Der letzte Tag (Schreibaufgabe Juni)

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endlich

Mitglied
Jetzt fällt mir schon mal was zu einer Schreibaufgabe ein, und dann geht im SF-Forum die "Fantasy" mit mir durch!
Also wo postet man so einen Text?
Ich stell ihn vorerst hier rein, weil die Aufgabe auch hier steht, ihr könnt ihn aber gerne nach Fantasy oder sonstwohin verschieben!



Der letzte Tag

Sie brauchte nur den Klängen zu folgen, die sehnsüchtig drängend nach ihr riefen. So entdeckte sie immer neue Orte, an denen es warm und gemütlich war. Orte, wie geschaffen, um sich zu teilen.

Lange bleiben konnte sie nie, denn wohin sie auch ging, folgte ihr der Lärm. Er fraß die Musik und rief die Wächter herbei, um ihr und ihren Schwestern den Tod zu bringen. Doch sie war das Wanderleben gewöhnt und entwischte jedes Mal.

Was scherte sie der Lärm? Was scherten sie die Wächter? Sie lebte glücklich, freute sich an den himmlischen Klängen, die ihr den Weg wiesen, und teilte sich.

Eine uralte Prophezeiung kündete vom Ende der Welt, von einem allerletzten Tag, an dem alle Musik sich in Lärm verwandeln und sie und alles, was lebte, in eine Tiefe reißen würde, aus der es kein Entrinnen gab.

Andere behaupteten, das sei nur ein albernes Märchen. Die Musik sei ewig und allgegenwärtig, nichts könne sie letztlich vernichten.

Doch so richtig interessierte das eigentlich niemanden, höchstens ein paar Fanatiker. Die einen waren glücklich, die anderen weniger, alle lebten, freuten oder ärgerten sich, folgten den Klängen und teilten sich.

Der Tag der Prophezeiung kam, als ihn niemand erwartete. Nicht einmal die waren vorbereitet, die fest an seine Existenz - natürlich in ferner Zukunft - geglaubt hatten.

Zuerst war da nur ein winziges, kaum wahrnehmbares Stolpern der Melodie, ein falscher Ton, ein schwaches Beben hier und da, aber so etwas passierte schon einmal, das war sicher nicht weiter schlimm ...
Dann kam der Lärm, wie er immer kam, nur die Wächter, erst ein wenig zu spät - wie schön, ... dann ziellos, wie blind ...
Umso mehr hatte sie das Leben genossen, ein Leben ohne Wächter, ein Leben wie im Paradies ...

Plötzlich geschah alles gleichzeitig. Die Musik überschlug sich, Töne fielen übereinander und durcheinander. Von einer Sekunde auf die nächste beherrschte ein heilloses, dissonantes, kreischendes Chaos die Welt.

Viele flohen kopflos hierhin und dorthin - auf jedem nur denkbaren Weg versuchten sie ihrem Ende zu entgehen. Sie selbst und ein paar ihrer Schwestern blieben, wo sie waren, überwältigt von dem Lärm, erstarrt vor Angst und Schreck.

Plötzlich wurde sie von einer ungeheuren, unbegreiflichen Macht hinausgeschleudert in eine eisige, tödliche Kälte, vielleicht gar über den Rand der Welt. Sie wusste nicht, wie oder warum, konnte sich nicht fürchten, nicht einmal nachdenken - angesichts dieser Kälte.

Kurz bevor sich die Kälte in sie hineinfressen konnte, um sich in ihrem Inneren in ewiges Nichts zu verwandeln, wurde sie von einem Sog erfasst, der sie taumelnd in die Tiefe riss. Aber die Tiefe war nicht der Tod. Es wurde wärmer, und sie erholte sich schnell.

Staunend bemerkte sie, dass sie ganz alleine war, die Welt um sie herum erfüllt von einer wunderschönen, fremden, vollkommen harmonischen Musik. Hatte sie als Einzige den Weltuntergang überlebt? Oder war sie im Paradies?

Egal. Dieser Ort war warm und gemütlich. Wie geschaffen um sich zu teilen.

Erstaunt starrte sie den Wächter an.
DIE Wächter, um genau zu sein.
Das Letzte, was sie hörte, war die Musik.
 
Hallo endlich,

zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich deine Story für eine SiFi-Geschichte halte. Fantasy ist bei dir nur als kleine Geschmacksnote drin. Was nicht sagen soll, dass mir dies nicht schmeckt.

Hast du dich beim Schreiben von den Weltuntergangsszenarien der Offenbarung des Johannes inspirieren lassen oder vom Immunssystem des Menschen. An Beides erinnert mich deine Geschichte.

Grüße
Marlene
 

endlich

Mitglied
Hallo MarleneGeselle,

vielen Dank für deinen Kommentar!

Eigentlich wollte ich es "Infektion" taufen (sie und ihre Schwestern sind diejenige welche), aber da ist mir jemand zuvorgekommen, ein Stück weiter unten in der Liste.

Und, wie man sieht, hat es durchaus seinen Reiz, dass sich jetzt jeder seine eigenen Gedanken machen kann!

