Der Löwe und die Wölfe

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Agamemnon

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Der Löwe und die Wölfe

Eines schönen Tages, als sich die Füchse, die Minister des Löwen, der über das Volk der Schafe herrschte, rund um ihren König versammelt hatten und mit ihm gemeinsam Mahl hielten, sagte einer von ihnen: „O, Eure herrliche Majestät! Darf ich Euch als Euer ergebener Diener einen bescheidenen Ratschlag geben?“ Denn so pflegten die Minister immer ihren König anzusprechen, wenn Sie ihm etwas mitzuteilen hatten. Darauf antwortete der König mit erhabener Miene: „So sprech’ er!“ Der Fuchs begann: „Majestät, Ihr habt doch sicher schon von dem Land gehört, in dem die Wölfe regieren? Diese herrschen dort über eine Schar von Eseln, die sich in ihrer Verzweiflung an uns und vor allem an Euch, Eure erhabenen Majestät, gewandt haben. Die Wölfe, da sie ja Fleischfresser sind, fressen in regelmäßigen Abständen einen von ihnen, und die Esel müssen daher in dauernder Furcht und Angst leben, ein Mahl der Wölfe zu werden. Wenn Ihr sie von dieser Pein befreien könntet, würden sie Euch als ergebene Diener bis an ihr Lebensende verpflichtet sein!“ Der König strich sich durch seine goldene, wallende Mähne und überlegte. Dann antwortete er seinem Minister: „Du sagst, die Wölfe fressen die Esel, und wir sollen dies’ verhindern. Doch ist es nicht so, dass auch wir regelmäßig, wenn wir Hunger haben, eines unserer Schafe töten und verzehren. Und bist es nicht du, mein lieber Minister, der am liebsten Lammfleisch von den allerjüngsten genießt?“ „Wohl ist es so, Eure Majestät“, sagte darauf der Fuchs. „Doch vergesst nicht, dass die Wölfe, wenn sie einmal keine Esel mehr haben, nicht davor zurückschrecken werden, sich an unseren Schafen zu bedienen. Und der Hunger der Wölfe ist grenzenlos, o Majestät!“ „Du willst also, dass ich alle Schafe zusammentrommeln lasse und sie gegen die Wölfe in den Krieg ziehen lasse! Ist es das, was du willst?“, entgegnete erzürnt der Löwe, und seine Mähne bebte. „O gutmütige Majestät“, sagte darauf der Fuchs, „ich verstehe wohl, dass ein König, der sein Volk so sehr liebt wie Ihr das Eure, nur ungern seine braven Diener in den Krieg schickt. Doch vergesst nicht, dass, wenn die Wölfe erst über unsere Herden hergefallen sind, es zu spät ist, sich zu wehren. Und wenn unsere Schafe alle tot sind, wovon sollen wir dann leben? Und vor allem, was sollen wir dann essen? Dann wird es nie mehr Fleisch geben, nie mehr Hammelbraten, den Ihr doch so liebt, oder etwa nicht, Eure Majestät?“ Der König wurde nachdenklich. „Aber die Wölfe haben uns doch noch gar nichts getan! Wie können wir sie bereits vorher für das bestrafen, was sie noch nicht einmal getan haben?“, merkte er in fragendem Ton an. „Eure Majestät!“, begann da der Fuchs mit lauter Stimme. „Wollt ihr etwa warten, bis sie uns Schaden zufügen? Liebt Ihr Euer Volk nicht so, dass Ihr es vor jedem Schaden bewahren wollt? Dann schickt Eure Truppen ins Land der Wölfe und befreit Euer Land von dieser teuflischen Bedrohung!“ Da sprach der König: „Du hast recht gesprochen. Wie du sagst, so soll es sein. Lasst die Truppen zusammentrommeln!“

Und der König, der zwar sehr mächtig, jedoch nicht sehr klug war, schickte noch am selben Tag Herolde in das ganze Land aus, um so schnell wie möglich seine Truppen gegen die Wölfe marschieren lassen zu können.
Und schon wenige Tage später überfiel das Heer der Schafe die ahnungslosen Wölfe. Sie mordeten wahllos alle Wölfe, egal ob Rüden, Feen oder Welpen und hinterließen ein unvergleichliches Blutbad. Nur wenige nahmen sie als Gefangene mit nach Hause, um sie dort in Käfigen an öffentlichen Plätzen auszustellen, zu foltern und schließlich an Erschöpfung verenden zu lassen, und noch weniger entkamen in die nahen Berge, wo sie fortan, mit teuflischem Groll in ihren glühenden Herzen, auf Rache sannen.

