Der beste 2-jährige, doch dann kam Stoffels

Heinz Tölle

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Autor : Heinz Tölle

Der beste 2-jährige, doch dann kam Stoffels...

Es gibt immer wieder Menschen, die sich zusammenschließen um einen Verein zu gründen, oder einen Klub. Einen Kegelklub zum Beispiel oder einfach nur eine Besitzergemeinschaft.
Eine Besitzergemeinschaft ist z.B. ein Klub für Galopprennsport begeisterte. Meistens sind es Laien, Menschen die sehr wenig vom Lebewesen Pferd und noch weniger von der Materie Galopprennsport verstehen, aber trotzdem mit Spaß bei der Sache sind. Sie besuchen mit Freude die Rennbahnen um spannende Wettkämpfe zu sehen, in denen sie die edlen Vollblüter wetten können und viele von Ihnen träumen davon einmal ein eigenes Pferd für sich allein zu besitzen. Rennpferde sind allerdings deutlich teurer im Unterhalt als zum Beispiel Reitpferde, die ausschließlich von Hobbyreitern genutzt werden. Denn Rennpferde sind Hochleistungssportler und brauchen einen professionellen Trainer. Einen, der einen individuellen Trainings- und Ernährungsplan erstellt und möglichst die besten Jockeys engagiert. Das kostet natürlich einiges. Darum finden sich immer wieder Menschen zusammen, die sich die hohen Kosten teilen und die – hoffentlich – erfolgreiche Rennlaufbahn ihres Galoppers gemeinsam erleben und feiern können.
Eines Tages entschlossen sich vier Männer, alle seit vielen Jahren miteinander bekannt, das Abenteuer Galopprennsport gemeinsam anzugehen. Sie ließen sich von einer der wenigen seriösen Agenturen beraten, die ausschließlich Galopprennpferde vermitteln und kauften auf deren Empfehlung hin schließlich einen Jährling, den sie einem überdurchschnittlich erfolgreichen Trainer anvertrauten.
Der Hengst war etwa 18 Monate alt, als er im Oktober vom Heimatgestüt in den Rennstall überstellt und dort mit aller Ruhe und Geduld professionell eingeritten und mit gut dosiertem Training behutsam an den Ernst des Lebens herangeführt wurde. Es vergingen einige Wochen der leichten Schritt- und Trabarbeit, bevor der hübsche Nachwuchsgalopper auf die Trainierbahn durfte und seine ersten Runden im gemäßigten Galopp absolvieren konnte. Er lernte seine Lektionen sehr schnell und war mit viel Freude und Ehrgeiz bei der Sache.

Bereits im Frühjahr des darauffolgenden Jahres machte er im täglichen Training durch seine Schnelligkeit auf sich aufmerksam. Es stellte sich heraus, dass er ein ziemlich früh fertiges Pferd war, das möglicherweise schon ab Mitte Mai des laufenden Jahres, in den ersten Rennen für 2-jährige Pferde, startklar sein könnte. Offensichtlich brauchte er nicht viel Anlaufzeit um in Form zu kommen, und scheinbar kannte er auch keinerlei Störungen, die sein Wachstum in diesem jungen Alter beeinflussten oder durch Überanstrengung entzündliche Beine hervorbrachten. Der Trainingsplan konnte vollumfänglich eingehalten werden, was in erster Linie der Besitzergemeinschaft viel Freude bereitete.
Trainer Piet van Landen ließ den Hengst, nachdem dieser eine ausreichende Grundkondition hatte, zusammen mit anderen 2-jährigen Pferden auf der Gras-Trainierbahn wöchentlich einige flotte Trainingsgalopps absolvieren, bei denen er immer weit vor seinen Artgenossen durch das imaginäre Ziel kam. Damit zeigte er nicht nur seine Bereitschaft schnell laufen zu wollen, sondern deutete bereits schon seine Klasse an.
Die ungeduldige Besitzergemeinschaft, allen voran Udo Stoffels, der selbsternannte Sprecher des neu gegründeten “Stall Bergpass“, drängte den Trainer darauf Resofiet, so der Name des Pferdes, so bald wie möglich im Rennen laufen zu lassen. Sie alle waren gespannt auf den ersten Wettkampf ihres Hengstes und fieberten dem Debüt entgegen, das tatsächlich bereits im anvisierten Monat Mai im schönen Schwarzwald stattfinden sollte.
Resofiet war von seinem Trainer auf das Renndebüt sehr gut vorbereitet worden und kam auf der Rennbahn Iffezheim, nahe der Kurstadt Baden-Baden, topfit an den Start. Er gewann sein erstes Rennen sehr leicht und in einer Art und Weise, die darauf schließen ließ, dass hier ein Pferd mit weit überdurchschnittlichem Talent unterwegs ist. Die vier Mitglieder des “Stall Bergpass“ waren überglücklich, ja fast schon euphorisch in Hinblick auf das, was von dem Hengst noch zu erwarten war.

