Der Zweifel und der Tollpatsch

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sonah

Mitglied
Zweifel, der kleine Teufel, sitzt am Rande des Teichs und sinniert über sein Leben. „Ich habe eine ganz wichtige Aufgabe, weißt du“, erklärt er dem Tollpatsch, der neben ihm sitzt. „Ach ja?“, entgegnet der Tollpatsch und patscht mit der flachen Hand auf das dickflüssige Tümpelwasser, sodass reichlich Tropfen und grünlich schleimige Flatschen durch die Luft fliegen. „Ich auch“, ergänzt er. „Ich tolle umher und ich patsche ins Wasser. Ungeheuer wichtig“, beteuert er.

„Naja“, rümpft der Zweifel die Nase. „Meine Aufgabe ist aber wirklich wichtig. „Ich schüre Zweifel.“ Er erklärt, dass dies gut sei, weil sonst die Menschen in Horden in ihr Verderben rennen würden und wo kämen sie dann noch hin?

„Wenn einer zu übermütig wird“, kichert der Zweifel, „dann springe ich hervor und jage ihm einen gehörigen Schrecken ein. Der ist dann so mit Denken beschäftigt, dass er nichts mehr zustande
bringt. Ist doch toll, oder?“

„Mit toll kenn ich mich aus“, versichert der Tollpatsch. „Aber, was du erzählst klingt nicht so gut. Da ist doch jeder frustriert und frustrierte Menschen sind unglücklich!

„Pah, glücklich, glücklich bringt doch nix und du bist auch kein gutes Beispiel. Schau mal, du bist mit grünlichem Schleim überzogen. Wie sieht das denn aus?“

Der Tollpatsch schaut an sich hinunter. „Genau richtig sieht das aus“, stellt er fest. „So muss ein Tollpatsch sein. Grünlich und schleimig und ... toll!“

Und er grinst den Zweifel ungeniert an.





Anmerkung: Trotz der gewählten Kinderbuchsprache richtet sich der Text primär an Erwachsene. Ich habe Kurzprosa als Rubrik gewählt, weil mir dies am besten zu passen scheint, auch wenn dieser Text etwas aus dem Rahmen fällt.
 
C

cellllo

Gast
SEHR SCHÖN !!!

Aber was macht der verschreckte frustrierte Zweifel,
wenn er es mit 2 Tollpatschs zu tun hat
und der Trick mit dem "Schrecken einjagen"
permanent in verkehrter Richtung zur Anwendung kommt ?

fragt Oma zweier Enkel ( 7 und 9 Jahre )
aus akutem Anlass...
 

sonah

Mitglied
Hallo Celllo,

danke für die sehr freundliche Bewertung und den Kommentar. Wenn der verschreckte Zweifel Probleme hat, empfehle ich Humor. Humor und grüner Schleim sind so ziemlich gegen alles ein Gegenmittel.

Beste Grüße,

Sybille
 

Kölle

Mitglied
Was nehme ich mit?

Der Tollpatsch (für mich die Unbekümmertheit) ist sich selbst genug, der Zweifel ein dienender Tyrann oder tyrannischer Diener. Er will die Menschen beschützen, damit sie nicht in Horden in ihr Verderben rennen.
Ja, und er macht es, indem er uns einen Schrecken einjagt und uns mit Denken beschäftigt.

Diese Geschichte kann ich in mir finden. Beispielsweise unbekümmert/tollpatschig schreiben wollen, und dann kommt der Zweifel, der sich bohrend einmischt und mich fragt, ob der Text gut genug ist für die kritischen Kritiker der LL. Mein Zweifel will mich retten vor Kritik, Besserwisserei und Rechthaberei, aber eigentlich und vor allem will mein Zweifel mir dienen und mich davor bewahren, dass ich vielleicht Frust und Geringschätzung erlebe.

Diese Geschichte, liebe sonah, findet auch in mir statt, und Gott sei Dank kann sich der sich selbst genügende "Tollpatsch" oft genug durchsetzen.

Danke für diesen Link in mein Herz hinein.

LG Kölle
 

herziblatti

Mitglied
Hallo sonah, ich bin ziemlich erwachsen, frag mich allerdings, was der an mich gerichtete Text mir zur Kenntnis bringen soll? Ich finde keine Philosophie, keine Botschaft, noch nicht mal ein Augenzwinkern. Ratlos - herziblatti
 

sonah

Mitglied
Hallo Kölle,

Du siehst den Zweifel eher als Beschützer, für mich hat er in erster Linie auch etwas lähmendes, zerstörendes.

Hallo Herziblatti,

der Text scheint Dich nicht anzusprechen.

