Der Punkt

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anbas

Mitglied
Der Punkt

Ein Punkt für sich allein genommen
ist unscheinbar und klein.
Doch, glaubt mir, das ist hier vollkommen
ein trügerischer Schein.

Der kleine Punkt ist nämlich mächtig.
So sieht man ihm nicht an,
dass jeden Satz er ganz bedächtig
allein beenden kann.

Als Tüpfelchen sehr gern gesehen
strahlt er auf manchem "i".
Und ohne Punkte Tests bestehen,
gelingt so gut wie nie.

Selbst Buchstaben kann er verändern.
Das macht er ganz galant.
Bei uns und auch in andren Ländern
ist das sehr wohl bekannt.

Das "ä" und "ö" würd' es nicht geben,
auch "i" nicht oder "ü".
Er gibt den Sprachen noch mehr Leben
und schafft das ohne Müh'.

Der Punkt, so winzig klein und zierlich,
bleibt stets ein stiller Held.
Drum mach ich ihn nun - ganz manierlich,
was ihm bestimmt gefällt.
 
In der projektiven Ebene sind die Begriffe Punkt und Gerade sogar vollständig austauschbar. Damit ist es hier möglich, sich eine Gerade als unendlich klein und einen Punkt als unendlich lang und unendlich dünn vorzustellen.

Das habe ich nicht gewusst. Was man durch ein lustiges Gedicht nicht alles noch lernen kann, wenn man googled.

Mir gefällt dein Punkt-Gedicht sehr.

LG.Marie-Luise
 
R

Rose

Gast
Hallo Andreas,

sehr originell dein Punkt-Gedicht. Gern gelesen!!

Liebe Grüße
Rose
 

anbas

Mitglied
Vielen Dank für Eure Rückmeldungen! Es ist ja erstaunlich, was so ein kleiner Punkt auslösen kann ;).

@ Patrick
"Auf den Punkt bringen" - eigentlich müsste ich dazu auch noch einen Vers schustern. Mal sehen, ob da noch was aus meinen Hirnwindungen wächst...

@ Wirena
. Danke! :D

@ Marie-Luise
Klasse Zitat! Schön, dass Dir das Gedicht gefällt.

@ Karin
Danke! Im Türkischen gibt es auch ein "i" ohne Punkt. Dieses "i" wird kurz ausgesprochen (wie z.B. bei uns in "Rind"). Mit diesem "i" würde sich Dein Name recht dumpf anhören - gut, dass der Punkt mit dabei ist :D.

Nebenbei: Diese beiden "i's" können eine böse Falle für Türkisch-Anfänger sein. Einer Nachbarin (Deutsche, mit einem Türken verheiratet und längere Zeit in der Türkei lebend) ist das passiert. Ihre Schwägerin hatte meiner Nachbarin und ihrem Mann vorgeschlagen, dass sie mehr unternehmen sollten, um das Land besser kennen zu lernen. Meine Nachbarin wollte sagen, dass sie das für eine gute Idee hält, weil sie sich oft langweilen würde. "Langweilen" heißt auf Türkisch "sikmak" (mit kurzem, punktlosem "i"). Sie benutzte aber das Wort "sikmek" (langes "i"), was so viel bedeutet wie "mit einander schlafen". Bei diesem Gespräch waren übrigens auch ihre Schwiegereltern zugegen...

@ Rose
Auch Dir herzlichen Dank für Deine Rückmeldung.

Liebe Grüße Euch allen

Andreas
 
"Langweilen" heißt auf Türkisch "sikmak" (mit kurzem, punktlosem "i"). Sie benutzte aber das Wort "sikmek" (langes "i"), was so viel bedeutet wie "mit einander schlafen". Bei diesem Gespräch waren übrigens auch ihre Schwiegereltern zugegen...
Oh, wie peinlich..... :)

Schmunzelnden Gruß,
Karin (mit langem i)
 

Lena Luna

Mitglied
lieber Andreas, das mit dem Punkt hast du wunderbar leicht und doch so tiefsinnig in Verse gebracht. Eine andere Eigenart: es gibt eine Übung im Aikido : man stelle sich einen Punkt vor, unterhalb des Nabels, der sich ständig verkleinert. der Effekt : man ist verwurzelt mit dem Chi der Erde.
Liebe Grüße
Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Ein wirklich hübscher Text, dem scheinbar Unbedeutenden gewidmet, das trotzdem mächtig ist. :)

In der KL hatten wir "Zur Bedeutung verdammt" zum Thema. :D Da passte dein Gedicht auch super rein. ;)

Liebe Grüße
Heidrun
 
P

Pelikan

Gast
Ein Punkt für sich allein genommen
ist unscheinbar und klein.
Doch, glaubt mir, das ist hier vollkommen
ein trügerischer Schein.


Hallo, anbas, die dritte Zeile mutet ein wenig wie eine
Verlegenheitslösung an und zwar durch dieses "glaubt mir".


Der kleine Punkt ist nämlich mächtig.
So sieht man ihm nicht an,
dass jeden Satz er ganz bedächtig
allein beenden kann.