Denn es war nicht irgendein Rennen das er gewonnen hatte, auch wenn es für seine Gegner ebenfalls der erste Lebensstart war und deren tatsächliches läuferisches Potenzial noch nicht endgültig eingestuft werden konnte. In diesem ersten Rennen für 2-jährige Galopper, kommen immer Hoffnungsträger an den Start. Es ist stets das erste Zusammentreffen der jungen Pferde in der jeweils neuen Rennsaison. Pferde aus größeren Rennställen, deren Trainer mit ihren Vierbeinern hochgesteckte Ziele verfolgen, traten hier an. Dieser leichte Sieg, gleich bei seinem ersten Start und gegen diese Gegner, sollte für seine weitere Rennlaufbahn richtungsweisend sein.
Nur wenige Wochen nach seinem Debüt-Sieg, gewann Resofiet auch seinen zweiten Start. In diesem Listenrennen, ein Rennen der gehobenen Klasse, war er – gegen sehr starke Gegner – wieder leicht voraus. Nach diesem erneuten Erfolg war der Hengst zunächst bundesweit das erfolgreichste Pferd aus seinem Jahrgang. Dem entsprechend, schraubten die Besitzer die Erwartungen an das Leistungsvermögen des Hengstes noch ein gutes Stück nach oben. Schließlich war man ja Fachmann und konnte die individuelle Klasse von Resofiet exakt einschätzen, dachten sie.
Udo Stoffels, der sich mittlerweile einige Fachbücher besorgt und in die Materie Galopprennpferde eingelesen hatte, war der festen Überzeugung, jetzt, wo er diese Lektüren – geschrieben von Theoretikern – studiert hatte, alles über das trainieren und die richtige - die bedarfsgerechte - Fütterung von Galopprennpferden zu wissen. Ihm würde keiner mehr etwas vormachen, da war er sich sicher.
Natürlich war das eine grandiose Fehleinschätzung, aber wenn Stoffels sich einmal etwas eingeredet hatte, war es schwer ihn davon abzubringen und von Fakten zu überzeugen. Überzeugt war er grundsätzlich nur von sich selbst und daran wollte er auch nichts ändern. Die bisher gezeigten, tadellosen Leistungen von Resofiet und die Tatsache, dass er nach den gelaufenen Rennen noch stärker wurde, sich vor allem im Muskelaufbau und konditionell enorm weiterentwickelte und sich sichtlich wohlfühlte, veranlasste den Trainer einen weiteren Start ins Auge zu fassen.

Wieder war es ein Listenrennen, das es zu gewinnen galt. Nur kam Resofiet diesmal nicht in die engere Platzierung. Er lief ein bisschen nichtssagend und hatte keine Möglichkeit auf einen der drei ersten Plätze zu kommen. Irgendwie fehlte ihm an diesem Tag die Frische.
Während Piet van Landen, als erfahrener Trainer, diese gezeigte Rennleistung nicht so dramatisch nahm, da es – gerade bei so jungen Pferden – immer wieder zu Wachstumsschüben kam, die insgesamt zwar sehr willkommen, aber am Renntag absolut nicht gewünscht sind, weil sie die Leistungen negativ beeinflussten, war er sich relativ sicher, dass Resofiet beim nächsten Start mit großer Wahrscheinlichkeit wieder ein besseres Ergebnis abliefern
Drei der Besitzer, mit Udo Stoffels an vorderster Front, ließen nach dem Rennen jedoch ihrem Unmut freien Lauf und machten dem Trainer deutlich, dass sie so eine “schlechte Leistung“ ihres Pferdes nicht noch einmal erleben möchten. Dabei war Resofiet im dicht gedrängten Mittelfeld gelandet und hatte – unter dem Strich – gegen wirklich gute Pferde, nicht enttäuscht. Aber Stoffels hatte ganz andere Ambitionen, hohe Zielsetzungen, in die diese Niederlage nicht hinein passte.
An dieser Stelle kam in der noch frischen Besitzergemeinschaft schon ein wenig Unruhe auf. Während einer der Gründungsmannschaft ein zurückhaltender Realist war, der die Meinung und die Einschätzung eines erfahrenen Trainers respektierte, ignorierten Stoffels und seine beiden weiteren Mitstreiter die Argumentation von Trainer van Landen. Sie waren geistig etwas abgehoben und dachten der Trainer hätte nicht viel Ahnung von seinem Beruf. Und das, obwohl Piet van Landen praktisch im Pferdestall geboren wurde und im Umgang mit Rennpferden jahrzehntelange Erfahrungen mitbrachte, sowie als Trainer beachtliche Erfolge vorzuweisen hatte.
Beim vierten und nach Planung auch letzten Jahresstart von Resofiet, sah dieser die bisher stärksten Gegner in seiner noch jungen Laufbahn. In einem Gruppe-Rennen sollte der Hengst an seine Leistungsgrenze stoßen und der Konkurrenz möglichst die Hacken zeigen. Doch diese Konkurrenz hatte es in sich.