Als nun der Wille des Königs vollendet war, kamen als erstes die Esel zu den Schafen und dankten ihnen für ihre Befreiung. Danach kamen die Minister des Königs, die Füchse, in das befriedete Land, lobten die Schafe für ihre treuen Dienste, ihren Mut, ihre Tapferkeit und erklärten sie zu Helden des Vaterlandes. Dann ließen sie sie zurück zu ihren Familien kehren und das Land der Wölfe verlassen. Als nun das letzte Schaf das Land verlassen hatte, beschlossen die Esel zum Dank für ihre Befreiung gemeinsam zum Hofe des Königs zu ziehen und ihm persönlich für ihre Befreiung zu danken. Doch als sie sich gerade zu einer Herde zusammengefunden hatten, sprangen die Füchse mit glühenden Augen und lechzenden Mäulern in ihre Mitte und fraßen sie alle mit Haut und Haaren auf.
 

Agamemnon

Mitglied
Hallo alle zusammen!

Ich bin neu auf leselupe.de und das hier ist mein erster Beitrag. Für jede Art von Anmerkung, Verbesserungsvorschlag oder Kritik bin ich sehr dankbar!

LG Agamemnon
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Na dann von mir ein herzliches Wíllkommen!
Ich hab die Geschichte vor Kurzem schon mal gelesen und ganz ok gefunden. Dass in einer Fabel Füchse Esel fressen, kann man hinnehmen; ansonsten hab ich nichts Wesentliches zu bemeckern. Außer: Absätze immer mit oder immer ohne Leerzeilen! Und: Bei den Dialogen fehlen sämtliche Absätze, das macht den Text sehr schwer lesebar.

]Darauf antwortete der König mit erhabener Miene: „So sprech’ er!“
Das verkürzte "sprech'", das sogar in der Umgangssprache abgehackt wirken würde, passt nicht zur vorgeblich gehobenen Stilebene, in der der König sich sprachlich bewegt.

Doch ist es nicht so, dass auch wir regelmäßig, wenn wir Hunger haben, eines unserer Schafe töten und verzehren.
Fragezeichen statt Punkt!

Und wenn unsere Schafe alle tot sind, wovon sollen wir dann leben? Und vor allem, was sollen wir dann essen?
Das ist zweimal die (nahezu) selbe Frage.
 

