Der Notschalter

Inge Anna

Mitglied
Der Notschalter

"Ab heute müssen wir einfach kürzer treten, den Gürtel enger schnallen, wenn's auch schwerfällt, Hedwig. Ach - und Deine so großspurig geplante Geburtstagsfete mußt Du wohl oder übel abblasen. Derartige Kostenbrummer würden uns zweifellos vollends ruinieren!" "Das kann unmöglich Dein Ernst sein! Ich habe bereits 40 Leute eingeladen. was werden die von uns denken, wenn wir Hals über Kopf die Sache platzen lassen?" "Das kümmert mich herzlich wenig; es war schließlich nicht meine Idee, den großen Max herauszukehren. Bügle Du also Deine Voreiligkeit schnellstens aus und gib acht, daß da nichts knittert." "Du hast gut reden; Blamage pur. Eine solche Demütigung stehe ich nicht durch!" "Unsinn; es gibt schlimmeres auf Erden, als diese nichtsnutzige Verwandtschaft abzuschütteln. Mag sie sich am eig'nen Tisch vollstopfen. - - Und noch etwas - - auf das ohnehin verächtliche Getratsche hinterm Rücken kann ich leicht verzichten. Also, halte uns mit einer einigermaßen glaubwürdigen Ausrede die lästige Sippschaft von der Pelle!" "Nein, Hermann, da spiele ich nicht mit; die Feier findet statt. - - Sprich doch mal mit Deiner Bank. Laß Dir 'nen Kredit einräumen. Du hast doch erst vor kurzem in höchsten Tönen die Großzügigkeit Deines Kreditinstitutes gepriesen. Außerdem ist Pumpen heutzutage keine Schande mehr. Schulden gehören für moderne Menschen gewissermaßen zum guten Ton." "Ganz so einfach liegen die Dinge nicht, mein Schmuckstück. Wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, stellt sich jede Bank quer und ich - - ja ich bin seit vorgestern ohne Job." "Und das erfahre ich erst heute von Dir? Wie hast Du das denn geschafft?" "Zuviel krank gefeiert; dem Chef einiges serviert, was dieser offenbar nicht schlucken konnte." "Such' Dir was Neues. Du bist doch auf diese Banausen nicht angewiesen." "Danke für Deine warme Anteilnahme! Ich werde mich bemühen, dem Staat nicht lange auf der Tasche zu liegen - - und nun leg' Deine Fete auf Eis und bring' mir ein Bier!"
"Du, Hermann, ich hätte da einen genialen Vorschlag. Wie wär's, wenn wir Deinem dick betuchten Brüderlein ein bißchen um den Bart gingen. Dem tut es gewiß nicht weh, für uns ein paar Scheinchen locker zu machen?" "Wie Du daherredest. Hans ist Dir doch ansonsten rundum zuwider, doch als Notschalter soll er allemal aktiv sein. Wende Dich doch mal in die andere Richtung, an Deinen Vetter Holger zum Beispiel, der den prallen Geldsack hütet wie seinen Augapfel. Ich glaube, der wird eines Tages noch an seinem Geiz ersticken." "Laß diese Gehässigkeiten! Holger hat für all dies hart gearbeitet, während meinem Herrn Schwager der Reichtum sozusagen über Nacht zufloß." "Hans hat nun dafür zu sorgen, daß Du glänzen kannst." "Warum nicht; Du weißt doch selbst, daß sich Hänschen in Krisenzeiten als zuverlässiger Notschalter stets bestens bewährt hat." "Dein Jubelfest ist rausgeschmiss'nes Geld, das wir nicht einmal haben. Hast Du eigentlich gar keinen Stolz? Hans hat ein weiches Herz und daraus wird künftig kein Kapital mehr geschlagen und jetzt gib endlich Ruhe. Mein Bier hole ich mir selber." "Nicht arbeiten, aber saufen! Dem wird kein Riegel vorgeschoben. Nur zu, Dein Vergnügen hat Vorrang!" "Telefon, Hedwig! Sicher wieder eine von diesen Kaffeeklatschbasen." "Ich geh' ja schon. Könnte aber auch jemand für Dich sein." "Kaum; um diese Zeit rufen entweder Klara, Iris oder Elsbeth an, die ihre Langeweile totschlagen müssen. Laß sie um Himmelswillen nicht warten!

Hedwig begibt sich in den Hausflur, wo sich der Apparat befindet. Das Gespräch wird sehr leise geführt.

Hermann schüttet unterdessen gierig eine Flasche Bier in sich hinein. Hedwig kommt ins Wohnzimmer zurück. Ihr Gesicht ist kreidebleich.

"Was ist denn los? Wird Elsbeth sich jetzt endlich von ihrem Querkopf scheiden lassen oder hat Iris ihre Schlankheitskur abgesetzt? - - Wahrscheinlich hat Klärchen immer noch nicht den Doktor gefunden, der ihre Faulheit als Berufsunfähigkeit bescheinigt - - oder wo drückt der Schuh? Aber Du bist ja käseweiß!" "Es war Ina. - - Hans hatte einen Autounfall. - - Der Wagen ist ein Schrotthaufen. Hänschen hat glücklicherweise nur ein paar Knochenbrüche davongetragen." "Sicher hatte mein Bruderherz wieder mal ein Höllentempo drauf. Ich fahre sofort zu ihm ins Krankenhaus. Hoffentlich gab es da wirklich keine inneren Verletzungen?" "Natürlich nicht. Dein Brüderchen war schon immer ein Glückspilz. Besuch wird ihm gut tun. - - Übrigens, bei der Gelegenheit könntest Du doch mal ganz sacht an seine Geldbörse klopfen und unsere brenzlige Finanzlage anklingen lassen. Die Erleichterung darüber, daß alles für ihn so glimpflich ablief, wird hierbei ganz bestimmt kein Nachteil sein!" "Ich soll ihn am Krankenlager um Kohle anbetteln?" "Du mußt ja nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen; - - aber wäre seine Genesung nicht geradezu ein Grund zum Feiern?" "Du meinst, mit einer Vitaminspritze von seinem Konto? - - Weshalb eigentlich nicht. Hans hatte einen brauchbaren Schutzengel und das ist in der Tat einen größeren festlichen Aufwand Wert."
"Siehst Du, Wir harmonieren wieder prächtig, mein Lieber. Hans ist niemals kleinlich gewesen und wird auch diesmal als hilfreicher Notschalter funktionieren. - - Schwer vorstellbar, wenn es einen Kurzschluß gegeben hätte."
 



 
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