konnt zu allem Überfluß auch noch ein rauschender Brunnen dazu."

Dieser rauschende Brunnen macht nur in Deiner Antwort "Krach"; in Heras Text rauschen die Zweige (wie auch im Originaltext).

Mit netten Grüßen
Zeder
 

Ephraim

Mitglied
Gedichtete Gedichte dichtend nachdichten

wenn das eine Aufgabe gewesen sein soll, hast Du sie aber gründlich mißverstanden. Man kann schließlich nicht 2001 mit den Intentionen von vor 200 Jahren Gedichte schreiben. Die Aufgabe war, einen Prosatext zu verdichten (was hier fast wörtlich genommen werden kann). Und dabei sollte doch etwas neues bei herauskommen, was an Deiner Arbeit aber nicht zu bemerken ist. Damals rauschten die Brunnen tatsächlich, es waren nämlich Quellen gemeint. Heute hat sich der Begriff aber gerwandelt und ein Dichter, der auch eine Dichterin sein kann, sollte schon den Mut haben, Eigenes sagen zu wollen. Damit wäre der Aufgabe nicht im mindesten widersprochen worden, im Gegenteil.
Übrigens: nomen est omen, Zeder finde ich nett. Da sollte man auch mit Bäumen fühlen können, und wenn man schon drüber schreibt, sollte man es auch können müssen.
Herzliche "Kampfes"-grüße
Ephraim

Zum Trost: Ich schreibe auch mal was zum zerpflücken.
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Berauschende Zeder

Sehr geehrter Ephraim,
nun bin ich etwas verwirrt! Zeder ist mein "Pseudonym" (oder auch nick), allerdings verbirgt sich hinter mir nicht hera, die dieses Werk verfasst hat. (siehe auch: profile).
Durchaus habe ich auch an der diesmonatigen Schreibaufgabe teilgenommen; ich befasste mich allerdings nicht mit einem rauschenden, sondern eher mit einem ratternden Thema...

"Die Aufgabe war, einen Prosatext zu verdichten"
Ja, oder aber auch umgekehrt, ein Gedicht in Prosa zu verwandeln. Genau das hat hera getan!

Viele nette (völlig unkämpferische) Grüße
Zeder
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Na, hier ist ja was los!!!!

Hallo Ephraim!

Der Brunnen rauscht nicht, er plätschert. Kitsch hin oder her. Es soll sogar Leute geben, die mögen Kitsch.
Und ich mag auch nicht, wenn jemand was in Bäume ritzt, aber da musst du dich bei W. Müller beschweren, bzw. bei seinen Nachfahren.

Und die Aufgabe war ziemlich frei. Text in Lyrik oder Gedicht in Prosatext oder vielleicht...
Ich habe vielleicht genommen.

Hallo Zeder!

Genau! Und da ich mit Gedichten nicht so kann, hab ich aus einem Lied einen Text gemacht. Danke für dein Interesse.

Tschüssie, hera
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Wie die Aufgabe gemeint war

Hallo zusammen,

da ich ja nun für die Schreibaufgabe verantwortlich zeichne, hier mal eine kurze Stellungnahme:

zuvörderstes Ziel der Schreibaufgabe ist es einen Impuls zu geben, der die Teilnehmenden zum Schreiben animiert. Besonders gut läuft es, wenn sie sich dabei auch noch mit einem Thema auseinandersetzen, mit dem sie sich ohne die Aufgabe nicht beschäftigt hätten.
Insofern ist es fast unmöglich die Aufgabe "falsch" zu lösen - außer man nimmt nicht teil...

Interessant finde ich an dem Text, daß sich hier die Ideale einer vergangenen Generation mit den Ökosehnsüchten der Gegenwart vermischen, womit der Beweis angetreten ist, daß man sehr wohl Intentionen vergangener Jahrhunderte mit Gegenwartsthemen in Bezug bringen kann.

Danke für den Beitrag!

PS: Allen Umweltschützern sei gesagt: So ein dicker Lindenbaum kann ein paar Schnitzereien schon verkraften, auch wenn der Waldzustandsbericht, der in diesen Tagen wieder veröffentlicht wurde, nicht viel Gutes über den deutschen Wald zu berichten hatte. Außerdem hat die Autorin ja nicht wirklich zum Messer gegriffen, sondern zur Feder - äh - Tastatur.
 



 
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