Agamemnon

Mitglied
Der Löwe und die Wölfe

Eines schönen Tages, als sich die Füchse, die Minister des Löwen, der über das Volk der Schafe herrschte, rund um ihren König versammelt hatten und mit ihm gemeinsam Mahl hielten, sagte einer von ihnen: „O, Eure herrliche Majestät! Darf ich Euch als Euer ergebener Diener einen bescheidenen Ratschlag geben?“
Denn so pflegten die Minister immer ihren König anzusprechen, wenn Sie ihm etwas mitzuteilen hatten. Darauf antwortete der König mit erhabener Miene: „So spreche er!“
Der Fuchs begann: „Majestät, Ihr habt doch sicher schon von dem Land gehört, in dem die Wölfe regieren? Diese herrschen dort über eine Schar von Eseln, die sich in ihrer Verzweiflung an uns und vor allem an Euch, Eure erhabenen Majestät, gewandt haben. Die Wölfe, da sie ja Fleischfresser sind, fressen in regelmäßigen Abständen einen von ihnen, und die Esel müssen daher in dauernder Furcht und Angst leben, ein Mahl der Wölfe zu werden. Wenn Ihr sie von dieser Pein befreien könntet, würden sie Euch als ergebene Diener bis an ihr Lebensende verpflichtet sein!“
Der König strich sich durch seine goldene, wallende Mähne und überlegte. Dann antwortete er seinem Minister: „Du sagst, die Wölfe fressen die Esel, und wir sollen dies’ verhindern. Doch ist es nicht so, dass auch wir regelmäßig, wenn wir Hunger haben, eines unserer Schafe töten und verzehren? Und bist es nicht du, mein lieber Minister, der am liebsten Lammfleisch von den allerjüngsten genießt?“
„Wohl ist es so, Eure Majestät“, sagte darauf der Fuchs, „doch vergesst nicht, dass die Wölfe, wenn sie einmal keine Esel mehr haben, nicht davor zurückschrecken werden, sich an unseren Schafen zu bedienen. Und der Hunger der Wölfe ist grenzenlos, o Majestät!“
„Du willst also, dass ich alle Schafe zusammentrommeln lasse und sie gegen die Wölfe in den Krieg ziehen lasse! Ist es das, was du willst?“, entgegnete erzürnt der Löwe, und seine Mähne bebte.
„O gutmütige Majestät“, sagte darauf der Fuchs, „ich verstehe wohl, dass ein König, der sein Volk so sehr liebt wie Ihr das Eure, nur ungern seine braven Diener in den Krieg schickt. Doch vergesst nicht, dass, wenn die Wölfe erst über unsere Herden hergefallen sind, es zu spät ist, sich zu wehren. Und wenn unsere Schafe alle tot sind, wovon sollen wir dann leben? Und vor allem, was sollen wir dann essen? Dann wird es nie mehr Fleisch geben, nie mehr Hammelbraten, den Ihr doch so liebt, oder etwa nicht, Eure Majestät?“
Der König wurde nachdenklich. „Aber die Wölfe haben uns doch noch gar nichts getan! Wie können wir sie bereits vorher für das bestrafen, was sie noch nicht einmal getan haben?“, merkte er in fragendem Ton an.
„Eure Majestät!“, begann da der Fuchs mit lauter Stimme. „Wollt ihr etwa warten, bis sie uns Schaden zufügen? Liebt Ihr Euer Volk nicht so, dass Ihr es vor jedem Schaden bewahren wollt? Dann schickt Eure Truppen ins Land der Wölfe und befreit Euer Land von dieser teuflischen Bedrohung!“
Da sprach der König: „Du hast recht gesprochen. Wie du sagst, so soll es sein. Lasst die Truppen zusammentrommeln!“
Und der König, der zwar sehr mächtig, jedoch nicht sehr klug war, schickte noch am selben Tag Herolde in das ganze Land aus, um so schnell wie möglich seine Truppen gegen die Wölfe marschieren lassen zu können.
Und schon wenige Tage später überfiel das Heer der Schafe die ahnungslosen Wölfe. Sie mordeten wahllos alle Wölfe, egal ob Rüden, Feen oder Welpen und hinterließen ein unvergleichliches Blutbad. Nur wenige nahmen sie als Gefangene mit nach Hause, um sie dort in Käfigen an öffentlichen Plätzen auszustellen, zu foltern und schließlich an Erschöpfung verenden zu lassen, und noch weniger entkamen in die nahen Berge, wo sie fortan, mit teuflischem Groll in ihren glühenden Herzen, auf Rache sannen.

Als nun der Wille des Königs vollendet war, kamen als erstes die Esel zu den Schafen und dankten ihnen für ihre Befreiung. Danach kamen die Minister des Königs, die Füchse, in das befriedete Land, lobten die Schafe für ihre treuen Dienste, ihren Mut, ihre Tapferkeit und erklärten sie zu Helden des Vaterlandes. Dann ließen sie sie zurück zu ihren Familien kehren und das Land der Wölfe verlassen. Als nun das letzte Schaf das Land verlassen hatte, beschlossen die Esel zum Dank für ihre Befreiung gemeinsam zum Hofe des Königs zu ziehen und ihm persönlich für ihre Befreiung zu danken. Doch als sie sich gerade zu einer Herde zusammengefunden hatten, sprangen die Füchse mit glühenden Augen und lechzenden Mäulern in ihre Mitte und fraßen sie alle mit Haut und Haaren auf.
 

