Der große Streit der Hausgeister

MargaLie

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Der große Streit der Hausgeister


Vor langer Zeit lebte auf einer steinalten Burg, tief unten im dunkelsten Kellerverlies ein kleiner unsichtbarer Hausgeist. Bereits seit mehreren hundert Jahren war es die Aufgabe des Hausgeistes, in der Burg zu spuken, Schabernack mit den Bewohnern zu treiben und sie zu erschrecken.
Aber unser kleiner Hausgeist war traurig. Die ganze Spukerei war ihm verhasst. Schabernack fiel ihm keiner ein und Erschrecken machte ihm überhaupt keinen Spaß. So saß er jeden Tag in seinem dunklen Kellerverlies und brütete über sein Schicksal. „Ach, wenn ich doch nur nicht so einsam hier wäre.“ murmelte er gelegentlich vor sich hin. Wurde die Einsamkeit besonders groß, schlich er sich manchmal in den Rittersaal und beobachtete die Ritter, die sich laut redend und lachend an der großen Tafel vergnügten, sich dabei mit bloßen, vor Fett triefenden Fingern die dicksten Braten in den Mund schoben und mit Wein aus dem großen Fass im Keller das Essen hinunter spülten.
Hier wäre es ein Leichtes gewesen, Taten zu vollbringen, die einem Geist zur Ehre gereichten, aber der kleine Hausgeist sah nur zu und zog sich dann wieder in sein Kellerverlies zurück.
Die Jahre zogen ins Land und unser kleiner Hausgeist wurde trauriger und trauriger. Dann kehrte Stille in der Burg ein. Die Herren Ritter waren allesamt verschwunden und mit ihnen die Diener und Mägde, die Köche und Stallknechte.
Unser kleiner Geist zog durch verlassene Räume und konnte die Welt nicht mehr verstehen. Sogar das letzte bisschen Abwechslung war ihm genommen worden.
„Ach, wenn ich doch nur nicht so einsam wäre“ jammerte er nun täglich.
Eines Tages, der kleine Hausgeist saß an seinem Lieblingsplatz, tief unten im Verlies, hörte er das Haupttor der Burg laut knarren. Der Geist schreckte auf und beschloss, seiner Neugierde freien Lauf zu lassen. Obwohl es gerade 12.00 Uhr Mittags geschlagen hatte, eine für Geister wahrlich unchristliche Zeit für Aktivitäten, eilte er nach oben an das Tageslicht und sah mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen zwei große Kutschen in den Innenhof rollen. Die Kutschen hielten. Noch bevor die Kutscher abgesprungen waren, öffnete sich die Tür der ersten Kutsche und heraus sprang ein kleines Mädchen mit blonden, ordentlich aufgesteckten Haaren. Sie hüpfte im Wechselschritt davon und sang dabei „Hurra, wir sind zu Hause, hurra, wir sind endlich angekommen.“
Der Kutscher half einer sehr schönen und sehr eleganten Dame die Kutsche zu verlassen. Ruhig sah sie sich um. Ein großer, kräftiger Herr entstieg danach der Kutsche, legte den Arm um die Schultern der Frau und fragte sie liebevoll: „Wie gefällt ihnen ihr neues Heim, Edeltraut?“ „Ich werde die Burg in mein Herz schließen, mein lieber Ritter Hugo, aber gefallen tut es mir immer dort, wo auch ihr seid.“
Der zweiten Kutsche waren verschiedene Herrschaften entstiegen. Unter ihnen war eine knöchrige, ganz in schwarz gekleidete Dame mit grauer Gesichtsfarbe, ebenso grauen Harren und verkniffenem Mund. Nervös sah sie sich um: „Wo seid ihr schon wieder, Fräulein Kunigunde? Bitte, kommt zurück. Ihr seid wieder sehr ungehorsam.“
Im Gegensatz zur knochigen Gestalt hatte der kleine Geist sehr wohl bemerkt, wohin das kleine Mädchen, das anscheinend Kunigunde hieß, verschwunden war. Blitzschnell hatte sie den schönsten Ort der Burg, den alten Garten, den die erste Burgherrin vor mindestens 200 Jahren angelegt hatte, entdeckt. In den letzten Jahren war er sehr zugewachsen, die Ritter hatten sich kaum um den Garten gekümmert, aber trotzdem war er wunderschön. Fast genauso gern wie im tiefen Kellerverlies versteckte sich der Hausgeist im dichten Grün des Gartens. So folgte er also Kunigunde und freute sich darüber, dass das Mädchen sogar an den unscheinbarsten Blüten gefallen fand.