Gruppe-Rennen waren die absoluten Highlights, denn sie standen noch eine Etage über den Listenrennen und waren die oberste Liga der galoppierenden Vollblüter.
Dabei gab es Gruppe III, Gruppe II und Gruppe I Rennen, wobei die Gruppe I Rennen – im Stellenwert - vergleichbar mit der Formel I des Automobilrennsports waren.
Ein Sieg in diesem zur Gruppe II zählenden Rennen und Resofiet würde in dieser Saison zum erfolgreichsten Galopper aller 2-jährigen Pferde in Deutschland aufsteigen.
Als der Tag gekommen war, die elf jungen 2-jährigen Hengste pfeilschnell aus ihren Startboxen rasten und sich die Pferde nach den ersten 150 Metern Renndistanz formiert hatten, war Resofiet im Vordertreffen des dicht gedrängten Feldes gleich in guter Ausgangslage. Er galoppierte an dritter Position, nur zwei Längen hinter dem führenden Pferd und sein Jockey forderte ihn erst auf den letzten 300 Metern des Rennens energischer auf, in dem er mit der Zunge schnalzte und kräftig vorwärts ritt.
Sofort reagierte der Hengst, in dem er einen Gang höher schaltete, und tatsächlich zeigte Resofiet in diesem Rennen seine – bis dahin – beste Leistung überhaupt. Im Finish, etwa 30 Meter vor dem Ziel, kämpfte er sich nach vorne. Knapp, mit einem „Hals“ Vorsprung galoppierte er der rettenden Linie entgegen. Links und rechts von ihm tauchten die Gegner auf und kamen wieder näher heran. Die Jockeys setzten ihre Peitschen ein und unterstützten, mit den Händen reitend, ihre Pferde. Resofiet gab alles. Kämpferisch nahm er die Ohren ins Genick, machte sich ganz klein, schmiss die Beine nach vorne und war so schnell wie nie zuvor. Nur noch drei Galoppsprünge bis zum Ziel, dann war es geschafft. Er streckte sich noch einmal, mobilisierte die letzten Kraftreserven und schien schon fast gewonnen zu haben, als er sich plötzlich erschrak und kurz stutzte. Es war nur ein winziger Moment, aber der genügte, um einen Gegner an ihm vorbeiziehen und das Rennen mit einer Nasenspitze gewinnen zu lassen.

Natürlich war nach dieser Niederlage nicht der Trainer der Schuldige, sondern der Jockey. So sahen es zumindest Udo Stoffels und zwei seiner Kumpanen. Der Vierte aus der Runde hielt sich zurück.
Er hatte sich die Rennsituation von Piet van Landen und dem Reiter erklären lassen und nach nochmaliger Ansicht des Rennfilms war ihm klar, dass ein Jockey absolut machtlos ist, wenn ein Pferd plötzlich stutzt oder sogar abstoppt. In diesen Millisekunden kann kein Reiter etwas beeinflussen, muss die Reaktion des Pferdes einfach über sich ergehen lassen.
Pech war es, einfach nur Pech, das Resofiet sich, als noch relativ unerfahrenes Pferd, kurz vor dem Ziel vor irgend etwas erschreckt, kurz gestutzt und dadurch das Rennen verloren hatte. Vielleicht hatte ihn die Sonne geblendet oder das Blitzlicht eines Fotografen, der hinter dem Zielpfosten im Innenraum der Rennbahn stand. Was es auch war, es spielte keine Rolle. Das Rennen war verloren.
Andererseits war dieses Ergebnis eine ganz hervorragende Leistung des Hengstes, was sich auch zum Jahresende mit einer Platzierung unter den ersten drei der bundesweit erfolgreichsten 2-jährigen Pferde niederschlug.
Die Besitzergemeinschaft war sich jedoch uneins und fing langsam an auseinander zu bröckeln. Stoffels und seine beiden – ebenfalls unrealistischen Mitstreiter – machten bereits große Pläne für das nächste Rennjahr. Für diese drei würde Resofiet als 3-jähriger nicht zu schlagen sein. Sie hoben den Hengst auf den Olymp, glaubten das beste Rennpferd aller Zeiten zu besitzen. Natürlich würden sie auch einen anderen Jockey verpflichten, nicht so eine Pfeife wie beim letzten Start. Einen wahren Champion würden sie engagieren, vielleicht sogar einen dieser Sattelkünstler aus Frankreich.
In Wirklichkeit ritten die Franzosen natürlich auch nicht besser als die deutschen Jockeys, nur standen sie mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Sie waren präsenter, greifbarer als die deutschen Jockeys. Darum stuften viele passive Galopprennsport begeisterte die Ausländischen Reiter höher ein als unsere Jockeys.

Paul, der einzig vernünftige vom “Stall Bergpass“, hatte keine Lust mehr sich die Spinnereien der anderen anzutun und stieg aus. Er ahnte, dass so ein Klugscheißer wie Stoffels nicht zu belehren war und es zukünftig eine Menge Ärger geben könnte, wenn die erwarteten Rennleistungen des Pferdes sich nicht in entsprechenden, fest eingeplanten, Ergebnissen niederschlugen.
Paul ließ sich seinen Anteil auszahlen und verließ die Besitzergemeinschaft. Der Stall Bergpass bestand nun noch aus 3 Mitgliedern, die sich hoffnungsfroher denn je auf künftige Renn- und Geldgewinne freuten. Durch drei teilen ist besser als durch vier, so ihre Überlegung, die sie auch Paul mit auf den Weg gaben.
Kommt nur drauf an, ob Gewinne oder Verluste verteilt werden, dachte Paul und lächelte still vor sich hin.
Udo Stoffels, der sich mittlerweile zum Rädelsführer entwickelt hatte , stellte sich mehr und mehr als Oberlehrer heraus. Lesen hatte er zu seiner Leidenschaft gemacht. Allerdings nur Fachbücher über Galopprennpferde. Keines dieser Bücher war von einem Praktiker oder einem Aktiven geschrieben. Zu seiner Lektüre gehörten auch Bücher über den Hufbeschlag, der bei den Vollblütern ein anderer ist, als bei Reit- Dressur- oder Turnierpferden. Die Renneisen (so wurden sie genannt), also die Hufeisen, die extra für die Rennen benutzt wurden, waren gar keine Eisen. Sie waren aus Aluminium und pro Huf um etwa 100 gr. leichter als die aus Stahl gegossenen – so genannten – Arbeitseisen.
Wenn ein Pferd, auf alle vier Hufe verteilt, etwa 400 Gramm pro Galoppsprung weniger Gewicht zu halten hatte – vor allem, wenn der Boden vom Regen aufgeweicht oder gar tief und somit sehr kraftraubend war –, konnte dieser Umstand sogar positiv rennentscheidend sein.

