Der Zenmeister

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eiros

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Sein rasendes Herz beruhigte sich. Mit jedem Atemzug schlug es langsamer. Er blickte fest auf die weiße Wand. Jeden anderen Gedanken, jede Assoziation versuchte er schon im Entstehen fortzuwischen. Keine Vorstellung, kein Wunsch, keine Begierde sollte sich in diesen Zustand mischen. Es gab keine Bewegung, keine Richtung, kein Wohin. Die Welt war draußen, weit weg. Er war völlig bei sich, in sich geschlossen. Reduziert auf diesen Punkt.
Das war seine objektive Realität. Es gab nur ihn und diese Wand, nichts sonst. Nur diese weiße Wand. Nur das Weiß. Immer wieder musste er sich das vergegenwärtigen.
Irgendeine unbestimmbare innere Unruhe zog aber noch an ihm, verhinderte, dass er den Weg fand. Er versuchte, sich zu beruhigen, konzentrierte sich auf die Wand.
Inzwischen konnte er mit seinem Willen alle Gedanken und Bilder von Dingen, die möglicherweise Begierde, Ärger oder Angst vrursachen könnten, komplett auflösen, sobald sie auftauchten. Diese Bilder weckten nämlich die Begierden, waren die Begierden erst erweckt, war er ausgeliefert. Es war ihm erst vor Kurzem klargeworden, dass diese Gedanken und Bilder wie in einem Dauerfeuer auf den Geist einprasselten und wie machtvoll sie waren. Jeder kleine Gedankenfetzen konnte den Geist in grenzenlose, quälende Unruhe versetzen. Dann explodierte er fast. Er war dann hilflos ausgeliefert. Wenn man aber seinen Geist soweit beherrscht, sich von den Bildern zu befreien, konnte man den Moment, die Situation einfach so nehmen wie sie war. Keine Unruhe, keine Trauer oder Verzweiflung mehr.
Man blickte auf sich selbst, war wirklich frei von Allem. Dann kam völlige Ruhe über einen. Zeit spielte keine Rolle, man stand jenseits davon. Stunden empfand man wie Minuten.
Man war ein wahrer Meister seiner selbst. Das war völlige Freiheit von Sich, von der Welt des Sinnlichen, des Körperlichen, deren Gefangene wir alle sind. Dann war man nicht weit entfernt, in das Nichts einzugehen, das Buddhisten und Hindus als Nirvana bezeichnen.
Ein sanftes Verlöschen im Nichts. Der Eingang in völlige Ruhe. Ob ihm das jemals gelingen wird? Manchmal kam es ihm so vor, sein Herzschlag hatte sich dann soweit gesenkt, als könnte er einfach überwechseln. Dann wäre er erlöst.
Die weiße Wand. Wenn er sich voll auf sie konzentrierte, setzte sich dieser Prozess in Gang. Mit geschlossenen Augen ging das nicht. Das war wie beim Einschlafen. Vor dem dunklen Braun fielen die wirren, zusammenhanglosen Bilder über ihn her, machten ihn ärgerlich oder lüstern. Er brauchte das Weiß, wenn es auch nur ein Symbol vom Nichts war.
Manchmal starrte er es einfach nur an, mit weit offenen Augen, so wie jetzt.
Plötzlich spürte er, wie ein schwacher, kühlen Hauch seinen Arm streichelte. Kaum hörbar hatte sich die Tür geöffnet. Schritte kamen auf ihn zu. Eine junge Frau, anfang Zwanzig, schob sich sachte zwischen ihn und die Wand. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Hallo Herr Grünwald, wie geht es uns heute? Dann kreuselte sie sorgenvoll die Stirn. „Oh Gott, wer hat sie denn hier so liegen lassen? Sie haben doch nicht schon wieder geweint? Ihre Augen tränen ja! Mit ernstem Gesicht nahm sie ein Taschentuch und beugte sich über ihn, um sie abzutupfen. Ihre Oberkörper berührten sich. Er spürte das nur schwach, aber er roch den Duft ihres Parfüms. Sie hatte ein hübsches Gesicht, er sah ihren vollen, roten Mund, die leicht sommersprossige, zarte Haut. Ihre schönen dunkelgrünen Augen versuchten, ihm nicht direkt ins Gesicht zu sehen. Sie richtete ihren Blick immer auf das, was sie gerade tat.
„Soo… das ist doch besser. Wieso drücken sie denn nicht einfach den Kopf, dann komme ich doch? Der Schalter liegt in ihrer Hand…hier, ihren finger können sie doch noch bewegen“, er spürte schwach, wie sie seinen Handrücken antippte. Dann vergewisserte sie sich, dass das Beatmungsgerät richtig in seinen Nasenlöchern steckte, richtete seine Beine, richtete die Füße auf, damit er durch das unbewegte Liegen keine Spitzfüße bekam. Schließlich schaute sie ihn unschlüssig an, als wüsste sie nicht, was sie ihm noch Gutes tun könnte. „Herr Grünwald, sie müssen doch nicht die ganze Zeit die Decke anstarren! Ich mache ihnen wieder den Fernseher an, dann haben sie eine schöne Ablenkung bis zum Einschlafen.“
Sie nahm vorsichtig seinen Kopf, legte ein Kissen darunter und drehte ihn sanft in Richtung des Bildschirms. Hätte sie beim Rausgehen noch einmal auf sein Gesicht gesehen, hätte sie bemerkt, dass seine Augen sich wieder mit Tränen gefüllt hatten.
 