Das ist ok, er kann nicht allen gefallen. Was sagt das mir? Die Geschmäcker und Einschätzungen sind eben sehr verschieden.

Der Text ist als "Beifang" in einem Schreibseminar entstanden, dabei sehr gut angekommen, wodurch ich mich ermutigt fühlte, ihn in der Leselupe zu "präsentieren" und bin nach wie vor auf Reaktionen gespannt.

Ich glaube, dass er die Mitschreibenden (in dem Schreibseminar) angesprochen hat, weil darin dieser innere Konflikt zwischen dem eher spielerischen, kreativen Selbst und der höheren Vernunft, dem Anspruch und dem Selbstschutz (an anderer Stelle auch als "innerer Kritiker" bezeichnet) in einfacher Sprache und anschaulich dargestellt wird.

Ich will aber eigentlich keine Erklärungen "nachschieben", wenn der Text nicht für sich selbst spricht, hat er sein Ziel verfehlt.

LG

Sybille
 

Kölle

Mitglied
hallo sonah,

wenn ich deinen Kommentar richtig lese, sehen wir es doch sehr ähnlich.

Ich erkenne in ihm einen tyrannischen Diener, und ich sehe - nach deiner Aussage - in ihm einen "Beschützer". Weiter unten beschreibst du ihn mit deinen Worten als jemand, der dem Selbstschutz dient. Wie unterscheiden wir uns da?

Dass der Zweifel einen auch noch lähmt, ist für mich das Tyrannische an ihm. Er kommt als Wohltäter daher und macht uns gleichzeitig das Leben schwer.

Das ist es, was ich aus der Geschichte rauslese. Steh ich total auf der Leitung oder sehen wir es nicht ähnlich?

LG Kölle
 
C

cellllo

Gast
Liebe sonah D A N K E für Deinen weisen Oma-Rat :) :)
M e i n Rat ab D i c h herzblatti :
z.B. einfach Kölles schönen ersten Kommentar lesen !!!
cellllo
 

sonah

Mitglied
Hallo Kölle,

nein Du stehst nicht auf der Leitung, meine ich. Der tyrannische Diener als Beschützer - das ist schön formuliert.

Hallo Celllo,

ich wünsche weiterhin viel Spaß mit der Rasselbande.

LG

Sybille
 
A

aligaga

Gast
Ich finde es schade, dass die Rechtschreibreform den sympathischen Tolpatsch unwiederbringlich zum Tollpatschen gemacht hat, also einem, der sie nicht alle ganz hat.

Das Texterl krankt daran, dass der Person des Tollpatschen eine substantivierte Tätigkeit an die Seite gestellt wird statt ebenfalls eine Person - der Zweifler. Der Zweifler ist kein Sympathieträger wie der (ursprüngliche) Tolpatsch, sondern einer, der vor lauter Angst, einen Fehler zu machen, das allerfalscheste macht - nämlich gar nichts. Dass Zweifel gesünder wären als die Gewissheit, ist zumindest diskutabel. So eindeutig positiv besetzt wie in sonahs Stückerl sind sie jedenfalls nicht.

Der Plot hängt deshalb insgesamt ein wenig schief. Es werden Birnen mit Äpfeln verglichen; so etwas kommt auch literarisch nie gut.

Tipp: aus den Zweifel-Teufel den echten Zweifler machen und ihn einem Tollpatsch gegenüberstellen, der eigentlich nur ein Tolpatsch ist. So einer wie Eichendorffs "Taugenichts" - der hat die Zweifler ausgelacht und auf seiner Fiedel gekratzt.

Gruß

aligaga
 

herziblatti

Mitglied
Hallo sonah, der Gegenpart des Zweifels ist das Vertrauen. Ein Thema, das laut Bibel mit dem Apfel der Erkenntnis in die Welt kam und jeder Schreibende (und ziemlich sicher auch der Nicht-Schreibende) kennt. Der Tol(l)patsch ist der Kinderliteratur entlehnt und deshalb greift nach meiner Ansicht der Text nicht. Liebe Grüße - herziblatti

Hallo cellllo, Deinen Rat gebe ich Dir mit Dank zurück zu Deiner freien, beliebigen Weiterverwendung. Freundliche Grüße - herziblatti
 

sonah

Mitglied
Hallo aligaga,

ich finde Deinen Kommentar gut, weil er eine Schieflage erkannt und gut erklärt hat, dabei auch noch spritzig geschrieben ist.

Das Problem daran, den Zweifel zum Zweifler zu machen ist folgendes: Er selbst zweifelt ja nicht, er ist felsenfest von seiner wichtigen Aufgabe überzeugt, er ist dazu da den Zweifel zu wecken, ist also ein Zweifelkatalysator, wenn man so will. Das nun sprachlich glatt (und auch noch möglichst originell) umzusetzen ist jetzt eine neue Herausforderung für mich. Ich weiß jedoch nicht, ob mir entsprechendes einfällt.