Am Abend, als der kleine Hausgeist sich wieder in sein Kellerverlies zurück gezogen hatte, stellte er sehr überrascht fest, dass er den ganzen Tag nicht einmal gejammert und sich sogar seit genau 176 Jahren zum ersten Mal wieder gefreut hatte.
Von nun an suchte er täglich die Nähe von Kunigunde und in der Nacht wachte er an ihrem Bett. Schon bald stellte der kleine Hausgeist fest, dass er den Schulunterricht, zu dem jeden Tag der Lehrer Willibald in die Burg kam und den Kunigunde nicht besonders mochte, selbst sehr liebte.
Erstaunt hörte er davon, wie groß die Welt war, dass es Länder und Dörfer gab und viele tausend Burgen, wie seine, in der er schon so lange lebte. Da musste es doch noch andere Hausgeister geben, schoss es durch seinen Kopf. Der kleine Hausgeist lauschte aufmerksam den Ausführungen des Lehrers. Er lernte Rechnen und Lesen und sobald er irgendwo ein aufgeschlagenes Buch fand, verschlang er jedes Wort. Nun endlich bekam er auch Lust, seine geisterhaften Fähigkeiten zu nutzen. So wunderten sich die Bewohner der Burg, warum sooft unerklärliche Luftzüge die Seiten der Bücher umblätterten. Schlugen sie die Seiten zurück, fegte unwillkürlich ein neuer und heftigerer Windstoß die Seiten wieder in die vorherige Position. Schnell gewöhnten sich die Bewohner daran, die Seiten keinesfalls zurück zu blättern, sobald der unerklärliche Windstoß auftauchte. War doch erst letztens dem Ritter Hugo ein Buch richtig aus der Hand geweht worden, als er zum dritten Mal versucht hatte, seine gewünschte Seite zu lesen.
Eines Abends, als der kleine Hausgeist über das neu Gelernte grübelte, kam ihm der Gedanke, dass es an der Zeit war, dass auch er einen Namen haben müsste. Alle hatten einen Namen. Der Hausgeist überlegte. „Willibald“ murmelte er, „ist zwar ein kluger Lehrer, aber der Name passt nicht zu mir. Kunigunde, ist ein schöner Name, aber ich fühle mich doch eher männlich. Am männlichsten ist der verehrte Ritter Hugo. Groß von Gestalt, mit donnernder Stimme, fröhlich und doch bestimmend. Alle hören auf sein Wort, meistens jedenfalls. Jawohl, das war der richtige Name für einen kleinen Hausgeist: „Ich werde mich gleichfalls Hugo nennen.“ murmelte der Geist.
Von Stund an nannte der Geist sich selbst, Hugo, der Hausgeist.
Ein neuer Gedanke hatte von Hugo dem Hausgeist Besitz ergriffen. All sein Wissen wollte er mit anderen Hausgeistern teilen. Je mehr er darüber nachdachte, desto sehnlicher wurde sein Wunsch. Aber wie sollte er das anfangen? In Willibalds Büchersammlung gab es Eines mit großen Karten von den Ländereien ringsum. Er konnte sich also leicht einen Treffpunkt aussuchen. Nur, wie sollte er es den anderen Geistern erklären und wie sollte er überhaupt mit ihnen in Kontakt kommen?
Tage und Nächte grübelte Hugo. Dabei war er so unaufmerksam, dass er ständig Sachen umstieß. Wie gewohnt folgte er den ganzen Tag dem Mädchen Kunigunde, in dessen näherer Umgebung es nun ständig krachte und schepperte. Das knochige Fräulein Dorothea Liselotte ermahnte das Fräulein Kunigunde, doch endlich vorsichtiger zu sein und eilte regelmäßig herbei und behob den entstandenen Schaden.