eiros

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Sein rasendes Herz beruhigte sich. Mit jedem Atemzug schlug es langsamer. Er blickte fest auf die weiße Wand. Jeden anderen Gedanken, jede Assoziation versuchte er schon im Entstehen fortzuwischen. Keine Vorstellung, kein Wunsch, keine Begierde sollte sich in diesen Zustand mischen. Es gab keine Bewegung, keine Richtung, kein Wohin. Die Welt war draußen, weit weg. Er war völlig bei sich, in sich geschlossen. Reduziert auf diesen Punkt.
Das war seine objektive Realität. Es gab nur ihn und diese Wand, nichts sonst. Nur diese weiße Wand. Nur das Weiß. Immer wieder musste er sich das vergegenwärtigen.
Irgendeine unbestimmbare innere Unruhe zog aber noch an ihm, verhinderte, dass er den Weg fand. Er versuchte, sich zu beruhigen, konzentrierte sich.
Inzwischen konnte er mit seinem Willen alle Gedanken und Bilder von Dingen, die möglicherweise Begierde, Ärger oder Angst verursachen könnten, komplett auflösen, sobald sie auftauchten. Diese Bilder weckten nämlich die Begierden, waren die Begierden erst erweckt, war er ausgeliefert. Es war ihm erst vor Kurzem klargeworden, dass diese Gedanken und Bilder wie in einem Dauerfeuer auf den Geist einprasselten und wie machtvoll sie waren. Jeder kleine Gedankenfetzen konnte den Geist in grenzenlose, quälende Unruhe versetzen. Dann explodierte er fast. Er war dann hilflos ausgeliefert. Wenn man aber seinen Geist soweit beherrscht, sich von den Bildern zu befreien, konnte man den Moment, die Situation einfach so nehmen wie sie war. Keine Unruhe, keine Trauer oder Verzweiflung mehr.
Man blickte auf sich selbst, war wirklich frei von Allem. Dann kam völlige Ruhe über einen. Zeit spielte keine Rolle, man stand jenseits davon. Stunden empfand man wie Minuten.
Man war ein wahrer Meister seiner selbst. Das war völlige Freiheit von Sich, von der Welt des Sinnlichen, des Körperlichen, deren Gefangene wir alle sind. Dann war man nicht weit entfernt, in das Nichts einzugehen, das Buddhisten und Hindus als Nirvana bezeichnen.
Ein sanftes Verlöschen im Nichts. Der Eingang in völlige Ruhe. Ob ihm das jemals gelingen wird? Manchmal kam es ihm so vor, sein Herzschlag hatte sich dann soweit gesenkt, als könnte er einfach überwechseln. Dann wäre er erlöst.
Die weiße Wand. Wenn er sich voll auf sie konzentrierte, setzte sich dieser Prozess in Gang. Mit geschlossenen Augen ging das nicht. Das war wie beim Einschlafen. Vor dem dunklen Braun fielen die wirren, zusammenhanglosen Bilder über ihn her, machten ihn ärgerlich oder lüstern. Er brauchte das Weiß, wenn es auch nur ein Symbol vom Nichts war.
Manchmal starrte er es einfach nur an, mit weit offenen Augen, so wie jetzt.
Plötzlich spürte er, wie ein schwacher, kühlen Hauch seinen Arm streichelte. Kaum hörbar hatte sich die Tür geöffnet. Schritte kamen auf ihn zu. Eine junge Frau, anfang Zwanzig, schob sich sachte zwischen ihn und die Wand. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Hallo Herr Grünwald, wie geht es uns heute? Dann kreuselte sie sorgenvoll die Stirn. „Oh Gott, wer hat sie denn hier so liegen lassen? Sie haben doch nicht schon wieder geweint? Ihre Augen tränen ja! Mit ernstem Gesicht nahm sie ein Taschentuch und beugte sich über ihn, um sie abzutupfen. Ihre Oberkörper berührten sich. Er spürte das nur schwach, aber er roch den Duft ihres Parfüms. Sie hatte ein hübsches Gesicht, er sah ihren vollen, roten Mund, die leicht sommersprossige, zarte Haut. Ihre schönen dunkelgrünen Augen versuchten, ihm nicht direkt ins Gesicht zu sehen. Sie richtete ihren Blick immer auf das, was sie gerade tat.
„Soo… das ist doch besser. Wieso drücken sie denn nicht einfach den Knopf, dann komme ich doch schon! Der Schalter liegt in ihrer Hand…hier, ihren finger können sie doch noch bewegen“, er spürte schwach, wie sie seinen Handrücken antippte. Dann vergewisserte sie sich, dass das Beatmungsgerät richtig in seinen Nasenlöchern steckte, richtete seine Beine, richtete die Füße auf, damit er durch das unbewegte Liegen keine Spitzfüße bekam. Schließlich schaute sie ihn unschlüssig an, als wüsste sie nicht, was sie ihm noch Gutes tun könnte. „Herr Grünwald, sie müssen doch nicht die ganze Zeit die Decke anstarren! Ich mache ihnen wieder den Fernseher an, dann haben sie eine schöne Ablenkung bis zum Einschlafen.“
Sie nahm vorsichtig seinen Kopf, legte ein Kissen darunter und drehte ihn sanft in Richtung des Bildschirms. Hätte sie beim Rausgehen noch einmal auf sein Gesicht gesehen, hätte sie bemerkt, dass seine Augen sich wieder mit Tränen gefüllt hatten.
 

