Der Soldat

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Art.Z.

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Er hatte Angst vor Wind
und all dem, was er brachte.
Er hatte Angst vor Feuer,
und Falten
hatte er auch.

Sein Herz war weiss,
seine Haut dünn.

Ein unbeschriebenes Blatt
nannte man ihn.

Aber er wusste schon immer,
was er wollte,
was er war
verriet es deutlich.

Ein Soldat.

So zog er an die Front

und seine Haut wurde braun.
Im Schein der untergehenden Sonne
schien er durchsichtig.
Und der Wind trieb ihn voran,
zwang ihn ohne Befehl.

Wunschlos flüchtig.

Das feindliche Feuer traf ihn nicht.
Er überlebte.

Er überlebte,
doch konnte nicht mehr weiter.
Seine Glieder waren schwer,
aus Falten wurden Risse,
aus Rissen Löcher.

Die dünne Haut versank
um Sumpf beim ersten Regen.

Er dachte nicht, dass Wasser
Papier zersetzen kann.
 

Circulo

Mitglied
Liebes Art.Z,

Dein Gedicht beschäftigt mich, weil mich das Wort „Falte“ angesprochen hat. Es wird zu Beginn und am Ende genannt. Am Anfang im Bezug zu den Wörtern „auch“ und „haben“. Weswegen Du das Auch verwendest, weiß ich nicht. Bei dem Haben frage ich mich, ob ein Mensch, hier vorgestellt als ein Soldat, Falten haben kann. Es sind aus zwei Gründen nicht die Falten der bloßen Haut gemeint; zum Einen, weil sich für mich der Eindruck ergibt, dass es sich in Deinem Gedicht um einen jungen Menschen handelt, zum Anderen, weil die Falten am Ende zu Rissen und Löchern „werden“. In Erinnerung an die Pappsoldaten von Alice im Wunderland scheint es mir so, als nähmest Du dem Soldaten die räumlich, vollleibige und lebendige Dimension weg, und lässt ihn, sein Wollen, derart aus Kleinmut oder Orientierungslosigkeit zu einem Fähnchen im Wind der öffentlichen Meinung und Kriegslogistik werden. Seiner Wortherkunft nach (zieht man die geschichtlichen Umkonnotierungen vor allem durch die Modernen Kriege ab) scheint mir das Wort Soldat jedoch reicher und überhaupt dem ganzen Gehalt des Menschen eigentümlicher zu sein. Doch darin mag ich mich täuschen.

Was mich jedenfalls interessiert, ist dieses "Falten haben", und ich gehe davon aus, dass ein Mensch keine Falten in diesem „metaphorischen“ Sinn haben kann, sondern dass Falten vielmehr eine Metapher dafür sind, was in der Welt ist. Ein Mensch ist umgeben von Falten, Falten können aus ihm entstehen, sich zeitigen. Wenn ich an ein Beispiel denke, sehe ich einen Menschen, der durch die Stadt geht, oder sagen wir besser durch die Welt, durch seine Welt. Gehend denkt er, sein Denken, seine Reflexion ist in Bewegung; er hält nun an einer roten Ampel an und wartet. Das kann er, weil er auch im Denken innehalten kann. Im Denken innehalten, tut ein Mensch, um etwas Bewegtes wahrzunehmen, in sich aufzunehmen. Nun fährt ein Auto an ihm in seiner Welt vorbei. Weder nimmt er nun an der Ampel stehend das Auto, welches im Verkehr fließt in sich auf, noch gibt sich das Auto als ein zu denkender Gegenstand hin. Es geschieht nichts, die Zeit geht weiter, die Welt ist kalendarisch ein wenig fortgeschritten, ohne das weiter etwas geschehen wäre. Diese Tatsache hat in meinem Verständnis etwas mit Falten zu tun. Entfalten hieße gehend oder denkend etwas wahrnehmen, es zur Sprache bringen und es dadurch entfalten; der Umstand dass beispielhaft in der Welt nichts dergleichen geschehen ist, hält die Falte und verfaltet sie mit der Zeit zunehmend. Deswegen kann meiner Meinung nach, ein Mensch als Soldat oder wie auch immer keine Falte haben, sondern diese nur zeitigen. Du lässt die Falte (die hier sowohl dünne Haut und unbeschriebenes, geschichtsloses Papier ist) dann nachher in (ich denke, das um muss im heißen, oder?) einem Sumpf untergehen und sich auflösen. Was Du Sumpf nennst, kann eine Falte gar nicht in sich auflösen, weil die Falte ihrerseits der Grund dafür ist, dass es Sümpfe gibt. Die Sache mit Falten ist, dass sie entweder entfaltet werden oder sich im Lauf der Zeit weiter verfalten oder verknäueln.

Möglicherweise hast Du Dir die Sache auch ganz anders gedacht. Ich danke Dir jedenfalls für das Gedicht, weil es mir zu denken gegeben hat. Und sollte ich irren, kannst Du mir vielleicht auf die Sprünge helfen.

Liebe Grüße Circulo.
 



 
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