Wieder hatte Hugo, der Hausgeist vor lauter Träumereien nicht auf den Weg geachtet und war gegen die große Ritterrüstung gedonnert. Mit einem unendlich lauten Getöse stürzte die Rüstung in sich zusammen. Kunigunde blieb überrascht stehen, pfiff durch die leicht geöffneten Lippen: „Mit Krach und Peng und Bumm, stürzt die Rüstung um.“
„Aber, Fräulein Kunigunde, nun ist es genug mit ihren Streichen. Jetzt werde ich es ihrem Herrn Vater melden.“ sprach das knochige Fräulein mit gespitztem Mund und eilte davon. Kunigunde stampfte mit dem Fuß auf den Boden:“ Aber ich war das überhaupt nicht, Fräulein Dorothea Liselotte. Ich habe die Rüstung nicht einmal berührt, nicht einmal mit einer Fingerspitze.“ rief Kunigunde dem davon eilenden Fräulein wütend hinterher. „Aber ich war es.“ piepste eine leise Stimme.
Kunigunde sah sich um. „Ist hier jemand?“ „Ja, ich bin hier“ hörte sie es wieder ganz leise und dicht in ihrer Nähe. Kunigunde riss die Augen auf, aber da war einfach niemand. Sie drückte ihr Ohr gegen die Wand. „Wo bist du denn?“ „Du kannst mich nicht sehen, ich bin euer Hausgeist.“ flüsterte er nun in ihr freies Ohr. Erschrocken fuhr Kunigunde zurück. „Bist du etwa der, der immer die Bücher umblättert?“ „Ja, der bin ich.“
„Oh, wie schön, wir haben einen Hausgeist.“ freute sich Kunigunde und klatschte in die Hände. Da können wir gemeinsam Fräulein Dorothea Liselotte und den Lehrer Willibald ärgern.“
Der Hausgeist Hugo überlegte. Die Gedanken wirbelten durch seine Kopf und blitzschnell war sie da, die lang gesuchte Idee. „Ich bin einverstanden, ich ärgere deinen Lehrer und deine Aufsichtsdame. Obwohl ich das wirklich nicht gerne mache. Aber nur, wenn du mir hilfst, meinen größten Wunsch zu erfüllen.“ „Wenn es in meiner Macht steht, dann helfe ich dir.“ bekräftigte Kunigunde mit leuchtenden Augen und voller Vorfreude auf die unerwartete Abwechslung.
Sie nickte dabei so heftig, dass die blonden Kringellocken auf und ab wippten. Die blauen Augen blitzen vor Freude.
Hastig flüsterten die beiden miteinander. Da nahte schon das Unheil. Fräulein Dorothea Liselotte kam mit dem edlen Ritter Hugo auf Kunigunde zugeeilt. Den Arm hatte sie ausgestreckt, den Zeigefinger auf Kunigunde gerichtet. Gerade wollte sie ihren Mund öffnen, da eilte Hugo der Hausgeist herbei und stellte Dorothea Liselotte ein Bein. Diese verlor das Gleichgewicht, torkelte durch den Gang und fiel der Länge nach auf den Bauch. Vor Schreck blieb ihr der Atem weg und die Schimpfkanonade im Halse stecken. „Wollen sie jetzt wieder behaupten, ihr Unfall wäre meine Schuld gewesen, Fräulein Dorothea Liselotte?“ fragte mit unschuldigstem Gesichtsausdruck Kunigunde und lächelte dabei ihren Papa aller liebst an. Dieser bemühte sich, dem Fräulein wieder auf die Beine zu helfen. Kunigunde beschloss, die Gelegenheit zu nutzen. „Auch bei allen vorangegangenen Unglücken und Unfällen habe ich ihnen versichert, dass ich keine Schuld daran trage. Ich bitte sie, ihre Vorwürfe zurück zu nehmen.“ Ritter Hugo sah seine Tochter misstrauisch an. Irgendetwas stimmte nicht. Aber er war ganz froh, dass das Fräulein nun verwirrt war sich Dank der Hilfe des Ritters über das vorangegangene Ungemach beruhigt zu haben schien. So blieb es Riter Hugo erspart, seine kleine, hübsche, allerliebste Tochter zur Ordnung zu ermahnen. Jedem Ritter, jeder Magd und jedem Knecht hätte er das nicht durchgehen lassen, aber seine kleine Kunigunde war nun einmal seine allerschönste Tochter und mindestens genauso liebenswert wie seine geliebte Ehefrau Edeltraut. Ritter Hugo gab seiner Tochter einen Kuss und machte sich eiligst von dannen.
Von Stund an ging es Fräulein Dorothea Liselotte schlecht. Legte sie ihr Strickzeug aus der Hand, dann war es nach Sekunden verschwunden. In der Zuckerdose war an jedem Morgen Salz, in der Nacht verschwanden regelmäßig ihre Schuhe und die Lesebrille fand sich nie am gleichen Ort.