In obiger Strophe könnte man den Punkt vielleicht durch "dies kleine Ding" ersetzen. In der ersten Strophe steht er ja schon ;)


Als Tüpfelchen sehr gern gesehen
strahlt er auf manchem "i".
Und ohne Punkte Tests bestehen,
gelingt so gut wie nie.


In der dritten Strophe irritiert mich die Aussage
"auf manchem i". Hier wäre besser, man schrieben "auf
kleinem i", denn "manchem" erweckt den Anschein, man könnte
ihn nach Lust und Laune auf manches i setzten. Er gehört nunmal aufs i - ohne ihn ist es keines. Jedoch nur aufs kleine.

Das "ä" und "ö" würd' es nicht geben,
auch "i" nicht oder "ü".
Er gibt den Sprachen noch mehr Leben
und schafft das ohne Müh'.


In obiger Strophe scheint mir das i wiederum als Verlegenheitslösung, denn das hattest Du bereits in der Dritten, zumal die Strophe davor vom "Buchstabenverändern"
spricht und der Punkt auf dem i ist ja keine Veränderung
wie auf dem ü, oder ö...


Das wären so die Dinge,welche mir beim Lesen dieses
Gedichtes aufgefallen sind. Ansonsten finde ich es sehr fein. Auch den scheinbar kleinsten Dingen gehört Aufmerksamkeit.
Dabei stellt man dann oft fest, dass diese Kleinen gar nicht so klein sind und mehr Bedeutung haben als man ihnen vordergründig betrachtet zuspricht.

mit herzlichen Grüßen, Pelikan ;)
 

anbas

Mitglied
Der Punkt

Ein Punkt für sich allein genommen
ist unscheinbar und klein.
Doch wie so oft trügt hier vollkommen
uns leicht der erste Schein.

Der kleine Wicht ist nämlich mächtig.
So sieht man ihm nicht an,
dass jeden Satz er ganz bedächtig
allein beenden kann.

Als Tüpfelchen sehr gern gesehen
strahlt er auf manchem "i".
Und ohne Punkte Tests bestehen,
gelingt so gut wie nie.

Selbst Buchstaben kann er verändern.
Das macht er ganz galant.
Bei uns und auch in andren Ländern
ist das sehr wohl bekannt.

Das "ä" und "ö" würd' es nicht geben,
und ebenfalls kein "ü".
Er gibt den Sprachen noch mehr Leben
und schafft das ohne Müh'.

Der Punkt, so winzig klein und zierlich,
bleibt stets ein stiller Held.
Drum mach ich ihn nun - ganz manierlich,
was ihm bestimmt gefällt.
 

anbas

Mitglied
Danke für Eure Rückmeldungen.

@ Lena Luna

Das aus dem Aikido wusste ich noch nicht, kenne sonst aber Übungen, in denen es darum geht, sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Auch sonst fällt mir - je länger ich darüber nachdenke - auf, dass Punkte (von Flensburg bis in die Tiefen von Matematik und Phyik :D) in unserem Leben eine größere Bedeutung spielen, als uns wohl allen klar ist.


@ Heidrun

Ja, die KL ("KL" ist Insiderisch und heißt "Komische Lyrik", siehe Schreibwerkstatt - Fingerübungen) habe ich in den letzten Monaten sehr vernachlässigt. Bis vor Kurzem habe ich zumindest gelegentlich vorbeigeschaut und mich z.T. sehr amüsiert. Doch hatte ich so viel um die Ohren, dass ich froh war, überhaupt hin und wieder noch zum Schreiben zu kommen. Ich hoffe, dass sich das jetzt langsam ändert. Vielleicht wären "Satzzeichen" ja mal ein Thema für die KL...


@ Pelikan

Ganz herzlichen Dank für Deine Anregungen. Mit dem zweiten Teil des ersten Verses war ich von Anfang an im Clinch. Ich denke, dass ich jetzt eine gute Lösung gefunden habe.

Aus "Das kleine Ding" habe ich "Der kleine Wicht" gemacht. Ansonsten hätte ich - für mein Empfinden - beim größten Teil des Gedichtes die "er" in "es" umschreiben müssen, was irgendwie nicht klang.

Mit dem i-Punkt, der das i nicht verändert hast Du natürlich recht - zumindest, was die deutsche Sprache betrifft (s.u.).

Das "i" beim Tüpfelchen lass ich so, wie es ist. Es geht hier ja nicht vorrangig um das kleine "i", sondern die Redewendung, dass etwas das "Tüpfelchen auf dem i ist" (Außerdem gibt es im Türkischen sowohl das i mit Punkt als auch ohne - da erhält auch das große i einen Punkt (OK, das weiß hier kaum jemand, ich wollte es aber noch mal (s.o.) gesagt haben - und paar Klugscheißerpunkte abräumen :D)).

Euch allen noch mal herzlichen Dank und liebe Grüße.

Andreas
 

anbas

Mitglied
Hi Mäuschen,

schön, dass Dir das Gedicht gefallen hat. Und da Du Punkte magst, hier ein Punkt nur für Dich :D:

.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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