Agamemnon

Mitglied
Der Löwe und die Wölfe

Eines schönen Tages, als sich die Füchse, die Minister des Löwen, der über das Volk der Schafe herrschte, rund um ihren König versammelt hatten und mit ihm gemeinsam Mahl hielten, sagte einer von ihnen: „O, Eure herrliche Majestät! Darf ich Euch als Euer ergebener Diener einen bescheidenen Ratschlag geben?“
Denn so pflegten die Minister immer ihren König anzusprechen, wenn Sie ihm etwas mitzuteilen hatten. Darauf antwortete der König mit erhabener Miene: „So spreche er!“
Der Fuchs begann: „Majestät, Ihr habt doch sicher schon von dem Land gehört, in dem die Wölfe regieren? Diese herrschen dort über eine Schar von Eseln, die sich in ihrer Verzweiflung an uns und vor allem an Euch, Eure erhabenen Majestät, gewandt haben. Die Wölfe, da sie ja Fleischfresser sind, fressen in regelmäßigen Abständen einen von ihnen, und die Esel müssen daher in dauernder Furcht und Angst leben, ein Mahl der Wölfe zu werden. Wenn Ihr sie von dieser Pein befreien könntet, würden sie Euch als ergebene Diener bis an ihr Lebensende verpflichtet sein!“
Der König strich sich durch seine goldene, wallende Mähne und überlegte. Dann antwortete er seinem Minister: „Du sagst, die Wölfe fressen die Esel, und wir sollen dies’ verhindern. Doch ist es nicht so, dass auch wir regelmäßig, wenn wir Hunger haben, eines unserer Schafe töten und verzehren? Und bist es nicht du, mein lieber Minister, der am liebsten Lammfleisch von den allerjüngsten genießt?“
„Wohl ist es so, Eure Majestät“, sagte darauf der Fuchs, „doch vergesst nicht, dass die Wölfe, wenn sie einmal keine Esel mehr haben, nicht davor zurückschrecken werden, sich an unseren Schafen zu bedienen. Und der Hunger der Wölfe ist grenzenlos, o Majestät!“
„Du willst also, dass ich alle Schafe zusammentrommeln lasse und sie gegen die Wölfe in den Krieg ziehen lasse! Ist es das, was du willst?“, entgegnete erzürnt der Löwe, und seine Mähne bebte.
„O gutmütige Majestät“, sagte darauf der Fuchs, „ich verstehe wohl, dass ein König, der sein Volk so sehr liebt wie Ihr das Eure, nur ungern seine braven Diener in den Krieg schickt. Doch vergesst nicht, dass, wenn die Wölfe erst über unsere Herden hergefallen sind, es zu spät ist, sich zu wehren. Und wenn unsere Schafe alle tot sind, wovon sollen wir dann leben? Und vor allem, was sollen wir dann essen? Dann wird es nie mehr Fleisch geben, nie mehr Hammelbraten, den Ihr doch so liebt, oder etwa nicht, Eure Majestät?“
Der König wurde nachdenklich. „Aber die Wölfe haben uns doch noch gar nichts getan! Wie können wir sie bereits vorher für das bestrafen, was sie noch nicht einmal getan haben?“, merkte er in fragendem Ton an.
„Eure Majestät!“, begann da der Fuchs mit lauter Stimme. „Wollt ihr etwa warten, bis sie uns Schaden zufügen? Liebt Ihr Euer Volk nicht so, dass Ihr es vor jedem Schaden bewahren wollt? Dann schickt Eure Truppen ins Land der Wölfe und befreit Euer Land von dieser teuflischen Bedrohung!“
Da sprach der König: „Du hast recht gesprochen. Wie du sagst, so soll es sein. Lasst die Truppen zusammentrommeln!“

Und der König, der zwar sehr mächtig, jedoch nicht sehr klug war, schickte noch am selben Tag Herolde in das ganze Land aus, um so schnell wie möglich seine Truppen gegen die Wölfe marschieren lassen zu können.
Und schon wenige Tage später überfiel das Heer der Schafe die ahnungslosen Wölfe. Sie mordeten wahllos alle Wölfe, egal ob Rüden, Feen oder Welpen und hinterließen ein unvergleichliches Blutbad. Nur wenige nahmen sie als Gefangene mit nach Hause, um sie dort in Käfigen an öffentlichen Plätzen auszustellen, zu foltern und schließlich an Erschöpfung verenden zu lassen, und noch weniger entkamen in die nahen Berge, wo sie fortan, mit teuflischem Groll in ihren glühenden Herzen, auf Rache sannen.

Als nun der Wille des Königs vollendet war, kamen als erstes die Esel zu den Schafen und dankten ihnen für ihre Befreiung. Danach kamen die Minister des Königs, die Füchse, in das befriedete Land, lobten die Schafe für ihre treuen Dienste, ihren Mut, ihre Tapferkeit und erklärten sie zu Helden des Vaterlandes. Dann ließen sie sie zurück zu ihren Familien kehren und das Land der Wölfe verlassen. Als nun das letzte Schaf das Land verlassen hatte, beschlossen die Esel zum Dank für ihre Befreiung gemeinsam zum Hofe des Königs zu ziehen und ihm persönlich für ihre Befreiung zu danken. Doch als sie sich gerade zu einer Herde zusammengefunden hatten, sprangen die Füchse mit glühenden Augen und lechzenden Mäulern in ihre Mitte und fraßen sie alle mit Haut und Haaren auf.
 