Zur Rechtschreibungreform: Der Text hätte wohl ohne die Rechtschreibreform nicht enstehen können, denn ein herumtolender Tolpatch würde den Bogen doch zu weit überspannen.

Hallo herziblatti,

ich verstehe Deinen Kommentar jetzt so, dass er in eine ähnliche Richtung zielt wie der von aligaga, dass der Gegenpol von Zweifel und Tollpatch nicht so stimmig sei.

Ich werde mir dazu noch ein paar Gedanken machen.

Ich danke auf jeden Fall fürs Lesen und Kommentieren. Auch wenn dadurch nicht sogleich eine neue Fassung entstehen sollte, denke ich doch, dass die Anmerkungen auf fruchtbaren Boden fallen.

LG

Sybille
 
A

aligaga

Gast
Der Zweifler wäre ein Unsympath, sonah. Niemand bräuchte ihn wirklich.

Schade, dass du den Unterschied zwischen dem in die Weite der Puszta geborenen, gutmütigen Tolpatsch und dem vom deutschen Michel daraus gemachten Deppen, der von der Tollwut getrieben ist, nicht erkennen magst.

Mit einem Tolpatschen könntest du den ganzen Tag Kurzeweyl haben, mit einem Zweifler nicht. Der brächte dich über kurz oder lang an den Rand der Verzweiflung - wenn du Pech hast, noch darüber hinaus. Der Zweifler ist ein ganz widerlicher T(r)ollpatsch, vor dem man sich hüten sollte.

Lies doch ein bisserl in "Aus dem Leben eines Taugenichts"! Da steht drin, wie man diesem Drachen am einfachsten beikommt.

Gruß

aligaga
 

sonah

Mitglied
Hallo Kölle,

mir schwirrt gerade der Kopf, aber die Idee klingt nicht schlecht.

Hallo Aligaga,

Den Taugenicht habe ich in der Schule gelesen. Aber trotzdem danke für den Tipp. Oh, sorry. Tip.

Wo ich zustimme: Der Zweifler kann ein T(r)ollpatsch sein. In der Tat.

Wenn ich mich erinnere, hast Du den "Zweifler" als Vorschlag eingebracht. Und nun heißt es, niemand braucht ihn.

Ich fühle mich langsam etwas verarscht hier bzw. die Diskussion gleitet ins Absurde. Wenn das nicht Deine Absicht war, haben wir wohl aneinander vorbeikommuniziert. Wenn es Deine Absicht war: Gibt es keine lohnenderen Aktivitäten?

LG

Sybille
 
A

aligaga

Gast
In der Erstkritik schrieb ich:
Das Texterl krankt daran, dass der Person des Tollpatschen eine substantivierte Tätigkeit an die Seite gestellt wird statt ebenfalls eine Person - der Zweifler. Der Zweifler ist kein Sympathieträger wie der (ursprüngliche) Tolpatsch, sondern einer, der vor lauter Angst, einen Fehler zu machen, das allerfalscheste macht - nämlich gar nichts. Dass Zweifel gesünder wären als die Gewissheit, ist zumindest diskutabel. So eindeutig positiv besetzt wie in sonahs Stückerl sind sie jedenfalls nicht.

Der Plot hängt deshalb insgesamt ein wenig schief. Es werden Birnen mit Äpfeln verglichen; so etwas kommt auch literarisch nie gut.

Tipp: aus den Zweifel-Teufel den echten Zweifler machen und ihn einem Tollpatsch gegenüberstellen, der eigentlich nur ein Tolpatsch ist. So einer wie Eichendorffs "Taugenichts" - der hat die Zweifler ausgelacht und auf seiner Fiedel gekratzt.
und hab dem später noch Folgendes hinzugefügt:
Der Zweifler wäre ein Unsympath, sonah. Niemand bräuchte ihn wirklich.
Meine Kritik war und ist eine Zweifache: Zum einen vergesellschaftest du in deinem Text ein Subjekt (den Tollpatsch) mit einer substantivierten Eigenschaft (dem „Zweifeln“), zum anderen schreibst du dem „Zweifeln“ Qualitäten zu, die es gar nicht hat.

Mein Rat war: Den Zweifel personifizieren und gegen den Tolpatsch stellen. Und schon würde es ein spannendes, stimmiges G’schichterl. Am Ende möchte der Zweifler lieber Tolpatsch sein, aber kein Tolpatsch je Zweifler.

Was sollte an dieser banalen Erkenntnis absurd sein?

