Der Vertrag wird unterzeichnet

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solowasser

Mitglied
Stille im Raum. Runde Gesichter, die auf Papiere schauen. Schwarze Stoffanzüge, die in der trockenen Büroluft leise knistern. Ein Räuspern. Dann plötzlich Gemurmel aus der Ecke, es wird lauter, bestimmter. Ein Mund öffnet sich und fängt an Worte zu bilden. Andere Münder klappen auf und zu, schnappen nach Luft. Gesichter, die nach oben schauen, an den Ende des Tisches. Dort werden aus Worten gerade Sätze, bald ein Vortrag. Der Mund bildet die Worte mit fester Stimme, das Gesicht bekräftigt das mit überzeugter, starker Mimik. Nesteln am Anzug. „Das Land wirtschaftlich nutzen...“. Wortfetzen aus dem Mund, bedächtiges Nicken der anderen Gesichter. „Aufgesetzter Vertrag...fertiges Projekt“. Sätze so kurz und präzise wie diese hier. Hände, die nach Gläsern tasten, sie umklammern und zum Mund führen. Wasser, das vom Mund in den Magen wandert. Menschliche Bedürfnisse, die gestillt werden. Ein Mund, der immer weiter redet, der jetzt schneller redet, der jetzt lauter redet. Ein Gesicht, das immer röter wird, das mit einem Taschentuch abgetupft werden muss. „Ideale naturbedingte Begebenheiten“. Hände, die unruhig in der Luft herumwirbeln, Finger, die sich spreizen. Ein Mund, der weiter fleißig Silben ausspuckt. Silben, die verstanden werden können, Silben, die richtig aneinandergereiht sind. Silben, die Unglück bringen werden. Silben, die eine Katastrophe einleiten. „Hier müssen Menschen weichen.“ Silben, die Schicksale besiegeln. Unmenschliche Entscheidungen, hervorgerufen von menschlichen Reaktionen. Mit dem Gesicht, mit dem Mund und mit den Händen.
Aber das Recht, mit dem sich die Gesichter, die Münder und die Hände erdreisten, über andere Gesichter, über andere Münder und über andere Hände zu entscheiden und ihnen ihren Lebensraum zu entreißen, ist menschgemacht und bleibt doch nichts als unmenschlich.
 

Ireen

Mitglied
Gut beobachtet. In der letzten Zeile würde ich schreiben "von Menschen gemacht". Das klingt, glaube ich, besser als "menschgemacht".
 

Val Sidal

Mitglied
solowasser,

einen dichten, intensiven Textfilm hast du hier vorgelegt -- phasenweise zu dicht.

„[blue]Das Land wirtschaftlich nutzen[/blue]...“. Wortfetzen aus dem Mund, bedächtiges Nicken der anderen Gesichter. „Aufgesetzter Vertrag...fertiges Projekt“. Sätze so kurz und [blue]präzise[/blue] wie diese hier.
... die lakonische Ironie der Passage gefällt mir.

Leider hebt der Autor am Ende den Zeigefinger:
[blue]
Aber das Recht, mit dem sich die Gesichter, die Münder und die Hände erdreisten, über andere Gesichter, über andere Münder und über andere Hände zu entscheiden und ihnen ihren Lebensraum zu entreißen, ist menschgemacht und bleibt doch nichts als unmenschlich.
[/blue]
... und der Leser ärgert sich, ihn zu sehen und zu hören, statt das Gesehene in Ruhe reflektieren zu können.
 
U

USch

Gast
Hallo solowasser,
in dieser Dichte sehr genau geschildert. Aber bitte den letzten Absatz komplett streichen! Der Text davor steht für sich! Dann ist´s für mich ´ne Sieben.
LG USch
 

solowasser

Mitglied
Stille im Raum. Runde Gesichter, die auf Papiere schauen. Schwarze Stoffanzüge, die in der trockenen Büroluft leise knistern. Ein Räuspern. Dann plötzlich Gemurmel aus der Ecke, es wird lauter, bestimmter. Ein Mund öffnet sich und fängt an Worte zu bilden. Andere Münder klappen auf und zu, schnappen nach Luft. Gesichter, die nach oben schauen, an den Ende des Tisches. Dort werden aus Worten gerade Sätze, bald ein Vortrag. Der Mund bildet die Worte mit fester Stimme, das Gesicht bekräftigt das mit überzeugter, starker Mimik. Nesteln am Anzug. „Das Land wirtschaftlich nutzen...“. Wortfetzen aus dem Mund, bedächtiges Nicken der anderen Gesichter. „Aufgesetzter Vertrag...fertiges Projekt“. Sätze so kurz und präzise wie diese hier. Hände, die nach Gläsern tasten, sie umklammern und zum Mund führen. Wasser, das vom Mund in den Magen wandert. Menschliche Bedürfnisse, die gestillt werden. Ein Mund, der immer weiter redet, der jetzt schneller redet, der jetzt lauter redet.
Augen, die angestrengt aufeinander schauen. Augen, die zugekniffen werden, die sich unaufhörlich schließen und dann wieder geöffnet werden.
Ein Gesicht, das immer röter wird, das mit einem Taschentuch abgetupft werden muss. „Ideale naturbedingte Begebenheiten“. Hände, die unruhig in der Luft herumwirbeln, Finger, die sich spreizen. Ein Mund, der weiter fleißig Silben ausspuckt. Silben, die verstanden werden können, Silben, die richtig aneinandergereiht sind. Silben, die Unglück bringen werden. Silben, die eine Katastrophe einleiten. „Hier müssen Menschen weichen.“ Silben, die Schicksale besiegeln. Unmenschliche Entscheidungen, hervorgerufen von menschlichen Reaktionen. Mit dem Gesicht, mit dem Mund, mit den Augen und mit den Händen.
 



 
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