eiros

Mitglied
Sein rasendes Herz beruhigte sich. Mit jedem Atemzug schlug es langsamer. Er blickte fest auf die weiße Wand. Jeden anderen Gedanken, jede Assoziation versuchte er schon im Entstehen fortzuwischen. Keine Vorstellung, kein Wunsch, keine Begierde sollte sich in diesen Zustand mischen. Es gab keine Bewegung, keine Richtung, kein Wohin. Die Welt war draußen, weit weg. Er war völlig bei sich, in sich geschlossen. Reduziert auf diesen Punkt.
Es gab nur ihn und diese Wand, nichts sonst. Nur diese weiße Wand. Nur das Weiß. Das war seine objektive Realität. Immer wieder musste er sich das vergegenwärtigen.
Irgendeine unbestimmbare innere Unruhe zog aber noch an ihm, verhinderte, dass er den Weg fand. Er versuchte, sich zu beruhigen, konzentrierte sich.
Mit der Zeit hatte er immer besser gelernt, mit seinem Willen alle Gedanken und Bilder von Dingen, die möglicherweise Begierde, Ärger oder Angst verursachen könnten, komplett auflösen, sobald sie auftauchten. Diese Bilder weckten nämlich die Begierden, waren die Begierden erst erweckt, war er ausgeliefert. Es war ihm erst vor Kurzem klargeworden, dass diese Gedanken und Bilder wie in einem Dauerfeuer auf den Geist einprasselten und wie machtvoll sie waren. Jeder kleine Gedankenfetzen konnte den Geist in grenzenlose, quälende Unruhe versetzen. Dann explodierte er fast. Er war dann hilflos ausgeliefert. Wenn man aber seinen Geist soweit beherrscht, sich von den Bildern zu befreien, konnte man den Moment, die Situation einfach so nehmen wie sie war. Keine Unruhe, keine Trauer oder Verzweiflung mehr.
Man blickte auf sich selbst, war wirklich frei von Allem. Dann kam völlige Ruhe über einen. Zeit spielte keine Rolle, man stand jenseits davon. Stunden empfand man wie Minuten.
Man war ein wahrer Meister seiner selbst. Das war völlige Freiheit von Sich, von der Welt des Sinnlichen, des Körperlichen, deren Gefangene wir alle sind. Dann war man nicht weit entfernt, in das Nichts einzugehen, das Buddhisten und Hindus als Nirvana bezeichnen.
Ein sanftes Verlöschen im Nichts. Der Eingang in völlige Ruhe. Ob ihm das jemals gelingen wird? Manchmal kam es ihm so vor, sein Herzschlag hatte sich dann soweit gesenkt, als könnte er einfach überwechseln. Dann wäre er erlöst.
Die weiße Wand. Wenn er sich voll auf sie konzentrierte, setzte sich dieser Prozess in Gang. Mit geschlossenen Augen ging das nicht. Das war wie beim Einschlafen. Wenn er die Augen schloss, fielen die wirren, zusammenhanglosen Bilder über ihn her, machten ihn ärgerlich oder lüstern. Er brauchte das Weiß, wenn es auch nur ein Symbol, quasi ein Vorgeschmack vom Nichts war.
Manchmal starrte er es einfach nur an, mit weit offenen Augen, so wie jetzt.
Plötzlich spürte er, wie ein schwacher, kühlen Hauch seinen Arm streichelte. Kaum hörbar hatte sich die Tür geöffnet. Schritte kamen auf ihn zu. Eine junge Frau, Anfang Zwanzig, schob sich sachte zwischen ihn und die Wand. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Hallo Herr Grünwald, wie geht es uns heute? Dann kreuselte sie sorgenvoll die Stirn. „Oh Gott, wer hat sie denn hier so liegen lassen? Sie haben doch nicht schon wieder geweint? Ihre Augen tränen ja! Mit ernstem Gesicht nahm sie ein Taschentuch und beugte sich über ihn, um sie abzutupfen. Ihre Oberkörper berührten sich. Er spürte das nur schwach, aber er roch den Duft ihres Parfüms. Sie hatte ein hübsches Gesicht, er sah ihren vollen, roten Mund, die leicht sommersprossige, zarte Haut. Ihre schönen dunkelgrünen Augen versuchten, ihm nicht direkt ins Gesicht zu sehen. Sie richtete ihren Blick immer auf das, was sie gerade tat.
„Soo… das ist doch besser. Wieso drücken sie denn nicht einfach den Knopf, dann komme ich doch schon! Der Schalter liegt in ihrer Hand…hier, ihren finger können sie doch noch bewegen“, er spürte schwach, wie sie seinen Handrücken antippte. Dann vergewisserte sie sich, dass das Beatmungsgerät richtig in seinen Nasenlöchern steckte, richtete seine Beine, richtete die Füße auf, damit er durch das unbewegte Liegen keine Spitzfüße bekam. Schließlich schaute sie ihn unschlüssig an, als wüsste sie nicht, was sie ihm noch Gutes tun könnte. „Herr Grünwald, sie müssen doch nicht die ganze Zeit die Decke anstarren! Ich mache ihnen wieder den Fernseher an, dann haben sie eine schöne Ablenkung bis zum Einschlafen.“
Sie nahm vorsichtig seinen Kopf, legte ein Kissen darunter und drehte ihn sanft in Richtung des Bildschirms. Hätte sie beim Rausgehen noch einmal auf sein Gesicht gesehen, hätte sie bemerkt, dass seine Augen sich wieder mit Tränen gefüllt hatten.
 

