Der Tod. Aber Liebe ist Leben für immer.Poesia metafisica

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Dieter Schlesak


schlesak.birk@caen.it
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WIR WARTEN AUF UNSER VERLORNES GEDÄCHTNIS - DEN TOD
Gedichte, Meditationen und Stimmen

Liebe ist Leben für immer



Ich bin nicht ich.
Ich bin jener,
der mich begleitet und den ich nicht sehe,
den ich manchmal besuche
und den ich dann wieder vergesse;
der gelassen bleibt und still ist während ich rede,
und der mir sanft vergibt wenn ich hasse;
der sich aufmacht und wandert, wenn ich innen bleibe;
der wenn ich sterbe am Leben bleibt.
(Juan Ramon Jimenez)

27.Februar
Schwer ist nur die Seele nicht die Erde
Denn unsre Asche Geliebte kann
Auf der Waage gewogen werden
Mit ein paar Rosen.
(Lucian Blaga, Zodia Cumpenei,
Wendekreis der Wasserwaage)


WIRD ES SCHWER UND SCHWERER WEIL ES
IN MIR ZIEHT IM HALS DER KNOTEN
UND DAS DUNKEL ERDE TODE
UND HINAB HINAB ZU SCHWER WIRD ALLES
ABGENOMMEN HAT DIE ZEIT UND DER SCHRITT
BEIM LAUFEN KURZ DER SCHNELLERE ATEM
DAS BLEIBEN DAS SCHREITEN
UND ICH WARTE AUF KOMMENDE SOMMER
AUF GRÜNERE GRILLEN
ZIKADEN/ FRÜHERE TOTE POETEN
BLAGA LÄSST ZIRPEN TRANSSYLVANISCHES SINGEN:
„SORG DICH NICHT MEIN LIEBER ALTER
DENN VIEL LEICHTER ALS DAS LEBEN
IST DIE ASCHE IST DIE ASCHE!"


Abendessen im Garten, noch mit Sternhimmel, und wieder zeigt sich, daß man nur vom Krebs sprechen muß, sofort ist jemand da, der zum Leidens-Club gehört. Editt Davidovici, die Bildhauerin aus Kanada, die ein Atelier in Pietrasanta hat, sie stammt aus Iasi, fing sofort an von ihrem Vater zu erzählen, der - erst 80-jähirg im März gestorben war. Man hatte seinen Krebs zu spät entdeckt, und er war voller Metastasen, lebte die letzten 2 Monate in einem wunderschönen privaten Sterbehaus. Editt kam auch zu seinem Tod nur im letzten Moment, zwei Stunden bevor er starb, er konnte auch nicht mehr reden, nur "sehen" und verfolgte sie, saugte sie ein mit seinen Blicken. Und sie saß ganz nah, spürte, daß sie plötzlich in gleichem Rhythmus atmeten, und der Herzschlag synchron ging.
Dann mußt sie Tag und Nacht an ihn denken, den sonnigen Menschen, der jetzt einje schwarze Sonne gewoden war. Sein Auge, das sie wie von drüben angesehen hatte, verfolgte sie. Vor allem, das im letzten Augenblick seines Leben im rechten Augenwinkel eine Träne hervorkam und dort hängen blieb, nicht übers Gesicht kam.

Und sie kam so zu ihrem Werk.



Dieter Schlesak

Für Editt Davidovici

LACRIMA
Lacrimae rerum nicht nur gespiegelt in der Träne
Die Welt:/ wir sind wie ein Auge der Toten/ und nur ihre Träne rinnt rinnt in unsre Lichtwelt.

Im Augenwinkel langsam/ wie die Zeit, die einmal
Geblüht hat, fällt sie als Ende
Auf das was zurückbleibt,
auf den ihm gleichen, den Herzschlag der Tochter,
ein letztes Geschenk seiner Sonne,
die in Gedanken nie mehr vergeht.

Schwarze Sonne der Augen
Mit einem Lichblick der Iris
Täuscht sie Welt vor/ ist sie
Der Eingang, wenn sie
Das Auge schließt/ um es drüben
Zu öffnen?

+++

Sie erzählte, daß sie am Meeresstrand plötzlich ihren eigenen Schatten über den Sand habe fallen gesehen, ein Bild der Vergänglichkeit. Und daraus ist "Schatten" entstanden. Dieser auferstandene Grabstein mit dem Skelett:

WIEDERKEHR DER TOTEN mit einem blitzenden Licht/ der schwarze Kopf,
um uns zu zeigen, daß es eine verborgene schwarze Sonne gibt,
die wir nicht sehen!
Liebe ist von der anderen Seite hier/ Ein-Leuchten berührt,
was unser Herz wach macht -
und wieder singt.

Das Auge blitzend in der Pupille
Licht in der Träne:

Schwarzer belgischer Marmor/ gerippt
Wie ein Pilz/ wie ein Fächer
Schwarze Sonne, unsichtbarer Schmerz.