Dem Lehrer Willibald ging es ein wenig besser. Schließlich liebte Hugo seinen Unterricht. Bei ihm versteckte er nur mal schnell die Feder, Willibald schrieb bevorzugt mit Feder und Tinte aus dem Fass, kleckste Tinte über die Blätter oder verwedelte ab und zu die Buchseiten.
Kunigunde war es zufrieden. Sie hielt das den Geist gegebene Versprechen und am Nachmittag brütete sie mit Hugo dem Hausgeist über dem Problem, wie denn die anderen Hausgeister von dem geplanten Treffen erfahren könnten. Allen ihren Freundinnen hatte sie bereits geschrieben und diese gebeten, auf dunklen Fluren von dem großen Hausgeistertreffen auf dem Galgenberg zu sprechen.
Würde das als Informationsquelle ausreichen?
Kunigunde beschloss, den Ritter Hugo einzuweihen und um Hilfe zu bitten. Erstaunt hörte der Vater zu. Hugo der Hausgeist tat das seinige, um Ritter Hugo zu überzeugen. Mitten im Sommer brannte plötzlich ein Feuer im Kamin, angezündet wie von Geisterhand. Teller flogen durch die Luft und landeten sanft am alten Platz. Ritter Hugo schaute dem Treiben nachdenklich zu. Und da er seiner Tochter ohnehin keinen Wunsch abschlagen konnte, wurde nun in allen Burgen, an allen Tischen vom großen Hausgeistertreffen an Aller Seelen gesprochen. Genau um Mitternacht würde das Treffen beginnen.
Hugo der Hausgeist war wieder so aufgeregt wie am Anfang seiner Idee. Ständig ging in Ritter Hugos Haushalt etwas kaputt. Allerdings half Hugo der Hausgeist der Familie nun auch wo er konnte. Er erledigte alle schweren Transporte. So schwebten die Mehlsäcke lustig durch die Luft, der Magd entflog das Wäschepaket und in der Küche sausten die schweren Kochtöpfe einfach so durch die Gegend. Nur langsam gewöhnten sich die Bediensteten an den unsichtbaren Geist. Sehr besorgt war er um die edle Dame Edeltraut. Betrat sie einen Raum, entflammte der Kamin, nahm sie am Feuer Platz, flog ihr das Strickzeug in die Hände, legte sie es bei Seite, kam ihr Lieblingsbuch angeflogen. Jeden Wunsch las Hugo der Hausgeist der Dame des Hauses vom Munde ab. Ritter Hugo sah es zufrieden und stolz mit an.
Dann kam der große Tag. Schon Wochen vorher hatte Hugo vor Aufregung nicht mehr im Haushalt helfen können. Würden wenigstens einige Hausgeister zum Galgenberg kommen? Bereits um 11.00 Uhr am Abend machte Hugo sich zögerlich auf den Weg. Kunigunde, Edeltraut und sogar Ritter Hugo hatten dem Geist alles Gute gewünscht.
Vorsichtig lugte Hugo der Hausgeist um die Biegung, hinter der man auf den Galgenberg sehen konnte. Hugo prallte zurück und drückte seine Hand auf die Stelle, an der früher sein Herz geschlagen hatte. Geister über Geister, Hunderte, Tausende, eine irrsinnige Menge.
Hugos Beine schlackerten, als er auf den Galgenberg kletterte und von der obersten Spitze das Wort an alle Hausgeister richtete: „Meine lieben Hausgeister, ich danke euch für euer zahlreiches Erscheinen. Wohl keiner von uns hat gewusst, dass wir so viele sind. Ihr seht mich unfassbar gerührt. Ich bin der Hausgeist Hugo und lebe auf der Burg, die zur Zeit dem Ritter Hugo gehört…“
Hugo hielt eine lange Rede und die Geister hörten bewundernd, wie klug der Hausgeist Hugo war. Sie lauschten seinen Geschichten von der Beschaffenheit der Welt, von Freundschaft und Gemeinschaft und vom Sinn eines Geisterlebens. In diesem Moment gab es wohl kaum einen Geist, der sich nicht wünschte, so wie Hugo zu sein.
