Der kleine Frostspanner

Nici

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Der Schmetterling, der über das Land flog, wußte noch gar nicht genau, was er da eigentlich machte. Fliegen war nämlich noch ganz neu für ihn, sein Leben zuvor hatte er wie seine ganz normalen Artgenossen kriechend, erst als dunkelgraue, später als hellgrüne, gelb gestreifte Raupe verbracht. Er war ein unscheinbares und kleines Exemplar eines Schmetterlings. Die Menschen nannten ihn den kleinen Frostspanner, was nun wirklich nicht liebevoll gemeint war, denn er war nicht nur verschwindend klein (2 Zentimeter!), er war auch nicht besonders schön, sowie man das eigentlich von einem Schmetterling erwartet hätte. Seine Flügel waren sehr unauffällig, in dezentem braungrau gehalten und als ob das nicht schon Schande genug in den Augen der anderen Schmetterlingsfamilien gewesen wäre, war er auch noch ein sogenannter Schädling. Es kam wirklich einem Wunder gleich, dass er in der Zeit, in der er noch eine giftgrüne Jungraupe war, überhaupt überlebt hatte. Wäre er im Garten der Menschen aufgewachsen, hätte er das mit ziemlicher Sicherheit auch nicht. Aber er war etwas Besonderes und so frei wie er war und so schön wie er sich fühlte, hatte er einen noch schöneren Tag vor sich. Es war einer von diesen warmen Frühlingstagen, an denen man unbedingt aus dem Haus wollte, um die letzten schwermütigen Geister des kalten Winters zu vertreiben, die sich in den Monaten zuvor in das Gemüt eingeschlichen hatten.
Er flog über sanfte Hügel, die in einem satten Grün unter ihm lagen und über Bäume, deren neu geborene Blätter sich leise im Wind hin und her wiegten. Von oben sah es aus, als ob sich ein buntes Mosaik aus allen Grüntönen zusammengesetzt, wie ein magisches Bild bewegte. Der Schmetterling fühlte sich heute besonders gut, er war richtig ausgelassen. Munter drehte er seine Pirouetten in der Luft und ließ sich vom Wind ein Stückchen weitertragen. Es war herrlich.
Die Luft roch auf geheimnisvolle Weise nach Leben und der Wind trug die Freude weit über das Land.
Es war kein Zufall, dass der Schmetterling von dieser Stimmung begleitet wurde.
Er flog soweit, dass er sich schnell den Behausungen der Menschen näherte, die gleich hinter den Hügeln lagen. Der Wind blies durch seine zarten Schwingen und schon konnte er den ersten Menschengarten erkennen, der ein wenig ungepflegt unter ihm lag. Ihm gefiel er jedoch sehr gut, so wild wie er den Anschein machte und so steuerte er auf die Spitze eines alten Kirschbaumes zu, der majestätisch inmitten der Pflanzenpracht zwischen bunten Frühlingsblumen stand. Der kleine Frostspanner bremste sachte und ließ sich sanft auf der Oberseite eines besonders wohlgeformten Blattes nieder. Früher, als er noch keine Flügel hatte, hätte er sich sofort mit einem riesigen Appetit über die saftigen Blütenblätter und später über die jungen Früchte hergemacht, denn er war nicht umsonst einer der gefürchtetsten Feinde der Kirschbaumbesitzer. Heute interessierten ihn die rosaroten Blätter kaum, denn er war nicht nur ausgewachsen, sondern auch kein normaler kleiner Frostspanner. Dass er sich trotzdem ausgerechnet auf einen Kirschbaum setzte, lag nicht daran, dass er alte Gewohnheiten nicht ganz los wurde, sondern an dem kleinen Jungen, der weinend im Gras unter dem Baum lag.
Der Kleine war vielleicht vier Jahre alt und sein Körper wurde vor Schluchzen so heftig geschüttelt, dass es aussah, als ob ein kleines Erdbeben zwischen den hohen Grashalmen stattfinden würde. Er hatte seinen kleinen Kopf, auf dem wuschelig dunkelbraunes Haar abstand, auf seine Arme gelegt und wimmerte leise vor sich hin. Seine nackten Füße waren unter dem Gebüsch hinter ihm verschwunden. Man konnte wohl nur das Gras schaukeln sehen, wenn man nicht genau hinsah.
Der Schmetterling saß auf seinem Blatt und beobachtete ihn geduldig. Doch als es auch nach einiger Zeit immer noch nicht besser wurde, beschloss er, sich auf die Schulter des Jungen zu setzen. Das half immer, auch wenn normalerweise allein seine Anwesenheit ausreichen sollte, um Tränen versiegen zu lassen. Es war schon seltsam, dass das heute nicht ausreichte.
Also erhob er sich langsam und ließ sich auf die Schulter des Jungen sinken. Er war davon überzeugt, dass ihn das glücklich machen würde.
Doch nichts geschah. Es passierte gar nichts. Es schien eher so, als ob das den Zustand des kleinen Jungen noch verschlimmern würde. Das hätte dem Schmetterling wirklich nicht passieren dürfen. Er war dermaßen verwirrt und entsetzt, dass er nicht bemerkte, dass der Junge im Begriff war, aufzustehen. Starr vor Schreck fiel er von ihm herunter, mitten auf die Blüte eines dottergelben Löwenzahnes. Als er sich einigermaßen gefangen hatte, konnte er nur noch sehen, dass der Kleine die Treppen hinauf durch die weiße Eingangstür in das kleine Haus verschwand.
 

Nici

Mitglied
Das soll nur der Anfang von einer Geschichte sein!
Ich freue mich über jede Kritik, damit ich einmal einen Anhaltspunkt habe!

viele Grüße

Nici
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nun,

wo bleibt die fortsetzung? bis hierher erfährt man ja nur sehr wenig über die besonderheiten des kleinen spanners. lg
 
Hei,

Mir gefællt die Idee irgendwie. Allerdings hørt sich das Ganze am Anfang ein bissel an wie ein Bericht aus dem Biobuch (aber nur am Anfang!).
Ausserdem schreibst Du im ersten Satz, dass er das erste Mal fliegt. Trotzdem weiss er am Ende, wie er auf Menschen wirkt, wenn er sich ihnen zeigt, z.B. Das passt logisch nicht so ganz.
Aber, wie gesagt, die Idee gefællt mir und ich würde gerne wissen, wie es weitergeht. Ich hoffe, Du postet bald die Fortsetzung!

Grüssle
Alex
 



 
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