Die Träne aber fällt nicht,
fällt nicht, rinnt nach innen,
wie die Tränen der Heiligen, aus denen diese
nnere Gotteswelt wird.



DER WARTENDE SCHMETTERLING
"Wellen der Emotion"
halten dich fest/ warum warum kannst du nicht fliegen
und bist doch noch nicht verbrannt!

Ein Kokon liegt im Marmor
Begraben/ die Form die du siehst
Sie befreist mit dem Hammer der sehenden Hände
Sie liegen du siehst sie
Geschliffen/ Perfektion
Vor der Geburt.

Und dann ist mein Auge
Klüger geworden/ sieht
Den entstehenden Körper daraus
Die Schulter den Kopf
Der klein bleibt/ um das Auge
Die Welt nicht zu vernichten
Das Untier.


Ringsum Plazenta
Marmor dr nie mehr vergeht:
Bist du ewig geworden
Blick - dir gefällt doch die Zeit!

Agliano, 30.August/
1.September 2000




WENN ES FRÜHER WÄRE

Beim Tode eines alten Kollegen
Für A.H.

Und einiges war da,
kommt an, der Todes
Bote weiß, was sich
entfernt, ist nah.

Das weiße Haar,
daß du vergehst, es passt,
und nichts mehr kommt, was ich
mit dir schon damals sah, je wieder.

Als wär der Anfang, als ich ging,
mit jenem Tod, der leben kann,
mit den geschlossenen Augen, Glas,
am Ende angekommen.

Die Stadt, die Erde hat dich wieder,
ein Schall die Glocke oben
heißt/ Jetzt anders

Und der Gedanke nachts
stößt die verschlossene
Tür nicht auf:

Ein Grab das leer wär -

keine Sprache

wieder.




ES GIBT KEIN GESTERN
Für einen toten Freund

Hinauf. Hinab.Du mit
Prophetenbart. Der
Himmel, nein, er kennt kein Grab.

Was bleibt.
Ein weißes Blatt. Gewebe
Muster. Der Tod spricht nicht.

Es gibt kein Gestern,
es gibt kein Morgen,
es gibt nur ein bißchen Heute.
Leer schnell das Schnapsglas, Tovule,
solang du lebst.

Der Ton in diesem Lied -
jetzt bist du dort, wo es
nie klingt, und wo wir waren,
da war vor uns das Weiße,
Augen, Milch, Akazienduft
am Himmel Bienenstiche, Honig,
da dachte keiner dran, da wars
zum Glück
ein Kind.




UNZEIT

Wassertropfen tränen. Blei
Kugeln auf dem reinen Tisch.
Zellengeist und Wein.
Ein Etwas, sprachlos auch
im Krokus. Und im Haus.

Märchen wars ein
Traum, dies Wachen?

Aus den Augen kugeln
Lachen aus dem Sinn,
nicht traun.

2
Kein Zusammenhang so
Kein festes Haus.

Was da ist:
erinnert
trifft der Schuß
aus vielen nicht

gelebten Leben
jene andere Seite
ihren Überfluß.



Celanparaphrasen

"Mit allen Gedanken ging ich
hinaus aus der Welt"

Mein Wissen verloren, vergessen:

"alles hob an
als uns das Auge brach"

alles begann.

Die Sonne groß geschwommen
ein Ja kam doch an
stand Seele an Seele hell die
Freudenflüge der Flüsterengel entgegen
gebieterisch vorgeschrieben
neu die Bahn

Ein Hauch geboren im Äther
der neue Schoß war der Tod
und wölkte sich hoch dieser Silberstreif
die Gestalt von uns her

Der Name
er blieb
zurück
auf der Erde.

Ach nein sie kommen immer wieder
und sie geben keine Ruh
denn sie kennen jetzt die Lieder
tragen sie uns flüsternd zu

Nachts wenn sich die Wege öffnen
wir im Schlaf bei ihnen sind
und wir wieder einfach sind
hoffen können wieder hoffen

In uns flüstern die Phantome
alle Toten die vergingen
wir sind jetzt die armen Söhne
ihre Zeit, die sie nicht lebten
Ihn vor allen Dingen.



Meine Liebste laß uns gehn
sieh wir haben uns schon die Hände
über die Augen gelegt

War nicht dein Geschlecht schon wie immer
der Aus- und der Eingang zur Welt

Bleib mir im Herzen
wenn wir vergehn

Der Himmel ist uns hier offen
doch gehn ja gehn
muß jeder allein diesen Weg

Die letzte Umarmung Liebste
die letzte ist
wenn wir uns nicht mehr sehn
uns vergessen und starben
wenn wir nicht mehr sind
und uns dann vergessen haben
der Leib in der Erde
die Seele im Flug

Denn allles fällt ab was wir waren


Copyright Dieter Schlesak 2000

Schick mir bitte eine mail:
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