Der Substanzverlust im Rennen war geringer als bei den schweren, aus Stahl gegossenen Beschlägen und so konnten die Pferde zum Ende des Rennens hin noch Kraftreserven in die Waagschale werfen, die sie sonst nicht hätten. Vor allem, wenn es über weitere Distanzen ging und die Pferde 800 bis 1.000 Galoppsprünge bis zum Ziel brauchten, machte es sich bemerkbar. Immerhin sind 1000 Galoppsprünge mal 400 gr. satte 400 Kilo. Und die zu tragen, geht in die Beine.
Und weil die Alubeschläge um so vieles leichter waren und gegenüber den Arbeitseisen deutliche Vorteile hatten, wurden sie natürlich vorzugsweise für die Rennen genutzt.
Am ersten Samstag nach dem unglücklichen 2. Platz von Resofiet, kam Udo Stoffels ohne seine verbliebenen Mitbesitzer zum Stall von Trainer van Landen. Er hatte einen Plan bei sich, der für das kommende Jahr die Rennroute von Resofiet vorzeichnete. Außerdem hatte er ein Buch über den Hufbeschlag bei Rennpferden mit, da er sich auch noch intensiv mit dem Schmied auseinander setzen wollte.
Voller Enthusiasmus ging er zum Trainer und versuchte ihm den Rennplan für Resofiet zu erläutern. Dieser hörte ihm nur amüsiert zu und machte ihn darauf aufmerksam, dass man sich von Rennpferden zwar etwas wünschen, für sie aber keineswegs die Rennroute eines ganzen Jahres festlegen konnte.
Ein ganzes Jahr lang Höchstleistungen zu bringen war nicht möglich. Das schaffte kein Sportler der Welt. Egal ob Mensch oder Tier, irgendwann brauchte jeder eine Pause und erst im Verlauf einer Saison konnte man sehen, wie es weiter gehen soll. Nur wenn die Höchstform zur Verfügung steht und die Gesundheit mitspielt, erst wenn diese Kriterien gegeben waren, konnte nachhaltig geplant werden.
Auch wusste niemand auf welche Gegner man traf. Wie gut waren die Pferde, gegen die man antreten musste ? Vielleicht waren sie deutlich besser als das eigene Pferd ? Niemand konnte das vorausahnen.

Aber Stoffels hatte seine eigene Theorie. Er hatte für Resofiet, wenn dieser im nächsten Jahr 3-jährig ist € 250.000,- und ein Jahr später, 4-jährig, € 500.000,- Gewinnsumme eingeplant.
Betriebswirtschaftliche Hochrechnung nannte Stoffels diese finanziellen, völlig überzogenen Ziele. Schöne Theorie von diesem Schlaumeier, die Siege und Geldgewinne der kommenden Jahre bereits frühzeitig einzuplanen. Aber hatte er etwa vergessen, dass es hier nicht um nackte Zahlen, sondern um Lebewesen ging, deren Leistungen nicht auf Knopfdruck abrufbar sind ? Das es nicht um Rechenkünste am Flipchart, sondern um knallharte Kämpfe auf dem grünen Rasen geht ?
Piet van Landen versuchte Stoffels klar zu machen, dass es besser sei die Karriereplanung für Resofiet in der Schublade verschwinden zu lassen und das Pferd nach seiner künftigen Entwicklung und Fitness an den Start zu bringen.
Schon etwas angefressen, da der Trainer von seinen Plänen nicht so begeistert war, wie Stoffels sich das vorgestellt hatte, drehte er sich wortlos um und ging zu der Boxe von Resofiet, um sein Pferd dort zu begrüßen.
Hennes, der Hufschmied, war gerade dabei dem Hengst neue Eisen anzupassen. Arbeitseisen, denn Resofiet hatte seine Rennsaison ja bereits abgeschlossen. Stoffels kam der Schmied gerade recht, denn er hatte sein Buch über den Hufbeschlag noch in der Hand. Nun wollte er Theorie und Praxis miteinander vergleichen.
Er ging in die Boxe und sah Hennes zu, wie der gerade einen Nagel in den linken Vorderhuf des Pferdes einschlug. Der Gehilfe von Hennes stand am Kopf von Resofiet und beschäftigte sich mit ihm, damit dieser sich während des Beschlagens ruhig verhielt. Er streichelte ihm die Stirn und sprach ihn an. Er erzählte ihm wie hübsch und brav er sei und sagte ihm Dinge, die Resofiet auch nicht verstand. Durch die wohlklingende Stimme und den ruhigen Tonfall des Gehilfen, hatte der junge Hengst aber volles Vertrauen zu den beiden Schmieden und stand ruhig und geduldig da.
Was aber Hennes während des Beschlagens passierte, ist wohl – weltweit - einmalig im Galopprennsport.

