Der homo infinitus

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Frederik

Mitglied
Die Spezies des homo infinitus

Ich höre noch genau die Stimme meiner Mutter, wie sie mir klarmachen will, dass ich Alles zu beenden habe, was ich anfange. Auch mein Grundschullehrer indoktrinierte mich mit den Worten: „Was du Heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf Morgen!“ Diese Lebensweisheit verfolgte mich durch Schule, Studium, Leben bis in die Gegenwart. Jüngst heute am Frühstückstisch wurde mein halbrasiertes Gesicht mit der Idee kritisiert, ich solle doch einmal etwas zu Ende bringen.

Ja! Ich bin bekennender Nichtvollender. Keiner dieser Menschen die sich damit brüsten Alles zu Ende zu bringen, was sie anfassen. Diese Spezies des homo finitus muss im Übrigen ein äußerst langweiliges Leben fristen. Sollte ich alle angefangenen Projekte abschließen, könnte ich in diesem Leben kein neues Unterfangen mehr beginnen.

Zugegeben ich musste den Segelflugkurs bezahlen, obwohl ich auf dem Weg zum Flughafen spontan den Entschluss fasste mich als Hundeausführer beim Tierheim zu engagieren. Um mich halbwegs Ehrenvoll herauszulavieren, bezahlte ich nach einer Woche einen Nachbarsjungen, dafür mein anstrengendes Engagement zu übernehmen. Ich zahle bis heute.

Ist es wirklich beschämend einen Sport aufzugeben, weil ich mir ein wenig albern dabei vorkomme mit karierten Hosen bekleidet, kleine weiße Bälle vor mir herzutreiben? Ferner überschnitt sich der Golfkurs mit meinen Stunden im Fitnesscenter, die ich schon wegen dem Schachverein nicht wahrnehmen konnte. Schach, meine Leidenschaft. Das Spiel der Denker. Wahrscheinlich wäre ich immer noch in dem Verein aber nach einer ausgedehnten Schachpartie kann ich abends nicht schlafen. Meine Frau begegnet diesen Einwand allerdings stets mit dem Hinweis, dass ich die Nacht nutzen könnte um das Wohnzimmer endlich fertig zustreichen.

Das Nichtvollendertum hat allerdings auch Vorteile. Fragt jemand, ob ich möglichst schnell eine Geschichte schreiben kann, so ist es mir ein Leichtes das Zeitlimit zu unterschreiten. Mit Sicherheit habe ich noch eine Schublade, halbvoll mit halbfertigen Geschichten. Der homo infinitus kann sich ständig damit brüsten Aufgaben in der halben Zeit zu erledigen, denn er hat immer etwas Halbfertiges im Ärmel.

Zum Glück brauchte meine Tochter nur die Hälfte meiner Gene, denn ich bin Spezialist darin die Hälfte zu geben. Es entstehen immer wieder fantastische Dinge durch Nichtvollender. Das Motorrad entstand sicher, weil ein Nichtvollender ein Auto konstruieren wollte. Der Automobilkonstrukteur wollte sich nur möglichst schnell der komplexen Aufgabe entziehen. Aus sperrigen Flügeltoren entstand die praktische Tür; aus Zweifamilienhäuser mit nervigen Mietern im Dachgeschoss, das gemütliche Einfamilienhaus; Doppelhäuser wurden zu Doppelhaushälften. Stellen sie sich vor Zeitschriften wären immer noch in den lästigen DIN A 3 Format, wie Tageszeitungen. Nein, die Hälfte ist deutlich angenehmer. Socken tragen sich auch viel angenehmer als Kniestrümpfe. Selbst die Natur bemerkt den Vorteil. Beim letzten Zoobesuch bemerkte ich einige Kamele mit nur halb so vielen Höckern. Sie sahen deutlich zufriedener aus als die herkömmlichen.

In diesem Sinne werde ich ihnen den Schluss dieses Schriftstücks vorenthalten, denn es ist gerade halbfertig ...
 
M

Minotaurus

Gast
Diese Story ist wirklich sehr g...
... aber das schreibe ich lieber ein andermal.
 



 
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