Der Lottogewinner

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rabi

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Der Lottogewinner

Das Video könnte ich mir immer wieder ansehen. Dieses Video von der Ziehung der Lottozahlen an jenem Samstag im August vor acht Jahren. Rein zufällig hatte ich an jenem Abend nicht nur den Fernseher eingeschaltet, sondern auch die Videokamera aufgebaut. Ich wollte einfach mal die Atmosphäre bei mir zu Hause während der Ziehung der Lottozahlen einfangen. Einfach mal zeigen, wie das ist: Erst die Hoffnung, die Erwartung, dann die Spannung, und ganz am Ende: wieder nichts gewonnen, hoffen auf das nächste Wochenende. Doch es sollte anders kommen:

Das Video beginnt damit, dass ich meinen Lottoschein mit den 6 Zahlen in Großaufnahme zeige, dann sieht man mich, so wie Millionen anderer gespannt vorm TV hockend, wie ich diese Zahlen noch einmal laut vorlese. Als nächstes schalte ich den Fernseher ein. Da ist auch schon Frau Tietze-Ludwig, wie sie gerade den Jackpot über 20 Millionen Mark ankündigt. Und dann beginnt das Procedere der Ziehung.

Doch es läuft nicht wie üblich: Die ersten drei Zahlen sind schon mal richtig. Also schon mal zwanzig Mark gewonnen, und die Spannung steigt. Jetzt geht’s erst richtig los. Auch die vierte Zahl ist richtig. Das ist schon mal ein Hunni. Sollte da etwa mehr drin sein? Jetzt und heute? Die nächsten Minuten können die entscheidendsten meines ganzen Lebens werden. Bleibt es bei hundert Mark, oder etwa....

Der Puls steigt. Die Zahlen-Misch-Maschine wirbelt die Kugeln durcheinander. Ich wusste gar nicht, dass das immer sooo lange dauert. War mir sonst nie aufgefallen. Nur noch die 40 und die 27 müssen gezogen werden. So einfach ist das. So nah ist die Million und doch so fern.

Und dann greift dieser metallene Arm wieder zu. Wie von Geisterhand gesteuert greift er sich die Kugeln. Gespannt starre ich auf den Bildschirm. Dann fällt die Kugel. Es ist die 40. Jaa, fünf Richtige sind’s schon mal. Wieviel gibt es da? Fünftausend Mark? Vielleicht auch zehntausend?

Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Noch eine Zahl fehlt. Ich hab die 27 getippt. An einem 27sten hatte ich damals meine Freundin kennen gelernt. Wird mir diese Zahl jetzt Glück bringen? Wieder dreht sich die Trommel. „Komm schon, Baby, die 27“. Ich wage kaum zu atmen. Nervös spiele ich mit dem Lottoschein. Nur noch wenige Sekunden. Warum geht das nicht schneller? Muss man denn jedes Mal erneut mischen, mein Gott?

Wieder greift dieser mechanische Arm in die Trommel, die Zahlen rollen auf den Bügel. Welches ist die erste? Ist es die siebenundzwanzig???? Ich kann sie nicht erkennen. Zoomen !! Der Atem stock.
Dann fällt die Zahl. Großaufnahme. Es ist die... Siebenundzwanzig !!!

Ein Freudenschrei (ich sehe mir gerade noch mal das Video von damals an). Eine Million Mark muss es mindestens geben. Die ist schon mal im Sack. Denke ich jedenfalls.

Dann die Ziehung der Zusatzzahl (es ist die 18 – aber jetzt nicht so wichtig für mich).

Tietze-Ludwig meldet sich wieder zu Wort. „Wer jetzt 6 Richtige hat, kann mit der Superzahl den Jackpot von 22,5 Millionen Mark knacken...“ Die Chance steht eins zu zehn. Ich sehe auf den Schein. Die Superzahl ist die letzte Ziffer, bei mir die 3. Nur noch die 3 muss gezogen werden. Mon Dieu, c’est incroyable. Über zwanzig Millionen Mark im Jackpot.

Und ich sitze jetzt hier, irgendwo in einem deutschen Wohnzimmer. Hinter mir surrt die Videokamera. Wieder dreht sich die Trommel, diesmal mit den blauen Kugeln für die Superzahl. Der Arm greift sich eine Kugel. Sie fällt. Die Fernsehkamera zoomt auf die Kugel. Es ist die DREI !!!
Dann sieht man mich nur noch, wie ich die Arme hochreiße, und dann so etwas murmel wie „Ich kann es nicht glauben...“

. === Ende der Geschichte ===
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Der guten Ordnung halber möchte ich hier nur noch erwähnen, dass das Video wirklich so existiert, wie ich es geschildert habe. Es handelt sich dabei jedoch um eine Trickaufnahme. Die 22 Millionen hat jemand anderer gewonnen, aber leider nicht rabi. Ich bitte deshalb von Anfragen abzusehen.
 

Mäuschen

Mitglied
Servus rabi,

Also warum diese Kurzgeschichte noch niemand kommentiert oder bewertet hat, ist mir wirklich schleierhaft. Noch dazu, dass du die meisten Aufrufe aller Kurzgeschichten auf der leselupe momentan hast ^^

Finde die Idee dahinter klasse, gut geschrieben ist die Geschichte noch dazu. Hab selbst mitgefiebert ^^ Warum es mittendrin plötzlich Französisch wird ("Mon Dieu, c’est incroyable.") kann ich zwar nicht ganz nachvollziehen (wenn ich aufgeregt wäre, würde ich nicht mit Fremdsprachen anfangen, sondern vielmehr immer die gleichen Wörter wiederholen), aber das mindert die Qualität nur geringfügig bis gar nicht.

Schöne Geschichte - auch nach diesen vielen Jahren ^^

Liebe Grüße,
Christine
 



 
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