Udo Stoffels stellte sich neben den Schmied, sah diesem bei seiner Arbeit zu und blätterte gleichzeitig in seinem Buch für Hufbeschläge bei Vollblütern.
Als er die gesuchte Seite und die darauf befindliche Zeichnung gefunden hatte, beugte er sich zu Hennes herunter und fragte ihn, warum er den Nagel, den er gerade in der Hand hielt, jetzt in das vierte Loch von links durch das Hufeisen schlagen wolle, wo der doch in das dritte Loch von rechts hinein gehöre. Das ist doch auf der Zeichnung in seinem Buch klar erkennbar, begründete er seine Auffassung.
Hennes, eine Seele von Mensch, traute seinen Ohren nicht. Da steht einer mit einem Buch neben ihm und will ihm erklären, wo der nächste Nagel in den Huf eingeschlagen werden muss. Ihm, der in 50 Berufsjahren nichts anderes getan hat als Rennpferde zu beschlagen. Da kommt einer, der nicht einmal in der Lage ist einen Huf hochzuheben, geschweige denn eine Hufstruktur beurteilen zu können und will ihm - einem Meister seines Fachs – beibringen, wie er Vollblüter zu beschlagen hat.
Das war zu viel für ihn. Das war sogar viel zu viel. Hennes schlug die beiden letzten Nägel ein, ohne auf den stänkernden Stoffels zu hören, knipste die Enden der aus der Hufwand herausstehenden Nägel ab und raspelte die Hufwand glatt. Dann nahm er seine Arbeitsgeräte und ging aus der Pferdeboxe direkt auf Trainer van Landen zu. Wer ihn kannte konnte sich nicht vorstellen, dass Hennes jemals ausrasten würde. Das aber tat er jetzt.
>>Piet, sagte er mit erhobener Stimme zum Trainer, für diesen Idioten werde ich nicht mehr beschlagen, weder dieses, noch jemals ein anderes Pferd. Nie mehr ! Der spinnt doch, was bildet der sich denn ein,<< schimpfte Hennes mit so lauten Worten vor sich hin, wie sie noch nie jemand von ihm gehört hatte.
>>Und für den Spezialbeschlag kann sich der Blödmann auch einen anderen suchen. Der hat sie doch nicht mehr alle, dieser Vollidiot.<<
Dann ging er mit wütenden Schritten zu seinem Opel-Kombi, verstaute sein Handwerkszeug im rückwärtigen Teil des Wagens und fuhr davon.

„Spezialbeschlag“, dass war ein gewichtiges Wort. Schon seit Wochen drängte Udo Stoffels darauf, dass Resofiet einen speziellen Beschlag bekommt. Genau das wollte er heute mit Hennes besprechen und darum hatte er auch das Buch über den „Hufbeschlag von Rennpferden“ bei sich.
Resofiet stand vorne ein wenig Zehen weit und hatte Krümmungen in den Vorderfußwurzelgelenken, denen er gleichzeitig leichte O-Beine zu verdanken hatte. Diese Stellungsfehler wollte Stoffels orthopädisch korrigieren lassen. Seine Behauptung Resofiet würde nicht korrekt stehen, hatte durchaus seine Berechtigung. Darin stimmte Piet van Landen ihm auch zu, machte Stoffels jedoch eindringlich darauf aufmerksam, dass so eine Huf- und Beinkorrektur nur im sehr jungen Alter Sinn macht. Ein Schmied muss da sehr früh anfangen. Schon als Fohlen müssen die ersten Stellungsfehler ausgebügelt und kontinuierlich in die richtige Form gebracht werden. Jetzt, wo Resofiet schon fast 3-jährig und das Wachstum nicht mehr so beeinflussbar war, sollte man es lassen, wie es ist.
Aber Stoffels wollte seinen Willen und sein angelesenes Wissen unbedingt durchsetzen.
>>Sie haben es gehört<<, sagte Trainer van Landen, der auf Stoffels zugegangen war um die peinliche Situation zu klären. >>Vergessen Sie den Spezialbeschlag, es hat ohnehin keinen Zweck<<, machte auch er seine Meinung zu diesem Thema deutlich.
>>Was glauben Sie wie gut der Hengst wird, wenn er nicht mehr wie ein Pinguin latscht, sondern mit geraden Hufen und Beinen an den Start kommt ? Dann wird Resofiet noch einmal gewaltig zulegen und im Rennen schwer zu schlagen sein. Er hat dann keinen Gegner mehr zu fürchten.<< trumpfte jedoch Stoffels auf.
>>Oder er wird nie mehr einen Zielrichter sehen, nur noch hinterher laufen, weil er die Beine kaum noch bewegen kann,<< antwortete van Landen ruhig und schob auch gleich ein Beispiel hinterher.