eiros

Mitglied
Sein rasendes Herz beruhigte sich. Mit jedem Atemzug schlug es langsamer. Er blickte fest auf die weiße Wand. Jeden anderen Gedanken, jede Assoziation versuchte er schon im Entstehen fortzuwischen. Keine Vorstellung, kein Wunsch, keine Begierde sollte sich in diesen Zustand mischen. Es gab keine Bewegung, keine Richtung, kein Wohin. Die Welt war draußen, weit weg. Er war völlig bei sich, in sich geschlossen. Reduziert auf diesen Punkt.
Es gab nur ihn und diese Wand, nichts sonst. Nur diese weiße Wand. Nur das Weiß. Das war seine objektive Realität. Immer wieder musste er sich das vergegenwärtigen.
Irgendeine unbestimmbare innere Unruhe zog aber noch an ihm, verhinderte, dass er den Weg fand. Er versuchte, sich zu beruhigen, konzentrierte sich.
Mit der Zeit hatte er immer besser gelernt, mit seinem Willen alle Gedanken und Bilder von Dingen, die möglicherweise Begierde, Ärger oder Angst verursachen könnten, komplett auflösen, sobald sie auftauchten. Diese Bilder weckten nämlich die Begierden, waren die Begierden erst erweckt, war er ausgeliefert. Es war ihm erst vor Kurzem klargeworden, dass diese Gedanken und Bilder wie in einem Dauerfeuer auf den Geist einprasselten und wie machtvoll sie waren. Jeder kleine Gedankenfetzen konnte den Geist in grenzenlose, quälende Unruhe versetzen. Dann explodierte er fast. Er war dann hilflos ausgeliefert. Wenn man aber seinen Geist soweit beherrscht, sich von den Bildern zu befreien, konnte man den Moment, die Situation einfach so nehmen wie sie war. Keine Unruhe, keine Trauer oder Verzweiflung mehr.
Man blickte auf sich selbst, war wirklich frei von Allem. Dann kam völlige Ruhe über einen. Zeit spielte keine Rolle, man stand jenseits davon. Stunden empfand man wie Minuten.
Man war ein wahrer Meister seiner selbst. Das war völlige Freiheit von Sich, von der Welt des Sinnlichen, des Körperlichen, deren Gefangene wir alle sind. Dann war man nicht weit entfernt, in das Nichts einzugehen, das Buddhisten und Hindus als Nirvana bezeichnen.
Ein sanftes Verlöschen im Nichts. Der Eingang in völlige Ruhe. Ob ihm das jemals gelingen wird? Manchmal kam es ihm so vor, sein Herzschlag hatte sich dann soweit gesenkt, als könnte er einfach überwechseln. Dann wäre er erlöst.