Gruß

aligaga
 

Maribu

Mitglied
Hallo Sybille,

interessante Kurzprosa!
Als "Kinderbuchsprache" empfinde ich es nicht. Es kommt auf das Alter an. "Frustiert" ist nicht unbedingt ein Wort, das Kinder kennen. (wie z.B.toll und geil)

Natürlich hat der "Zweifel" recht, dass er wichtig ist, Zweifel zu säen, sonst würden wohl noch mehr Leute Amok laufen und noch mehr Kriege stattfinden, wie wir sie jetzt schon haben!

Den "Tollpatsch" sehe ich als Synonym für einen einfältigen, aber glücklichen Menschen, der keinen Zweifel hat und ihn auch nicht braucht.
L.G. Martin
 

sonah

Mitglied
Zweifel, der kleine Teufel, sitzt am Rande des Teichs und sinniert über sein Leben. „Ich habe eine ganz wichtige Aufgabe, weißt du“, erklärt er dem Tollpatsch, der neben ihm sitzt. „Ach ja?“, entgegnet der Tollpatsch und patscht mit der flachen Hand auf das dickflüssige Tümpelwasser, sodass reichlich Tropfen und grünlich schleimige Flatschen durch die Luft fliegen. „Ich auch“, ergänzt er. „Ich tolle umher und ich patsche ins Wasser. Ungeheuer wichtig“, beteuert er.

„Naja“, rümpft der Zweifel die Nase. „Meine Aufgabe ist aber wirklich wichtig. „Ich schüre Zweifel.“ Er erklärt, dass dies gut sei, weil sonst die Menschen in Horden in ihr Verderben rennen würden und wo kämen sie dann noch hin?

„Wenn einer zu übermütig wird“, kichert der Zweifel, „dann springe ich hervor und jage ihm einen gehörigen Schrecken ein. Der ist dann so mit Denken beschäftigt, dass er nichts mehr zustande bringt. Ist doch toll, oder?“

„Mit toll kenn ich mich aus“, versichert der Tollpatsch. „Aber, was du erzählst klingt nicht so gut. Da ist doch jeder frustriert und frustrierte Menschen sind unglücklich!

„Pah, glücklich, glücklich bringt doch nix und du bist auch kein gutes Beispiel. Schau mal, du bist mit grünlichem Schleim überzogen. Wie sieht das denn aus?“

Der Tollpatsch schaut an sich hinunter. „Genau richtig sieht das aus“, stellt er fest. „So muss ein Tollpatsch sein. Grünlich und schleimig und ... toll!“

Und er grinst den Zweifel ungeniert an.





Anmerkung: Trotz der gewählten Kinderbuchsprache richtet sich der Text primär an Erwachsene. Ich habe Kurzprosa als Rubrik gewählt, weil mir dies am besten zu passen scheint, auch wenn dieser Text etwas aus dem Rahmen fällt.
 

sonah

Mitglied
Zweifel, der kleine Teufel, sitzt am Rande des Teichs und sinniert über sein Leben. „Ich habe eine ganz wichtige Aufgabe, weißt du“, erklärt er dem Tollpatsch, der neben ihm sitzt. „Ach ja?“, entgegnet der Tollpatsch und patscht mit der flachen Hand auf das dickflüssige Tümpelwasser, sodass reichlich Tropfen und grünlich schleimige Flatschen durch die Luft fliegen. „Ich auch“, ergänzt er. „Ich tolle umher und ich patsche ins Wasser. Ungeheuer wichtig“, beteuert er.

„Naja“, rümpft der Zweifel die Nase. „Meine Aufgabe ist aber wirklich wichtig. „Ich schüre Zweifel.“ Er erklärt, dass dies gut sei, weil sonst die Menschen in Horden in ihr Verderben rennen würden und wo kämen sie dann noch hin?

„Wenn einer zu übermütig wird“, kichert der Zweifel, „dann springe ich hervor und jage ihm einen gehörigen Schrecken ein. Der ist dann so mit Denken beschäftigt, dass er nichts mehr zustande bringt. Ist doch toll, oder?“

„Mit toll kenn ich mich aus“, versichert der Tollpatsch. „Aber, was du erzählst klingt nicht so gut. Da ist doch jeder frustriert und frustrierte Menschen sind unglücklich!

„Pah, glücklich, glücklich bringt doch nix und du bist auch kein gutes Beispiel. Schau mal, du bist mit grünlichem Schleim überzogen. Wie sieht das denn aus?“

Der Tollpatsch schaut an sich hinunter. „Genau richtig sieht das aus“, stellt er fest. „So muss ein Tollpatsch sein. Grünlich und schleimig und ... toll!“

Und er grinst den Zweifel ungeniert an.
 



 
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