Agamemnon

Mitglied
Der Löwe und die Wölfe

Eines schönen Tages, als sich die Füchse, die Minister des Löwen, der über das Volk der Schafe herrschte, rund um ihren König versammelt hatten und mit ihm gemeinsam Mahl hielten, sagte einer von ihnen: „O, Eure herrliche Majestät! Darf ich Euch als Euer ergebener Diener einen bescheidenen Ratschlag geben?“
Denn so pflegten die Minister immer ihren König anzusprechen, wenn Sie ihm etwas mitzuteilen hatten. Darauf antwortete der König mit erhabener Miene: „So spreche er!“
Der Fuchs begann: „Majestät, Ihr habt doch sicher schon von dem Land gehört, in dem die Wölfe regieren? Diese herrschen dort über eine Schar von Eseln, die sich in ihrer Verzweiflung an uns und vor allem an Euch, Eure erhabenen Majestät, gewandt haben. Die Wölfe, da sie ja Fleischfresser sind, fressen in regelmäßigen Abständen einen von ihnen, und die Esel müssen daher in dauernder Furcht und Angst leben, ein Mahl der Wölfe zu werden. Wenn Ihr sie von dieser Pein befreien könntet, würden sie Euch als ergebene Diener bis an ihr Lebensende verpflichtet sein!“
Der König strich sich durch seine goldene, wallende Mähne und überlegte. Dann antwortete er seinem Minister: „Du sagst, die Wölfe fressen die Esel, und wir sollen dies’ verhindern. Doch ist es nicht so, dass auch wir regelmäßig, wenn wir Hunger haben, eines unserer Schafe töten und verzehren? Und bist es nicht du, mein lieber Minister, der am liebsten Lammfleisch von den allerjüngsten genießt?“
„Wohl ist es so, Eure Majestät“, sagte darauf der Fuchs, „doch vergesst nicht, dass die Wölfe, wenn sie einmal keine Esel mehr haben, nicht davor zurückschrecken werden, sich an unseren Schafen zu bedienen. Und der Hunger der Wölfe ist grenzenlos, o Majestät!“
„Du willst also, dass ich alle Schafe zusammentrommeln lasse und sie gegen die Wölfe in den Krieg ziehen lasse! Ist es das, was du willst?“, entgegnete erzürnt der Löwe, und seine Mähne bebte.
„O gutmütige Majestät“, sagte darauf der Fuchs, „ich verstehe wohl, dass ein König, der sein Volk so sehr liebt wie Ihr das Eure, nur ungern seine braven Diener in den Krieg schickt. Doch vergesst nicht, dass, wenn die Wölfe erst über unsere Herden hergefallen sind, es zu spät ist, sich zu wehren. Und wenn unsere Schafe alle tot sind, wovon sollen wir dann leben? Dann wird es nie mehr Fleisch geben, nie mehr Hammelbraten, den Ihr doch so liebt, oder etwa nicht, Eure Majestät?“
Der König wurde nachdenklich. „Aber die Wölfe haben uns doch noch gar nichts getan! Wie können wir sie bereits vorher für das bestrafen, was sie noch nicht einmal getan haben?“, merkte er in fragendem Ton an.
„Eure Majestät!“, begann da der Fuchs mit lauter Stimme. „Wollt ihr etwa warten, bis sie uns Schaden zufügen? Liebt Ihr Euer Volk nicht so, dass Ihr es vor jedem Schaden bewahren wollt? Dann schickt Eure Truppen ins Land der Wölfe und befreit Euer Land von dieser teuflischen Bedrohung!“
Da sprach der König: „Du hast recht gesprochen. Wie du sagst, so soll es sein. Lasst die Truppen zusammentrommeln!“

Und der König, der zwar sehr mächtig, jedoch nicht sehr klug war, schickte noch am selben Tag Herolde in das ganze Land aus, um so schnell wie möglich seine Truppen gegen die Wölfe marschieren lassen zu können.
Und schon wenige Tage später überfiel das Heer der Schafe die ahnungslosen Wölfe. Sie mordeten wahllos alle Wölfe, egal ob Rüden, Feen oder Welpen und hinterließen ein unvergleichliches Blutbad. Nur wenige nahmen sie als Gefangene mit nach Hause, um sie dort in Käfigen an öffentlichen Plätzen auszustellen, zu foltern und schließlich an Erschöpfung verenden zu lassen, und noch weniger entkamen in die nahen Berge, wo sie fortan, mit teuflischem Groll in ihren glühenden Herzen, auf Rache sannen.

