Der Regenbogen

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Der Regenbogen



Die Maus kletterte behände auf den Dachbalken. Dort vorne lag es, das Ziel ihrer Bemühungen, eine Handvoll Brotkrumen. Hungrig knurrte der Magen, seit Tagen hatte der kleine Nager nichts Rechtes zu Fressen gefunden. Nur noch ein paar Schritte. Die Maus konnte den Geschmack bereits auf ihrer Zunge erahnen. In Vorfreude des zu erwartenden Genusses schloss sie für einen Sekundenbruchteil die Augen, da riss ein Fauchen sie aus den Gedanken. Etwas großes, schwarzes, wirklich Furchterregendes sprang auf sie zu. Der dünne Balken erzitterte. Verzweifelt versuchte die Maus Halt an dem rissigen Holz zu finden. Dicht vor ihr tauchten ein Paar riesige grüne Augen auf. Wieder dieses zischende Geräusch. Mit einer, von Aussichtslosigkeit gezeichneten, letzten Anstrengung, versuchte sie auf dem Balken zu wenden, die Flucht zu ergreifen. Vergebens - sie fiel. Tiefer, tiefer, immer tiefer, ihr schwante ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Dann kam der Aufprall. Es platschte und spritzte, es war kalt. Sie schien in den Abgründen der Hölle zu versinken. Es rauschte in ihren Ohren, Wasser drang durch Nase und Mund. Wasser? Fegefeuer hatte sie erwartet, Hitze und Glut, aber Wasser? Sollte sie im Himmel sein? Aber wo waren die Wolken, die Harfenklänge? Sie spürte, wie eine imaginäre Kraft sie nach oben trieb. Beinahe ohne ihr zutun. Einmal abgesehen davon, dass sie begonnen hatte wild mit den Beinen zu zappeln. Sie konnte die Beine bewegen? Also war sie gar nicht tot? Ein Keim von Hoffnung durchschoss ihre Gedanken.
Nach Atem ringend durchbrach sie die Wasseroberfläche, umgeben von dunklen Brettern, die sie kreisförmig umschlossen und in schwindelerregender Höhe, weit über dem Kopf der Maus, zu enden schienen. Sie schwamm in einem runden, hölzern eingefassten Teich. Ihr Blick fiel nach oben, in Richtung des Balkens, auf dem die schwarze Katze verdutzt nach der ihr entgangenen Beute Ausschau hielt. Und plötzlich wusste die Maus, wo sie sich befand. Es war dieses riesige Gefäß, das ihr in vergangenen Tagen so oft Schutz gewährte, um sich hinter seinen Bohlen vor ihren Feinden zu verbergen. Ein Regenfass, so würden es die Menschen nennen.
Erleichtert über ihre Rettung, vergaß sie für einen Moment zu strampeln. Sofort wurde sie in die Tiefe gezogen. Sollte dies ihr Schicksal sein? Dem Tod knapp entronnen, nur um ihn nun hier, endlos in die Länge gezogen und qualvoll zu erleiden? Trübsal beschlich die kleine Maus. Der liebe Gott meinte es wahrlich nicht gut mit ihr. Hatte er sie gerettet, nur um sie diesem aussichtslosen Kampf auszuliefern? Nein, ein gütiger Schöpfer war dies fürwahr nicht.
Die Maus paddelte unermüdlich, unter Aufbietung all ihrer Kräfte, schwamm im Kreis, immer auf der Suche nach einem Ausweg. Vielleicht vermochte sie ja doch irgendwo ein kleines Schlupfloch zu finden? Ihr zierlicher Körper maß nur wenige Zentimeter, ein winziges Astloch würde ihr genügen. Während sie so ihre Bahnen zog, fiel ein Tropfen auf ihr kleines Köpfchen. War es noch nicht genug? Wie sehr wollte sie dieser allmächtige Gott noch strafen? Reichte es nicht, dass sie hier gefangen, ihrem sicheren Ende entgegensah? Verzweiflung erfasste die kleine Seele. Den immer mehr werdenden Tropfen von oben mischten sich ihre winzigen Tränen bei. Der Regen wurde zunehmend heftiger. Die Maus schwamm um ihr Leben, obgleich sie darum wusste, dass es vergebens war, sah sie doch den sicheren Tod vor Augen.
Nein, sie würde nicht aufgeben, niemals. Sie würde um jeden Atemzug ringen, solange ein Hauch von Herzschlag in ihr zuckte. Die Zeit verrann, ihre kleinen Beine wurden bleiern. Müde versuchte sie, gegen die aufkommenden Krämpfe anzukämpfen. Mit jedem, immer schwerer werdendem Luftholen, brannte sich der Schmerz in ihre Lungen. Ihre Kräfte schwanden. Die Tropfen des Regens peitschten auf die Wasseroberfläche, ließen sie erbeben und in kleinen Kratern zu explodieren scheinen. Die Maus sah, wie durch Nebelschwaden, einen blassen Schein, der beständig an Helligkeit zunahm. War dies das berühmte weiße Licht, in das wir alle an unserem Ende schreiten würden? War ihre Zeit gekommen? Sollten die Strapazen nun ein Ende finden? Erschöpft blinzelte sie in das grelle, gelbe Funkeln, das sich durch die grauen Wolken des verebbenden Regens schob. War sie schon in einem anderen Reich? War sie bereits hinübergetreten? Suchend sah sie sich um. Noch immer schwamm sie in dem alten Fass. Nur, was war das? Das Ende der Bohlen befand sich nun nicht mehr in unerreichbarer Ferne, direkt vor ihr, sah sie den Rand des Bottichs. Neue Hoffnung im Herzen schwamm sie darauf zu, setzte zaghaft ein Pfötchen auf die metallische, rostige Kante. Dann noch eins. Noch eines und schließlich das letzte. Dankbar hob sie den Blick gen Himmel. Es schien, als würde die Sonne ihr freudig zulächeln, als würde sie ihre Strahlen nur für die kleine Maus so weit herunter auf die Erde schicken, damit sie ihr das nasse Fell trockneten. Genüsslich streckte sich die Maus, ließ sich in das dichte Stroh neben dem Fass fallen. Wie es duftete. Es schien, als habe es nie zuvor so herrlich gerochen. Ihr Blick richtete sich erneut dankbar in Richtung des goldenen Gestirns. Und dann sah sie ihn, den schönsten Regenbogen, den sie jemals erblickt hatte. Und sie wusste. Nie wieder würde sie einen Schöneren sehen. Nie wieder.
 

Chrisch

Mitglied
Am Schluss fehlte mir eigentlich, dass die Katze die Kleine doch noch verspeist. Leider ist alles so vorhersehbar. Die Erklärung, dass es eine Katze ist, war überflüssig; die Bemerkung, dass die Menschen es Regenfass nennen, ebenfalls.
"Ihr Blick fiel nach oben." ist einfach furchtbar.
Die philosophischen Betrachtungen sind ziemlich abgedroschen und haben in mir den Verdacht ausgelöst, dass du das alles veralbern willst. Der Regenbogen, biblisch ein Versprechen Gottes keine Sintflut mehr zu schicken, wirkt irgendwie fehl am Platz.
Es tut mir leid, aber so bleibt der Text doch unterdurchschnittlich.

Trotzdem weiter versuchen!
Grüße
Chrisch
 



 
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