Der Pflanzenfreund

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Axen

Mitglied
Von Wanzleben liebte die Theatralik. Die großen Gesten, die große, fast schwulstige Rhetorik, das Suhlen in Kitsch und Leidenschaft. Von Wanzleben war so - ein selbsternannter Beau, ein fremddefinierter Popanz. So ist es oft - man träumt man sei ein Schmetterling und ist doch nur ein nackter Mensch mit weißer unappetitlicher Haut. Und die Wahrheit, die auch objektiv glücklich machen könnte, ein Schmetterling zu sein, dem träumte, er sei ein bleicher Mensch, diese Wahrheit existiert meist nicht. Meist ist man das, was man befürchtet, zu sein. Wanzleben traf auch Frauen, keine Schmetterlinge freilich, sieht man von dem Springen von Blümchen zu Blümchen ab. Nach jedem Blümchen ruft so ein Schmetterling mit zartem Stimmchen \"Bääääh, was für eine Scheißblume ich da gekostet habe\". Wanzleben wollte auch Blümchen besuchen, natürlich nicht die, die die Frauen so zu besuchen pflegten, er wollte sich die Bienchen nehmen und sie zu seinen Blümchen machen. Freilich mochte er nur bestimmte Farben und die Stengel sollten auch eine gewisse Qualität haben. Und da er wie ein kleiner lüsterner Faun von Nymphchen zu Nymphchen springen wollte, musste er wählerisch sein. Die zur Faunwerdung erforderlichen Naturgöttinnen sterben aber nun einmal aus, schon lange werden sie immer rarer, ja Hexen, Pristerinnen und Rubensfrauen - die findet man wie Sand am Meer, auch solche, die gerne Blüte wären, aber aber man findet nur noch selten Nymphen, saftige in knappen Tüll gehüllte Nymphen, die in den Wiesen und in den Blumen herumspringen und aus Ziegenböcken und Männern Faune entstehen lassen.


Eines Tags dachte sich Wanzleben, es wäre doch schön, wenn man wirklich ein Faun würde. Er stellte sich einen paradiesisch ausgestatteten Raum vor, in dem die Feen und Göttinnen ein und ausgehen könnten, ein Raum, der so schön wäre, dass sie immer wieder dorthin zurückkehrten und ihn, wenn schon nicht zum Schmetterling, so doch zum glücklichen Faun machten. Dort würde er sich im mythischen Beischlaf umwandeln und als Ziegenbock mit Männergeschlecht glücklich sein.


Also kaufte er sich am Stadtrand von München ein großes Anwesen mit einem großen Gewächshaus im verwilderten Garten. Wanzleben ließ alles wie es war, das hohe Gras, die wuchernden Essigbäume mit all ihren hartnäckigen Ablegern. Unkraut, von Katzen vollgepisste Brennnesseln. Er ließ das Haus nicht verputzen, die Mäuse nicht vertreiben und nicht einmal die drei Badezimmer neu kacheln. Aber das Gewächshaus, das ließ er gänzlich erneuern; jeweils nach 10 der großen Glasscheiben ließ er Spiegel einfassen, deren Schimmer einen zarten Blauton hatte, darin wollte er seinen eigenen Mythos beobachten. Er ließ Pflanzen kommen, große tropische Pflanzen, Pflanzen deren fleischige Blätter voller Saft waren, Sträucher mit seltsamen riesigen Blüten und eigenartigen Namen, Vampirblumen, Breiapfel, Nasenkraut, Kurtisanes Schatzkästlein. Innerhalb nur weniger Wochen entstand eine grüne Hölle, die - davon war er überzeugt - der Himmel für ihn, den glücksuchenden Faun, der noch der triviale Wanzleben war, werden würde.


Doch keine Nymphe, keine Göttin, keine Fee kam; keine von den übersinnlichen Weibern wollte in dieser wuchernden dampfigen Fruchtbarkeit Liebessüchte mit einem Möchtegernfaun erleben. Es kamen nur normale Frauen, die von der tumpen plumpen Sorte, angelockt durch den Blumengeruch und den aufdringlich männlichen Odem, der das Anwesen umgab, und auch die kamen nicht in Scharen sondern ganz dezent, eine nach der anderen. Wie sollten da aus Wanzlebens Männerfüßen ordentliche Bockfüße werden? Wie sollte das Fell vom Nabel abwärts je wachsen und zickig stinken? Wie sollte er der Normalität seines Daseins entfliehen, mit solchen Frauen? Welch ein Teufelskreis! Er hätte sie gebraucht, die Nymphen, um so zu werden, dass sie ihn brauchten. Nur eine Nymphe kam zwischendurch aber die ging wieder als sie sah, wer er war und gab ihm keine Gelegenheit, einen Bock nachzuahmen...
 

