Der Wert meines Produktes

Circulo

Mitglied
Der Wert meines Produktes

Meine Henne Dolores hatte ein Ei gelegt. Ich griff danach. Nach einem kurzen Kampf mit ihr brachte ich es in meinen Besitz und rannte damit auf den Markt als gäbe es kein Morgen mehr. Auf dem Marktplatz stellte ich mein Ei gut sichtbar auf einem mit Stroh bedeckten Teller aus, wo ich es von irgendjemandem, dem ich ein paar Pfennige gab, bewachen ließ. An den beiden Endpunkten des Marktes wusste ich den alten Otto und den Heinrich stehen, die mit allerlei Ramsch handelten. Darunter auch Menschenkostüme; also solches Zeug, welches man sich auf Maskenbällen überwirft oder zur Karnevalszeit. Ich trippelte wie der letzte Mensch zu Otto und fragte ihn, ob ich mal den Mantel eines orientalischen Herrschers samt Krone anprobieren dürfe. Kein Problem, sagte der Alte. Er ließ mich damit auch Probegehen, nachdem ich ihm eine Bürgschaft zurückgelassen hatte. In dem Kostüm stolzierte ich wie ein Perserkönig über den Marktplatz und blieb bei meinem Ei stehen. Dort hob ich das Ei heraus und bestaunte es nicht schlecht. Ein paar Marktmenschen schauten mir dabei zu und begannen sich zu wundern, was dieser Perserkönig mit dem Ei zu schaffen habe. Ich flüsterte ein paar Worte mit dem Idioten, der beim Ei Wache hielt, legte es sorgsam in das Nest zurück und stolzierte weiter. In einer Toilette zog ich das Kostüm aus und versteckte es unter meiner gewöhnlichen Kleidung. In diesem Modus trippelte ich zu Heinrich, der denselben Ramsch verkaufte wie Otto auf der anderen Seite. Ich griff nach dem Kostüm eines englischen Gentleman, versteckte meine anderen Kleidungsstücke darunter, indem ich einen dicken Wanst vorstellte, setzte mir ein Monokel ins Gesicht und flanierte über den Marktplatz wie zufällig an meinem Stand vorbei. Ich hob es schwer atmend aus dem Nest und begutachtete es unter dem Monokel. Einige Menschen traten an mich heran. Einer von ihnen fragte mich, was es mit diesem Ei denn auf sich habe. Ich musterte ihn ganz bös, sagte dem Idioten, er solle mir dieses Ei doch bitte zurücklegen lassen, ich müsse zur Bank und verschwand. Wieder bei Otto, der mein ganzes Wesen in der Zwischenzeit vergessen hatte, gab ich ihm mit meiner eigenen Vollmacht seinen Araberanzug zurück, nahm die Bürgschaft entgegen und zog mir ein anderes Kostüm an. So lief ich den ganzen Tag über den Marktplatz, meine Freunde. Das Ei der Dolores verkaufte ich am Abend für mehr als zwanzig Taler. Und das ist eine wahre Geschichte.
 

Charybdis

Mitglied
Hallo Circulo,

auch wenn mir persönlich jetzt der Erzählstil nicht so gefällt - was letztendlich persönliche Ansichtssache ist -, finde ich die Idee, die hinter der Geschichte steckt durchaus sehr nett. Die Vorstellung, wie jemand Marketing auf dem Markt betreibt, um ein simples Ei wertvoller zu machen, ist schon sehr amüsant. Und wer weiß, vielleicht würde es so auch funktionieren?

Mit einem kleinen Schmunzeln im Gesicht
Charybdis
 



 
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