Die weiße Wand. Wenn er sich voll auf sie konzentrierte, setzte sich dieser Prozess in Gang. Mit geschlossenen Augen ging das nicht. Das war wie beim Einschlafen. Wenn er die Augen schloss, fielen die wirren, zusammenhanglosen Bilder über ihn her, machten ihn ärgerlich oder lüstern. Er brauchte das Weiß, wenn es auch nur ein Symbol, quasi ein Vorgeschmack vom Nichts war.
Manchmal starrte er es einfach nur an, mit weit offenen Augen, bis sie tränten, so wie jetzt.
Plötzlich spürte er, wie ein schwacher, kühlen Hauch seinen Arm streichelte. Kaum hörbar hatte sich die Tür geöffnet. Schritte kamen auf ihn zu. Eine junge Frau, Anfang Zwanzig, schob sich sachte zwischen ihn und die Wand. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Hallo Herr Grünwald, wie geht es uns heute? Dann kreuselte sie sorgenvoll die Stirn. „Oh Gott, wer hat sie denn hier so liegen lassen? Sie haben doch nicht schon wieder geweint? Ihre Augen tränen ja! Mit ernstem Gesicht nahm sie ein Taschentuch und beugte sich über ihn, um sie abzutupfen. Ihre Oberkörper berührten sich. Er spürte das nur schwach, aber er roch den Duft ihres Parfüms. Sie hatte ein hübsches Gesicht, er sah ihren vollen, roten Mund, die leicht sommersprossige, zarte Haut. Ihre schönen dunkelgrünen Augen versuchten, ihm nicht direkt ins Gesicht zu sehen. Sie richtete ihren Blick immer auf das, was sie gerade tat.
„Soo… das ist doch besser. Wieso drücken sie denn nicht einfach den Knopf, dann komme ich doch schon! Der Schalter liegt in ihrer Hand…hier, ihren finger können sie doch noch bewegen“, er spürte schwach, wie sie seinen Handrücken antippte. Dann vergewisserte sie sich, dass das Beatmungsgerät richtig in seinen Nasenlöchern steckte, richtete seine Beine, richtete die Füße auf, damit er durch das unbewegte Liegen keine Spitzfüße bekam. Schließlich schaute sie ihn unschlüssig an, als wüsste sie nicht, was sie ihm noch Gutes tun könnte. „Herr Grünwald, sie müssen doch nicht die ganze Zeit die Decke anstarren! Ich mache ihnen wieder den Fernseher an, dann haben sie eine schöne Ablenkung bis zum Einschlafen.“
Sie nahm vorsichtig seinen Kopf, legte ein Kissen darunter und drehte ihn sanft in Richtung des Bildschirms. Hätte sie beim Rausgehen noch einmal auf sein Gesicht gesehen, hätte sie bemerkt, dass seine Augen sich wieder mit Tränen gefüllt hatten.
 