Als nun der Wille des Königs vollendet war, kamen als erstes die Esel zu den Schafen und dankten ihnen für ihre Befreiung. Danach kamen die Minister des Königs, die Füchse, in das befriedete Land, lobten die Schafe für ihre treuen Dienste, ihren Mut, ihre Tapferkeit und erklärten sie zu Helden des Vaterlandes. Dann ließen sie sie zurück zu ihren Familien kehren und das Land der Wölfe verlassen. Als nun das letzte Schaf das Land verlassen hatte, beschlossen die Esel zum Dank für ihre Befreiung gemeinsam zum Hofe des Königs zu ziehen und ihm persönlich für ihre Befreiung zu danken. Doch als sie sich gerade zu einer Herde zusammengefunden hatten, sprangen die Füchse mit glühenden Augen und lechzenden Mäulern in ihre Mitte und fraßen sie alle mit Haut und Haaren auf.
 

Agamemnon

Mitglied
Liebe Jon!

Vielen Dank für Deine Anmerkungen! Das hat mir auf jeden Fall sehr weitergeholfen! Ich habe meinen Text bereits dahingehend überarbeitet. Es ist wirklich sehr hilfreich, wenn einmal jemand anderer ein Auge auf den eigenen Text wirft, denn selbst leidet man nach dem hundertsten Durchlesen oft schon an einer gewissen „Textblindheit“.

Hinsichtlich der Formatierung muss ich mich insofern entschuldigen, da dies mein erster Text ist, den ich hier gepostet habe und ich daher mit der idealen Darstellung noch nicht ganz vertraut war. Ich habe jetzt v.a. beim Dialogteil immer einen Absatz nach jedem Sprecher eingefügt, und siehe da: der gesamte Text ist tatsächlich viel leichter lesbar... :)

Zu Deinem Hinweis zu Absätzen mit oder ohne Leerzeilen: Die beiden Absätze mit Leerzeilen habe ich absichtlich so gesetzt, da es sich hier meiner Meinung nach um größere Zäsuren im Textfluss handelt und dies durch einen Absatz mit Leerzeile auch sichtbar gemacht werden soll.

Abschließend noch zu den Füchsen, die Esel fressen: diese Verfremdung ist durchaus gewollt und ist eigentlich im Vergleich zu den ebenso vorkommenden Schafen, die Wölfe töten, relativ gering :) Damit sollen herkömmliche Denkkategorien und -muster aufgebrochen und hinterfragt werden (z.B. wer/was ist gut, wer/was ist böse, etc.). Wenn man davon ausgeht, dass jede Fabel eine Moral hat, dann ist das vielleicht die Moral dieser Fabel.

Vielen Dank nochmal für Deine Anmerkungen,

LG Agamemnon
 

steyrer

Mitglied
Schafe und Esel

Hallo Agamemnon. Deine Fabel sieht schon mal recht gründlich ausgearbeitet aus. Eine Frage hätte ich allerdings zu den Schafen und den Eseln: geht es dir nur um die sprichwörtliche Dummheit dieser Tiere, oder kommen hier noch andere Charaktereigenschaften ins Spiel?

steyrer
 

steyrer

Mitglied
Noch eine Frage

Dass sehr viele Schafe sehr wenige Wölfe töten, halte ich persönlich für leicht nachvollziehbar. Dass allerdings sehr wenige Füchse sehr viele Esel töten, ist schon schwerer vorstellbar. Verfremdung hin oder her. Wie machen sie das und vor allem: warum?

steyrer
 

Agamemnon

Mitglied
Schafe und Esel - erste Frage

Lieber steyrer!

Vielen Dank für Deine sehr interessanten Fragen!

Zu Frage Nummer eins:

Die Schafe habe ich hauptsächlich deswegen gewählt, da sie Tiere sind, die in der Herde agieren und sich normalerweise leicht von einem anderen Tier beherrschen lassen und diesem bereitwillig folgen (Hirtenhund…). Aber auch die von Dir erwähnte Tatsache, dass sie nicht gerade für ihre Intelligenz bekannt sind, hat eine Rolle gespielt. Für die Wahl der Esel war diese Eigenschaft sicher der wichtigste Punkt.

Für beide gilt übrigens, dass sie in ihrer jeweiligen Konstellation die „Beherrschten“ sind; beide werden von den Herrschenden (Löwe und Füchse bzw. Wölfe) ausgebeutet (gefressen), beide hinterfragen dieses Machtgefüge jedoch nicht (bis auf die Esel in der vorliegenden Geschichte, die allerdings mit ihrem Hilfegesuch vom Regen in die Traufe kommen – vgl. die bekannte Fabel mit den Fröschen und der Wasserschlange…).
 

