Der gute Ton

Haget

Mitglied
Vorweg: gibier=Wild; lapin=Kaninchen; lièvre=Hase; canard=Ente;
"vom Arsch"/fromage =Käse)

Der gute Ton
Haget 3/94 Nr.110

Vetter Max sprach: "Mach dich fein,
ich lade dich zum Essen ein!"
Ins Restaurant "Graf Ferdinand",
wo er's besonders nobel fand.

Im schwarzen Anzug, mit Krawatte
- ich Fliege, weil ich solche hatte -
sah man uns dann im "Ferdinand"
die Speisekarten in der Hand.

... und damit fing's Problem schon an,
weil ich kein Koch-Chinesisch kann,
mit gibier, lapin, lièvre und canard
- was Wunder, dass ich ungeduldig ward!

Doch mach das mal 'nem Ober klar,
der hier wohl nur zur Aushilf' war!
Im Frack! - War er zum Operngang bereit?
Trug er gar schon sein Faschingskleid?

... und unhöflich war dieser Mann:
Als Nachtisch bot "vom Arsch" er an;
der soll doch seinen Schinken selber essen -
wir warn auf Früchte oder Käse mehr versessen!

Den Wein bestellten wir mit Finger in der Karte dann,
weil solche Namen sich kein Mensch je merken kann!
Dreimal hatt' deutlich ich den Wein ihm vorgelesen
- Analphabet ist dieser Frackmensch wohl gewesen!

Was wir so aßen, kann genau ich gar nicht sagen:
Drei Befrackte haben zehn Minuten lang nur aufgetragen!
Ich erinnre mich nur an Pomm-Fritz mit Himbeersoße
- an letztere schon wegen diesem Fleck auf meiner Hose!

Nachdem wir unsre Bäuche gefüllt,
mit ein paar Bier noch nachgespült,
ließ Max sich dann die Rechnung reichen
- um gleich darauf geschockt zu erbleichen!

"Ich kenne nur die Preise sonst vom Würstchenstand,
das ist ja reiner Wucher hier im Ferdinand!"
Er dreht' sich zaghaft um - sah lauter noble Leute -
"Auch wenn ich's wollt', ich kann nicht zahlen heute!

Doch kenn' ich gute Tricks und du wirst sehn,
man lässt uns nachher gerne - auch ohne Zahlung gehn!
Nun drängt die Zeit - wir müssen uns eilen -
es klappt nur, wenn noch andre Gäste hier weilen!"

Ich sah ihn an und wartete auf seine Tricks -
aber er saß nur horchend, ganz still - und tat "nix"!
Doch unsichtbar - ganz tief in seinem Bauch -
wirkten Bohnen und Kohl schon und Zwiebeln und Lauch!

Und schon bald drauf konnt' man Töne hören
- sogar mit der Nase, ich kann es beschwören! -
und sie waren, dies wurde schnell klar,
überdeutlich - und unverwechselbar!

Es begann wie morsen: Zwei kurz und zwei lang!
War's der Duft in der Nase oder war es der Klang?
Ein Tisch leerte sich im Handumdrehn
- die Gäste bezahlten dann vorne im Stehn!

Und nun brachte Max noch Klänge hervor,
die drangen selbst entfernten Gästen ins Ohr;
es gelang ihm mit kräftigem Backenkneifen,
mit den Druck aus dem Bauch, nach hinten zu pfeifen!

... und er hatte noch gar nicht ganz ausgepfiffen,
da wurden wir beide am Kragen ergriffen
und blitzartig vor die Tür gestellt
- es fehlt eben Kunstverstand auf dieser Welt!

Es spart und kommt oft schnell voran,
wer zur rechten Zeit das Richtige kann!
Und vielmals hilft den Menschen schon
am noblen Ort - der "gute Ton"!
 



 
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