Lakritze

Mitglied
... und reingefallen. Was sich erst las wie eine komplizierte Abhandlung über den Nutzen der Meditation ... Klasse; wenn es mir auch im ersten Teil etwas langatmig war. (Ich weiß, das hat alles seinen Sinn, aber das weiß man ja erst hinterher ...)

Darf ich mal versuchen zu kürzen?

Sein rasendes Herz beruhigte sich. Mit jedem Atemzug schlug es langsamer. Er blickte [strike]fest[/strike] auf die weiße Wand. Jeden anderen Gedanken, jede Assoziation versuchte er schon im Entstehen fortzuwischen. Keine Vorstellung, kein Wunsch, keine Begierde sollte sich in diesen Zustand mischen. Es gab keine Bewegung, keine Richtung, kein Wohin. Die Welt war draußen, weit weg. Er war völlig bei sich, in sich geschlossen. Reduziert auf diesen Punkt.
Es gab nur ihn und diese Wand, nichts sonst. Nur diese weiße Wand. Nur das Weiß. [strike]Das war seine objektive Realität. [/strike]Immer wieder musste er sich das vergegenwärtigen.
[strike]Irgende[/strike][blue]E[/blue]ine unbestimmbare innere Unruhe zog aber noch an ihm, verhinderte, dass er den Weg fand. Er [strike]versuchte, sich zu beruhigen, [/strike]konzentrierte sich.
Mit der Zeit hatte er immer besser gelernt, mit seinem Willen alle Gedanken und Bilder von Dingen, die [strike]möglicherweise [/strike]Begierde, Ärger oder Angst verursachen könnten, komplett auf[blue]zu[/blue]lösen[strike], sobald sie auftauchten[/strike]. Diese Bilder weckten nämlich die Begierden, [blue]und[/blue] waren die Begierden erst erweckt, war er ausgeliefert. Es war ihm erst vor [blue]k[/blue]urzem klargeworden, dass diese Gedanken und Bilder wie in einem Dauerfeuer auf den Geist einprasselten und wie machtvoll sie waren. Jeder kleine Gedankenfetzen konnte den Geist in grenzenlose, quälende Unruhe versetzen. Dann explodierte er fast. [strike]Er war dann hilflos ausgeliefert. [/strike]Wenn man aber seinen Geist s[red]o w[/red]eit beherrscht[blue]e[/blue], sich von den Bildern zu befreien, konnte man den Moment, die Situation einfach so nehmen[red],[/red] wie sie war. Keine Unruhe, keine Trauer oder Verzweiflung mehr. [blue][Aha, denkt der Leser: ein Verzweifelter.][/blue]
[blue][Im folgenden Abschnitt stehen immer wieder Wörter wie völlig, wahr, wirklich -- die wären sparsamer wirkungsvoller. -- Evtl. diesen und den nächsten Absatz ins Präsens setzen?][/blue]
Man blickte auf sich selbst, [strike]war wirklich [/strike]frei von [red]a[/red]llem. Dann kam [blue]die[/blue] [red]völlige[/red] Ruhe[strike] über einen[/strike]. Zeit spielte keine Rolle, man stand jenseits davon. Stunden empfand man wie Minuten.
[strike]Man war e[/strike]Ein [strike]wahrer [/strike]Meister seiner selbst [blue]sein:[/blue] Das [strike]war[/strike] [blue]bedeutete[/blue] völlige Freiheit von [red]s[/red]ich, von der Welt des Sinnlichen, des Körperlichen, deren Gefangene wir alle sind[blue][könnte weg?][/blue]. Dann war man nicht weit entfernt, in das Nichts einzugehen [blue][Vorschlag: Dann war es nur noch ein Schritt in das Nichts,][/blue], das Buddhisten und Hindus als Nirvana bezeichnen.