>>Kennen Sie die „Ente aus Essen“ ?<< fragte er.
>>Natürlich, dass war ein großartiger Fußballer,<< gab Stoffels unwirsch zurück.
>>Genau, und den Spitznamen „Ente“ hat er bekommen, weil er so einen Watschelgang hatte. Seine Beine waren krumm wie Bananen, aber er war unglaublich beweglich, konnte vier Gegenspieler auf einem Bierdeckel ausspielen, ohne das diese den Ball auch nur berührt hätten. Außerdem war er schnell wie ein Blitz, ist die 100 Meter in 11,02 Sekunden gesprintet. Hätte man „Ente“ die Beine begradigt, wäre er weder so schnell, noch so wendig gewesen. Seine großartige Karriere hatte er also seinen krummen Beinen und Füßen zu verdanken.
So ähnlich ist es auch bei Resofiet. Lassen Sie alles wie es ist. Den Zeitpunkt für eine sinnvolle Bein- und Hufkorrektur haben die Vorbesitzer verpasst, jetzt ist es zu spät dafür.<<
Das waren gute Argumente vom Trainer, die Stoffels aber so schnell wegfegte, wie es heftiger Wind mit einer Kinokarte tat. Er wusste es natürlich besser, schließlich hatte er schlaue Bücher gelesen und war der Überzeugung, dass ein Pferdemann - auch wenn er mehrere Jahrzehnte erfolgreich mit Vollblütern gearbeitet hat - nicht unbedingt alles richtig machen muss.
Die Stimmung zwischen den beiden Männern war aufs Äußerste gespannt und Udo Stoffels streute noch ein bisschen Salz in die Wunde.
>>Ich bestehe darauf, dass Resofiet in den nächsten Tagen seinen Spezialbeschlag bekommt ,<< sagte er in sehr scharfem Ton zu Trainer van Landen.
>>Natürlich, antwortete dieser gelassen, wenn sie das Pferd unbedingt mit Gewalt hinrichten wollen, kann ich Sie nicht davon abhalten. Allerdings mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich nicht nur einen neuen Schmied, sondern ab sofort auch noch einen anderen Trainer suchen müssen. Ich erwarte, dass Sie Resofiet spätestens Montag, also übermorgen, abholen lassen. Nehmen Sie das als fristlose Kündigung hin, endete van Landen.<<

Stoffels war es gewohnt, dass seine Anweisungen befolgt werden. Insofern hatte er mit so einer klaren Abfuhr von van Landen nicht gerechnet. Sie kam so überraschend für Stoffels, dass er erst einmal seine Kinnlade auf dem Hemdkragen parkte.
Mit offenem Mund und großen Augen blickte er van Landen an, der nicht mehr sein Trainer sein wollte und war tatsächlich sprachlos. Piet van Landen ließ ihn einfach stehen und ging in sein Büro, um einige Pferde für anstehende Rennen zu melden.
Lange gefackelt hat Stoffels danach nicht. Er war zwar überrascht, enttäuscht und auch wütend, aber er informierte sofort, per Handy, die beiden verbliebenen Mitbesitzer von Resofiet über die neue Situation und verabredete sich mit Ihnen noch am selben Tag unweit von Köln im Gasthaus „Bergischer Wolf“, um zu überlegen wie es weitergehen soll.
Die Zeit drängte, denn es musste schleunigst ein neuer Trainer her.
Um 12.00 Uhr des selben Tages trafen sich die drei Mitglieder des „Stall Bergpass“ in der Location und einigten sich relativ schnell auf einen bestimmten Trainer. Von ihm waren sie schon längere Zeit überzeugt, denn er hatte ein außergewöhnlich weitläufiges Gelände, auf dem es gleich mehrere Trainingsbahnen aus Gras- und Sandböden, sowie einige Koppeln und eine große Reithalle geben sollte. Dort konnte man die Pferde angeblich wesentlich besser auf die Rennen vorbereiten, als bei anderen Trainern. Und durch die großen Koppeln konnte man den Pferden nach den anstrengenden Rennen längere Ruhepausen gönnen, was ihrem Leistungsvermögen dauerhaft ebenfalls entgegen kommen sollte.
Grundsätzlich war die Überlegung nicht einmal so verkehrt, denn zumindest waren Graskoppeln an anderen Rennställen eher eine Seltenheit und meistens gab es maximal zwei Trainierbahnen bei anderen Trainern. Aber um sehr gute oder sogar optimale Trainingsmöglichkeiten sinnvoll nutzen zu können, benötigt man auch einen außergewöhnlich guten Trainer. (Was nützt mir ein Rennwagen, wenn ich nicht Auto fahren kann) ?