Agamemnon

Mitglied
Zweite Frage

Zu Deiner zweiten Frage:

Im Vergleich Schafe und Wölfe ging es mir tatsächlich um eine möglichst extreme Verfremdung, in diesem Fall gar die Umkehr der in unsere Kulturgeschichte üblichen Perzeption. Dies war mir vor allem deswegen wichtig, weil ich die Lesenden dazu auffordern wollte, ihre Wahrnehmung von Gut und Böse zu hinterfragen: ist der, der bis jetzt immer Böse war, wirklich der Böse, und ist der, der immer der Gute war, wirklich der Gute? Ist die Kategorisierung in Gut und Böse fließend? Ist die Kategorisierung in Gut und Böse überhaupt zulässig? Die Beziehung Wolf-Schaf mit Ihrer klar determinierten Konnotation schien mir dazu äußerst geeignet.

Bei den Füchsen und Eseln wird diese ganze Verfremdung auf die Spitze getrieben, denn dies ist, wie Du richtig anmerkst, nur mehr sehr schwer vorstellbar (aber ehrlich: ich selbst finde auch, dass Schafe Wölfe im großen Stil töten ebenso schon relativ unwahrscheinlich ist). Es geht mir hier aber gerade nicht darum, dass etwas passiert, das vorstellbar ist, sondern dass etwas passiert, das bis jetzt nicht vorstellbar schien. Die Wahl der Tiere Esel und Fuchs unterstreicht hier einfach den unvorhersehbaren Gang der Geschichte, dass die vermeintlichen Retter plötzlich zu Schlächtern werden. Gerade, dass es unseren kultur- als auch naturwissenschaftlichen Kenntnissen von Eseln und Füchsen widerspricht, ist für mich hier der Reiz, der die Lesenden dazu anregen soll, zu überdenken, ob nicht wirklich auch Dinge eintreten könnten, die man auf Basis der bisherigen eigenen Erfahrungen bzw. dem eigenen Wissen für nicht möglich hielt. Dies bezieht sich wie in meiner Fabel vor allem auf die Konstruktion Herrschender (in diesem Fall Füchse) und Beherrschter (Esel).

Um diesen Punkt abzuschließen: Mir geht es in meiner Fabel bewusst nicht darum, die reale Welt und was in dieser möglich ist abzubilden, was ja eine Fabel ohnehin nicht tut - denn in einer realen Welt gibt es ja auch keine sprechenden Tiere. Ich habe die surreale Welt der Fabel lediglich um den Aspekt erweitert, dass sich bei mir auch die jeweiligen Tiere nicht ausschließlich in den starren Mustern der ihnen zugeschriebenen Eigenschaften bewegen, wie dies in klassischen Fabeln der Fall ist.

Die Frage, warum die Füchse das machen, soll bewusst offen gelassen werden und steht der persönlichen Interpretation des Lesenden offen - aber sie ist aus meiner Sicht sicher eine der zentralen Fragen des Textes. Die Antwort wird, wie bei vielen „Warum-Fragen“ wohl eine vielschichtige und uneindeutige sein (wenn ich nur die heutige Tageszeitung aufschlage und sehe, was in der Welt passiert, kann ich mir mindestens bei jedem zweiten Artikel die „Warum-Frage“ stellen und werde dabei eine Unmenge unterschiedlichster – und höchstwahrscheinlich relativ unbefriedigender – Antworten bekommen).

Vielen Dank für Deine sehr interessanten Fragen! Ich hoffe, ich konnte Dir einigermaßen eine plausible Antwort geben oder zumindest erklären, wie ich als Autor dazu gekommen bin. Wenn es noch weiteren Diskussionsbedarf gibt – jederzeit gerne!

Beste Grüße

agamemnon
 

steyrer

Mitglied
Hallo Agamemnon.

Deiner Begründung, weshalb es nun Schafe und Esel sind, schließe ich mich an, ebenso Deinen Ausführungen zu den Machtverhältnissen. Nun aber zu den schwierigen Angelegenheiten: Ein Esel ist, zumindest in einer klassischen Fabel, der Unterlegene, wenn er es mit einem Löwen, Wolf oder Fuchs zu tun bekommt. Das ist nichts Ungewöhnliches.

Warum wundere ich mich nicht über die Wölfe mordenden Schafe? Ganz einfach: Die Schilderung bezieht sich deutlich auf das Motiv eines Schafe tötenden Wolfes. Es ist lediglich die Umkehrung davon, so wie sich jedes Motiv glaubhaft umkehren lässt. Etwas Buntes nebenbei: Es gibt eine recht bekannte Sokol-Karikatur von 1990, in der ein ungarischer Hirte eine Horde Widder auf einen kommunistischen Wolf hetzt (Sokol Auslese, J&V 1993).