Ein sanftes Verlöschen im Nichts. Der Eingang in völlige Ruhe. Ob ihm das jemals gelingen [red]würde[/red]? Manchmal [strike]kam es ihm so vor[/strike][blue]schien ihm[/blue], sein Herzschlag ha[red]b[/red]e sich [strike]dann [/strike]s[red]o w[/red]eit gesenkt, als könnte er einfach überwechseln [blue][dass er einfach überwechseln könne][/blue]. Dann wäre er erlöst.[blue][Würde ich auch streichen -- der Schock für den Leser kommt ja erst noch.][/blue]
Die weiße Wand. Wenn er sich voll auf sie konzentrierte, setzte sich dieser Prozess in Gang. Mit geschlossenen Augen ging das nicht. Das war wie beim Einschlafen. Wenn er die Augen schloss, fielen die wirren, zusammenhanglosen Bilder über ihn her, machten ihn ärgerlich oder lüstern. Er brauchte das Weiß, [strike]wenn es auch nur [/strike]ein Symbol, [strike]quasi [/strike]ein Vorgeschmack vom Nichts[strike] war[/strike].
Manchmal starrte er es einfach nur an, mit weit offenen Augen, bis sie tränten, so wie jetzt. [blue][Evtl. weg?][/blue]
Plötzlich spürte er, wie ein schwacher, kühle[red]r[/red] Hauch seinen Arm streichelte. Kaum hörbar hatte sich die Tür geöffnet. Schritte kamen auf ihn zu. Eine junge Frau, Anfang Zwanzig, schob sich sachte zwischen ihn und die Wand. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Hallo Herr Grünwald, wie geht es uns heute?[red]"[/red] Dann kr[red]ä[/red]uselte sie[strike] sorgenvoll[/strike] die Stirn. „[strike]Oh Gott, w[/strike][blue]W[/blue]er hat [red]S[/red]ie denn hier so liegen lassen? Sie haben doch nicht schon wieder geweint? Ihre Augen tränen ja![red]"[/red] Mit ernstem Gesicht nahm sie ein Taschentuch und beugte sich über ihn, um sie abzutupfen. Ihre Oberkörper berührten sich. [blue][Zu aktiv für ihn: Ihr Oberkörper berührte den seinen.][/blue] Er spürte das nur schwach, aber er roch den Duft ihres Parfüms. Sie hatte ein hübsches Gesicht, er sah ihren vollen, roten Mund, die leicht sommersprossige, zarte Haut. Ihre schönen dunkelgrünen Augen versuchten, ihm nicht direkt ins Gesicht zu sehen. Sie richtete ihren Blick immer auf das, was sie gerade tat.
„Soo … das ist doch besser. Wieso drücken [red]S[/red]ie denn nicht einfach den Knopf, dann komme ich doch schon! Der Schalter liegt in [red]I[/red]hrer Hand … hier, [red]I[/red]hren [red]F[/red]inger können [red]S[/red]ie doch noch bewegen[red].“ E[/red]r spürte schwach, wie sie seinen Handrücken antippte. Dann vergewisserte sie sich, dass das Beatmungsgerät richtig in seinen Nasenlöchern steckte, richtete seine Beine, richtete die Füße auf, damit er durch das unbewegte Liegen keine Spitzfüße bekam. Schließlich schaute sie ihn unschlüssig an, als wüsste sie nicht, was sie ihm noch Gutes tun könnte. „Herr Grünwald, [red]S[/red]ie müssen doch nicht die ganze Zeit die Decke anstarren! Ich mache [red]I[/red]hnen wieder den Fernseher an, dann haben [red]S[/red]ie eine schöne Ablenkung bis zum Einschlafen.“
Sie nahm vorsichtig seinen Kopf, legte ein Kissen darunter und drehte ihn sanft in Richtung des Bildschirms. Hätte sie beim Rausgehen noch einmal auf sein Gesicht gesehen, hätte sie bemerkt, dass seine Augen sich wieder mit Tränen gefüllt hatten.
 