Zefira

Mitglied
Lieber Axen

willkommen in der Lupe erstmal und noch viel Spaß hier.

Ich finde den Text an sich nicht unbedingt überladen, habe aber "irgendwie das Gefühl", wenn ich mich mal so schwammig ausdrücken darf, daß das Wichtigste darin fehlt. Dafür sind die drei Punkte am Schluß symptomatisch, die andeuten, daß etwas ausgespart wurde.

Die Einleitung ist sehr ausführlich, und der Mittelteil mit der Beschreibung des Anwesens baut (zumindest bei mir) einige Spannung auf. Und so habe ich mir ein interessanteres Ende erwartet als bloß die allgemeine Feststellung, daß die Nymphen nach dem Ausbau dieses Anwesens ebensowenig auftauchten wie vorher.

>>Nur eine Nymphe kam zwischendurch aber die ging wieder als sie sah, wer er war und gab ihm keine Gelegenheit, einen Bock nachzuahmen ... <<

Vielleicht solltest Du diesen Satz zu einer Szene ausbauen.

Grüße von Zefira
 

Axen

Mitglied
guten morgen

vielen dank für eure kritik!

einige anmerkungen zu meinen auch zukünftigen texten:

was die schwülstigkeit und beladenheit der sprache betrifft, so schafft mir diese lust beim schreiben. als nach außen nüchternheit lebender mensch gefällt mir die schwüle schwere, die barocke darstellung. ich liebe stilbrüche und merkwürdige kombinationen, schere mich nicht an formalen gesichtspunkten des schreibens. ein text ist für mich nicht mehr als objekt der weiterbearbeitung interessant, wenn er meinen kopf verlassen hat. ich mag ihn vor allem in seiner spontanen rohheit.

dennoch ist kritik, wie besonders die von zefira höchst willkommen und nützlich, denn ich lerne aus ihr für spätere schnell hingeworfene texte, die dann - ganz ohne nachbearbeitung - an qualität gewinnen mögen!

ich wünsche euch einen sonnigen tag

Freundschaft!
H.E.Axen
 

Paul Stoyan

Mitglied
Schwulst oder Barock.

Ich muss Axen unterstützen!

Dadurch dass die Sprache so wuchert und damit auch den Wanzleben so zuwuchert, wuchert auch die Frau, da wuchert alles und das macht für mich den Reiz. Die Figuren sind alle zugewuchert von Schmalz, Triefigkeit und großen Gefühlen. Und dann will man nur ein Farn sein? Der will doch mehr. Der kommt gleich mit der Lanze und ersticht die Liebe? Als ich den Text das erste Mal las, wusste ich nicht, ob ich jetzt selbst verwuchere oder ob sich da jemand einen Scherz erlaubt. Aber wenn man nochmal hinschaut, spürt man plötzlich mehrere Seiten der gleichen Figur. Das könnte zum Beipiel auch mein Vater sein, der sich gerade vom Gerümpel seiner Frau befreit.

Das könnte alles Mögliche sein. Und deswegen gefällt er mir ausnahmslos. Man könnte mit diesem Wandsleben jetzt sogar auf eine Abenteuerreise, oder einfach nur in ein Büro. Mit genau den Bildern. Und dann könnte man zusehen, wie er die abgeleckte Wirklichkeit mit Faune ausschmückt. Diese Figur würde jeden Spießer eines Besseren belehren. Davon bin ich überzeugt.

Danke Axen! Grüße Paul.
 

GabiSils

Mitglied
Hallo,

so sind eben die Ansprüche an eine Gechichte verschieden. Axen, meinst du nicht auch, es ist eher eine Erzählung?

Mir fehlt hier überhaupt nichts. Ich mag diese Sprache, sei sie auch überladen, denn kitschig ist sie nicht und ich lese ein Augenzwinkern mit.

Und der Schluß ... aber der muß doch so sein. Die Vergeblichkeit seines Tuns könnte besser nicht ausgedrückt werden.

Gruß,
Gabi
 



 
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