Diesen Aspekt haben Udo Stoffels und seine Kumpanen nicht bedacht, sie waren der Meinung, das Training von Galopprennpferden läuft bei jedem gleich ab und ein jeder könne das erledigen. Was soll denn daran schwierig sein ?
Stoffels hatte noch am selben Samstag einen Pferdetransporteur beauftragt und so wurde Resofiet am darauffolgenden Montag in aller Frühe verladen und zu seinem neuen Trainer chauffiert.
Bei Josef Schulten war im Stall eine große helle Boxe für Resofiet reserviert, in der reichlich Stroh und eine doppelte Portion Heu auf ihn warteten, so dass sich der Hengst schnell heimisch fühlte.
Trainer Schulten konnte in seiner bisherigen Karriere nur durchschnittliche Erfolge vorweisen. Vielleicht lag das daran, dass er nie in einem Rennstall gelernt hatte.
Er hatte zwar beruflich immer mit Pferden zu tun, aber nicht mit Rennpferden, ja nicht einmal mit Vollblütern. Seine Trainingsmethoden hatte er sich selbst angeeignet und natürlich war er der Meinung alles richtig zu machen. Dem war natürlich nicht so und Trainer Schulten trat auch sofort den Beweis dafür an.
Obwohl er befürchtete, dass die Huf- und Beinkorrekturen an beiden Vorderbeinen von Resofiet schief gehen könnte, behielt er seine Einwände für sich und ließ sich von den Vorstellungen Stoffels überreden, da ihm selbst nichts anderes dazu einfiel.
Es kam also, wie es kommen musste.
Es wurde ein Schmied beauftragt die Vorderhufe so zu gestalten, dass die Zehen nicht mehr nach Außen zeigen und sich die Beine, durch die neue Hufstellung, ein wenig begradigen. Grob gesagt, sollten die Gelenke gerade gebogen werden. Das wäre alles kein Problem und wird im Ergebnis das Rezept für unbegrenzten Rennerfolg sein. Da gab es bei Stoffels kein wackeln, denn er war tatsächlich davon überzeugt.

Der Schmied gab sich alle Mühe, war aber gleichzeitig so vernünftig Udo Stoffels die Problematik derartiger Korrekturen zu erläutern.
Er sei nicht bereit irgend etwas mit Gewalt hinzubiegen. Er müsse Schritt für Schritt oder besser Schnitt für Schnitt vorgehen, um den gewünschten Erfolg annähernd zu erreichen. Trotz aller vorsichtigen Herangehensweise beeinflusste er Resofiets Hufe und Beine ausgesprochen negativ.
Über die Wintermonate hinweg wurde der Hengst mit Spezialbeschlägen versorgt, die ihm nicht gut taten. Ständige Korrekturen hier und da ließen ihn manchmal fast auf den Zehen, wie eine Balletttänzerin gehen und dann wieder großflächig, wie einen Braunbären, durch die Gegend tapsen. Die gewünschten Begradigungen wurden mehr und mehr zum Stückwerk. Letztendlich gab der Schmied auf, machte deutlich, dass nicht mehr als das bisher erreichte möglich war, ohne dem Pferd ernsthaft zu schaden.
Eigentlich meinte er: Der Schaden ist schon da und mehr will ich nicht verantworten.
Udo Stoffels aber war zufrieden. Er betrachtete die kreisrunden Hufe, die nun die Form von flachen Pfannkuchen hatten, mit Wohlwollen und freute sich schon auf die ersten Rennen und Geldgewinne in der kommenden Saison.
Josef Schulten gab sich alle Mühe. Er versuchte nicht nur Resofiet fit, sondern in absolute Hochform zu bekommen. Das tägliche Training ließ sich aber nicht so gestalten, wie der Trainer es gerne gehabt hätte. Der Hengst tat sich schwer beim galoppieren, bewegte sich nicht flüssig, eher verkrampft. Wirklich schnelle Galopps waren nicht möglich, da Resofiet nur eingeschränkte Bewegungsabläufe zur Verfügung hatte.

Stoffels, von Trainer Schulten über die traurigen Fakten informiert, ignorierte diese einfach. >>Resofiet muss sich erst an die “neuen Schuhe“ gewöhnen, meinte er, und im Rennen, wenn es von Anfang an hohes Tempo gibt, sieht die Sache sowieso ganz anders aus<<, fügte er noch an und drängte darauf Resofiet endlich für ein Rennen zu nennen.
>>Dann werden Sie schon sehen, welch grandioses Rennpferd Sie im Stall haben<<, sagte er zu Schulten und glaubte auch tatsächlich, was er da von sich gab.

Im darauffolgenden Frühjahr lief Resofiet – auf Drängen von Stoffels und gegen den (schwachen) Willen von Trainer Schulten - noch drei mal für den „Stall Bergpass“.
Er war bei jedem Start sehr weit Letzter.
Das Pferd galoppierte im Rennen wie ein über einen Kartoffelacker hoppelnder Hase und durch die Fehlstellungen seiner Beine kamen noch Schäden an der Wirbelsäule und Muskelverspannungen am ganzen Körper hinzu. Er bewegte sich unnatürlich steif und man sah ihm an, dass er Schmerzen in den Beinen und im Rücken hatte.
Irgendwann hatten sogar Stoffels und seine beiden Freunde begriffen, dass es nicht mehr geht. Sie mussten einsehen, dass sie etwas gravierendes falsch gemacht hatten und es keinen Zweck mehr hatte dieses Pferd weiter zu quälen.
Eines Tages wurde Resofiet für ein Taschengeld verkauft. Seine neuen Besitzer gaben ihm eine längere Ruhepause und versuchten es noch zwei- oder dreimal im Rennen, aber ebenfalls ohne Erfolg. Bevor sie das taten, hatten Sie noch weitere Hufkorrekturen vornehmen lassen. Sie haben ihm durch ihren Schmied kontinuierlich eine natürliche Hufform schneiden und raspeln lassen und damit dafür gesorgt, dass sich der Hengst relativ schmerzfrei bewegen konnte. Aber die Schmerzen, die der Hengst über einen langen Zeitraum schon erdulden musste, gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Resofiet hatte Angst seine Beine zu belasten. Hatte Angst wieder Schmerzen zu bekommen und sich kaum oder gar nicht mehr bewegen zu können.
Er hatte einfach Angst zu galoppieren.