Hugo mischte sich unter die Geister und versuchte, mit jedem wenigstens ein paar Worte zu wechseln. Geschichten wurden ausgetauscht, Verabredungen getroffen und es wurde getratscht, so dass selbst das größte Klatschweib vor Neid erblasst wäre. Das ging bis zum Morgen, bis zum Mittag. Es begann zu Regnen. Die Geister bemerkten es nicht. Da schob ein Windstoß die Wolken bei Seite, einige Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken und trafen auf die Regentropfen. Ein riesiger Regenbogen spannte sich über den Horizont und tauchte die Geister in farbiges Licht, in Rotes, Oranges, Grünes, Gelbes, Hell- und Dunkelblaues und Violettes.
Staunend betrachten die Geister das bunte Farbenspiel. Nach einiger Zeit verblasste der Regenbogen, doch oh Wunder, jeder Geist hatte eine Farbe des Regenbogens behalten. Ein Geist war Grün, der Andere rot, ein Dritter gelb, manche hell- oder dunkelblau, orange oder violett.
Staunend betrachteten sich die Geister und freuten sich an ihrer Farbigkeit. Kaum jedoch war die erste Überraschung abgeklungen, begann ein riesengroßer Streit. „Ein echter Hausgeist ist orange.“ behauptete ein orangefarbener Geist. „Nein, der Echte ist grün.“ schrie ein anderer. „Nein, ist doch klar, der ist violett.“ Und so ging es weiter und weiter. Stunden später hatte ein gelber Geist die rettende Idee. „Hört mal, der Hausgeist, der uns eingeladen und der sich Hugo genannt hat, der muss doch auch eine Farbe abbekommen haben. Lasst uns doch darauf einigen, alle Geister, die die Farbe des ersten Hugos haben, sind die wahren und echten Hausgeister.“ Alle Geister nickten und sahen sich eifrig nach Hugo um. Sie suchten ihn überall, aber er blieb verschwunden. Einige Geister hatten bemerkt, dass Hugo nicht mehr da war und schon riefen sie: „Ich bin der erste Hugo, ich bin der Echte!“ Es riefen Blaue und Gelbe, Violette und Grüne, Rote und Orange.
Unser Hugo aber war ganz leise und unbemerkt auf seine Burg zurückgekehrt. Der Streit der Geister hatte ihn sehr betrübt. War es denn wichtig, wer der echte Hausgeist war? Sie waren doch alle Hausgeister. Und wieso sollte ausgerechnet Hugos Farbe eine Besondere sein. So ein Unsinn! Konnten sich die Geister nicht einfach darüber freuen, dass sie nun nicht mehr allein und abgeschieden leben mussten? Konnten sie nicht Freude darüber empfinden, dass sie nicht mehr unsichtbar waren, sondern in einer Farbe des Regenbogens schimmerten? So viel war den Geistern geschenkt worden, in nur wenigen Stunden.
Eine unendlich große Traurigkeit griff nach Hugo und er sah sich vor den Scherben seines Daseins-Traumes.
Kunigunde verbrachte Wochen damit, Hugo zu trösten. Er jammerte, wie in seinen schlimmsten Zeiten. Keiner der Burgbewohner mochte den Geist leiden sehen. Ritter Hugo stellte dem Geist Hugo seine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung. Die Dame Edeltraut brachte Hugo die schönsten Blüten aus dem Garten und alle Bewohner der Burg versuchten, dem unglücklichen Geist eine Freude zu machen. Selbst Fräulein Dorothea Liselotte bemühte sich, in der Nähe des Geistes ein fröhliches Gesicht zu ziehen, welches allerdings sehr verkniffen ausfiel.
Eines Tages fiel das Sonnenlicht auf die Familie, die sich im Garten versammelt hatte und dem Hausgeist Hugo freundlich entgegen sah, der mit hängenden Schultern in den Garten geschlurft kam. Da traf es Hugo wie ein Blitz. Er hatte doch jetzt Freunde, die sich um ihn sorgten. Er war doch überhaupt nicht mehr allein. Ein riesengroßes Glücksgefühl durchströmte ihn und verließ ihn ein Geistleben lang nicht mehr.
Aber immer hielt sich der Geist Hugo treu an Kunigundes Rat, den sie ihm an diesem herrlichen Sommertag in das Ohr geflüstert hatte.
Was auch immer die anderen Hausgeister probierten, keiner außer den Burgbewohnern erfuhr jemals, welche Regenbogenfarbe unser Hausgeist Hugo abbekommen hatte.
Und so dauert der große Streit der Hausgeister bis zum heutigen Tage an.
 



 
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