eiros

Mitglied
Vielen Dank für deine ausführliche Überarbeitung. Ich habe den Text zu hastig geschrieben, das war mir klar. -Dann werden auch die Texte meist ein bisschen ausufernd.
Ich hoffe aber, dass dir wenigstens die Grundidee gefällt, wenn auch ungenügend umgesetzt! Aber deine Hinweise helfen mir. Danke!
LG eiros
 

Lakritze

Mitglied
Ich hoffe, das habe ich klar gemacht: mir gefällt die Geschichte, und sie hat für mich funktioniert. Arbeit machen alle Texte, deshalb sind sie ja hier. :)

Ich habe noch einmal drüber nachgedacht, wie die Schwerpunkte liegen. Teil 1 (Zen) ist relativ ausführlich, was vom Spannungsbogen her sinnvoll ist. Teil 2 (Leben) allerdings auch: da wird die Schwester genau beschrieben, die Pflege, sein Zustand wird genauer beleuchtet. Wenn Du auf all das verzichten würdest, liefe es auf Folgendes hinaus:

»Plötzlich spürte er, wie ein schwacher, kühler Hauch seinen Arm streichelte. Kaum hörbar hatte sich die Tür geöffnet. Schritte kamen auf ihn zu. Eine junge Frau, Anfang Zwanzig, schob sich sachte zwischen ihn und die Wand. „Herr Grünwald, Sie müssen doch nicht die ganze Zeit die Decke anstarren! Ich mache Ihnen wieder den Fernseher an, dann haben Sie eine schöne Ablenkung bis zum Einschlafen.“
Sie nahm vorsichtig seinen Kopf, legte ein Kissen darunter und drehte ihn sanft in Richtung des Bildschirms. Hätte sie beim Rausgehen noch einmal auf sein Gesicht gesehen, hätte sie bemerkt, dass seine Augen sich[strike] wieder[/strike] mit Tränen gefüllt hatten.«

Ich weiß nicht, ob Dir das reicht; für den Spannungsbogen wäre es genug.
 

eiros

Mitglied
Hallo Lakritze!
Abermals Dank für die Vorschläge. Ich brauche einfach jemanden als Korrektiv, ich bin völlig betriebsblind.
Ja, der Anfang ist lang, liest eher wie eine geführte Meditation ,das war beabsichtigt. Mir war klar, dass da manche nicht mitgehen werden, weil zu "trocken". Die "Spannung" liegt ausschließlich in diesen rein innerlichen Prozessen.
Freut mich, wenn es dich trotzdem in die Geschichte "hineingezogen" hat.
Der 2. Teil: Stimmt schon, ich hätte die Schwester gar nicht näher beeschreiben müssen. Es gibt ja eigentlich keine Beziehung. Wenn ich es jetzt lese, finde ich es auch überflüssig, aber beim Schreiben kam es mir irgendwie notwendig vor.
Ich werde die Geschichte nochmal gemäß deiner Hinweise umarbeiten.
LG
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo eiros,
wenn du dir nicht sicher bist, ob dein Text schon "fertig" ist, dann kannst du die Schreibwerkstatt nutzen. Im Forum sollen bitte nur "fertige" Texte stehen. Hier soll dann nur noch der "Feinschliff" erfolgen.

LG Franka,
 



 
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