Das brutale Ende mit den eselfressenden Füchsen empfinde ich grundsätzlich eindrucksvoll. Du legst mir als Leser mit dem ungeklärten „Wie“ und „Warum“ allerdings gleich zwei Stolpersteine hintereinander in den Weg. Ich denke, einer reicht um die Geschichte dauerhaft in Erinnerung zu behalten.

Schöne Grüße
steyrer
 

Agamemnon

Mitglied
Hallo steyrer!

Vorab erstmal: vielen Dank für die eingehende Beschäftigung mit meinem Text und für Deine anregende Kritik! Durch Deine Ausführungen habe ich nun selbst einen differenzierteren Blick auf meinen eigenen Text bekommen: mir ist nun klar, was Du mit den zwei Stolpersteinen meinst, und ich erkenne nun auch selbst, dass das wohl tatsächlich einer zu viel ist...

Allerdings stellt sich jetzt für mich die Frage: was kann ich nun konkret am Text ändern? Die Füchse will und kann ich auf keinen Fall austauschen – schließlich brauche ich sie im Verhältnis zum König (Löwe) als (listige und schlaue) Gegenspieler. Eine andere Lösung für die „Wie“-Frage, außer die Füchse durch Tiere, deren Eselfressen plausibler wäre, fällt mir spontan auch nicht ein. Und zur „Warum“-Frage: irgendwie ist doch der Reiz des Textes und vor allem des Schlusses auch der, dass diese „Warum“-Frage offen und dem Lesenden überlassen bleibt, oder? Aber vielleicht bedarf es hier noch einer weiteren Ausführung? Ich werd versuchen, mir auf jeden Fall dahingehend noch etwas zu überlegen – vielen vielen Dank für Deine diesbezüglichen Anregungen!

Beste Grüße

Agamemnon

PS: Danke für den Verweis auf die Karikatur von Erich Sokol – mir ist diese leider nicht bekannt. Ich hab versucht sie zu googeln, aber leider nichts gefunden; mal sehen, ich werde morgen nochmal eingehender recherchieren… Oder hast du vielleicht zufällig einen Link?
 

steyrer

Mitglied
Nun, meiner Meinung nach ist eine Umbesetzung nicht nötig, denn die Füchse handeln doch, wie alle Tiere in Fabeln, wie Menschen. Sie könnten also Waffen mitbringen oder die Esel in eine Schlucht stürzen oder sie irgendwo einsperren und verbrennen etc.

Und zur „Warum“-Frage: irgendwie ist doch der Reiz des Textes und vor allem des Schlusses auch der, dass diese „Warum“-Frage offen und dem Lesenden überlassen bleibt, oder?
Dem stimme ich zu. Wenn erst die „Wie“-Frage geklärt ist, ist es reizvoll die „Warum“-Frage offenzulassen, damit der Leser selbst weiterdenkt. Der Autor sollte m. E. dennoch den genauen Grund kennen. Es darf unbegreiflich aussehen, aber es darf nicht unbegreiflich sein. ;)


PS: Danke für den Verweis auf die Karikatur von Erich Sokol – mir ist diese leider nicht bekannt. Ich hab versucht sie zu googeln, aber leider nichts gefunden; mal sehen, ich werde morgen nochmal eingehender recherchieren… Oder hast du vielleicht zufällig einen Link?
Im Internet gibts von Sokol eine winzige Auswahl politischer Karikaturen, ein paar recht liebevoll gemalte Prominentenporträts und einen gewaltigen Haufen Playboybilder. Ich habe ja schon den Titel angegeben, aber noch mal genauer: Sokol-Auslese. Jugend und Volk; Auflage: 1 (1993) ISBN 3-224-10771-5. Es ist die achte Bildtafel unter dem Abschnitt Weltpolitik. Den Band gibts gebraucht auf Amazon. Es sind zwar auch viele alte österreichische G’schichteln drinnen, aber wenns Dich wirklich interessiert …


Schöne Grüße
steyrer
 

Agamemnon

Mitglied
Hallo steyrer,

bitte entschuldige die verspätete Rückmeldung, aber ich hatte momentan viel zu tun und musste außerdem eingehend über Deine Anregungen nachdenken. Dein Tipp, zuerst die „Wie“-Frage zu klären, um dann die „Warum“-Frage offen zu lassen, scheint mir sehr klug. Allerdings weiß ich noch absolut nicht, wie ich das umsetzen kann; aber ich zerbrech mir schon darüber den Kopf… Ich hoff ich komm auf eine Lösung – aber auf jeden Fall vielen Dank für Deine tollen Anregungen!

Beste Grüße
Agamemnon
 



 
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