Udo Stoffels und zwei seiner Freunde sind vollumfänglich dafür verantwortlich, dass Resofiet verstümmelt wurde. Sie haben die sinnlosen Korrekturen an Beinen und Hufen in Auftrag gegeben, wollten mit aller Gewalt der Natur trotzen und den Profis ihren Beruf erklären. Natürlich ging der Schuss nach hinten los.
Dieser stolze Hengst, der einst eine glänzende Karriere auf der Rennbahn vor sich hatte, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Aus war es, aus und vorbei.
Resofiet hätte nie mehr eine Platzierung oder gar einen Sieg landen können. Nicht mal mehr als Hobbyreitpferd war er zu gebrauchen. Stoffels hatte einen Krüppel aus ihm machen lassen.

Seine neuen Besitzer jedoch haben ihm ein schönes Zuhause gegeben. Er durfte den ganzen Tag auf der Graskoppel herum laufen, sich den Bauch voll futtern und es sich gut gehen lassen. Ab und zu haben sie ihm eine Stute zugeführt. Zumindest züchten wollten sie mit ihm, wenn auch in sehr kleinen Rahmen.
Unter den nur wenigen Nachkommen von Resofiet waren sogar einige Sieger und damit hatten seine Besitzer wesentlich größeren züchterischen Erfolg, als Udo Stoffels, der selbsternannte Alleskönner, mit seiner eigenen Zucht.
Der “Stall Bergpass“ wurde bald aufgelöst und Stoffels stieg mit einem anderen Partner in die Zucht von Galopprennpferden ein. Dafür wurden zwei Stuten von größeren Gestüten erworben und Stoffels erzählte jedem, dass das Züchten von „Super-Rennpferden“ ganz einfach wäre. Schließlich hatte er entsprechende Bücher gelesen und viele Blutlinien “studiert“. Stoffels der Theoretiker. Er glaubte tatsächlich, dass man in Pferdekörpern biologisch ablaufende Vorgänge voraus berechnen kann. Nein, nicht berechnen. Voraus sehen, passt wohl besser.

Nach einigen Jahren gemeinsamer, erfolgloser Vollblutzucht, verließ ihn sein Partner.
Er hatte keine Lust mehr in die von Stoffels ausgesuchten Blutlinien zu investieren und noch mehr als die € 100.000,- zu verlieren, die er schon in den Sand gesetzt hatte.

Die ehemaligen Freunde vom “Stall Bergpass“ hatten sich schon lange von ihm abgewendet, wollten auch privat keinen Kontakt mehr mit Stoffels.

Udo Stoffels verkaufte, auch aus finanziellen Gründen, einige Pferde. Andere musste er verschenken, weil sie zu schlecht für die Rennbahn waren und niemand etwas für sie zahlen wollte.

Bei seinen späteren Versuchen innerhalb des Galopprennsports – etwa als Funktionär oder Geschäftsführer eines Rennvereins - Fuß zu fassen, scheiterte er kläglich.
Mittlerweile wusste fast jeder, der in irgend einer Form mit dem Galopprennsport in Verbindung zu bringen war, dass Stoffels zu nichts zu gebrauchen war, der Umgang mit ihm nur Ärger erwarten ließ.

Auch beruflich ging bei ihm alles den Bach hinunter. Viele seiner Kunden hatten ihre Aufträge storniert, als sie erfuhren, dass Stoffels seine Mitarbeiter mit fest installierten Kameras heimlich filmte und auch live beobachtete. Eine sehr umfangreiche Videosammlung hatte man bei ihm gefunden und eine Menge Klagen von ehemaligen Mitarbeitern wurden gegen ihn eingereicht. Seine Firma musste - ohne Aussicht auf Rettung - Insolvenz anmelden.

Er war Pleite und bekam nie mehr die Chance, sich zu beweisen.
Aber diese Chance hatte Resofiet von ihm ja auch nicht bekommen.
Er war der beste 2-jährige, bis Stoffels sich einmischte.
Stoffels hatte gleich zwei Karrieren zerstört. Die von Resofiet und seine eigene.

Übrigens : Die von Stoffels so genannten und selbst gezüchteten “Super-Rennpferde“ (sieben oder acht) hatten alle nur sehr geringes läuferisches Potenzial.
Besser gesagt waren sie allesamt so langsam, dass die Jockeys nach den Rennen, auf die Frage des jeweiligen Trainers :

Konntest du nicht weiter vorne sein ?

Stets antworteten :

Doch, ich schon, aber ich musste ja beim Pferd bleiben.
 



 
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