Wenn auf die Weise sogar noch ein bisschen SciFi rauskommt, werde ich vielleicht auch nicht verschoben. *grins*

Viele Grüße
endlich
 

Mazirian

Mitglied
Ich würde sogar sagen es ist lupenreine Science Fiction. Fantasy-Elemente hab ich eigentlich gar keine gefunden. Gefällt mir sehr gut, der Text. Der Plot ist zwar recht naheliegend, aber der Stil und die Atmosphäre sind sprachlich sehr gut gelungen. Ich find's auch positiv, dass man die Schreibaufgabe nicht unbedingt kennen muss, um den Sinn zu verstehen.

Einzig den Schluss (die letzten 3 Sätze) finde ich ein bisschen zu sparsam und abrupt. Nicht vom Sinngehalt her, aber einfach weil die Sätze so kurz sind. Vielleicht nur ein kleiner Schlenker, dass die fremden Wächter bedrohlicher aussehen, als die alten, oder so. Aber wenn's sonst niemanden stört, lass es lieber wie's ist. :)

Und nicht ein Rechtschreibfehler! Dafür gibt's einen Extrapunkt ;)

schöne Grüße

Achim
 

endlich

Mitglied
Hallo Achim,

freut mich, dass es dir gefällt!

Okay, wenn ihr das alle meint, dann ist es wohl wirklich SciFi, umso besser! Hatte bloß befürchtet, philosophierende Bazillen gehörten eher ins Reich der Fantasy. :)

Mit den letzten drei Sätzen, das überleg ich mir nochmal.

Meine Idee war, dass sie in der neuen Situation einfach zu lange gebraucht hat, um die Wächter zu bemerken, und dann blieb ihr keine Zeit mehr, noch irgendwas zu denken.
Deshalb sind die Sätze auch so kurz.

Aber nur, weil ich mir was dabei gedacht habe, muss es noch nicht gut sein. Vielleicht äußern sich ja noch andere dazu, würde mich interessieren.

Hatte vorher auch mal kurz in Betracht gezogen, die Geschichte drei Sätze eher enden zu lassen, aber aus Mitleid mit dem nächsten Opfer ...
Und außerdem ist es ein Weltuntergang, den darf keiner überleben! ;-)

Viele Grüße
endlich
 

jon

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Teammitglied
Ich dachte nicht an Bakterien beim Lesen, aber das nur nebenbei…
Ebenso nebenbei: Ist "sie" durch den „letzen Nieser“ übertragen worden? Oder saugt jemand an der (Fast-)Leiche? Irgendwie setzt da meine Vorstellungskraft aus…


Mein "Hauptproblem" mit dem Text ist, dass er (m.E. und im Gegensatz zu Mazirians Empfinden) nur verständlich wird, wenn die Schreibaufgabe bekannt ist. Das reicht für "Aufgabe erledigt" sicher aus – aber es ist schade um den schönen Klang des Textes, der außerhalb des Rahmens "Aufgabe erledigt" nicht funktioniert.

Details:
Der Tag der Prophezeiung kam, als ihn niemand erwartete. Nicht einmal die waren vorbereitet, die fest an seine Existenz (natürlich in ferner Zukunft) geglaubt hatten.
…besser Gedankenstriche statt der Klammern (, die in erzählenden Texten eigentlich tabu sind).

Zuerst war da nur ein winziges, kaum wahrnehmbares Stolpern der Melodie, ein falscher Ton, ein schwaches Beben hier und da, aber so etwas passierte schon einmal, das war sicher nicht weiter schlimm ...
Dann kam der Lärm, wie er immer kam, nur die Wächter, erst ein wenig zu spät - wie schön, ... dann ziellos, wie blind ...
Umso mehr hatte sie das Leben genossen, ein Leben ohne Wächter, ein Leben wie im Paradies ...

Das ist ganz schön chaotisch – so als wäre dem Autor die Kontrolle über den Text verloren gegangen.



PS: Die Titel (in der LL) (vor allem nicht solche "profanen") sind nicht geschützt – wenn "Infektion" passender wäre (was es m.E. des Erklärungsgehaltes wegen tatsächlich wäre), dann darf der Text auch so "heißen".


NACHTRAG AM 16.7.2004:
Es gibt natürlich einen Titelschutz für Bücher – wenn die Titel "kennzeichnungsfähig" sind. Mehr unter: http://www.boersenverein.de/sixcms/detail.php?id=64554[/i]
 

endlich

Mitglied
Hallo jon,

danke für deinen Kommentar!

Zu den "Nebenbei"s:
1) Woran hast du denn gedacht beim Lesen?
2) Durch den letzten Huster, genau!

Wenn der Text verständlicher wird, dadurch, dass ich ihn umtaufe, wäre das natürlich in meinem Sinne. Ich habe nur gezögert, weil die Infektion bloß ein paar Zeilen tiefer steht. Ich dachte, das wäre nicht gerade nett.
Eigentlich gefällt mir der momentane Titel auch besser, eben weil man dann nicht festgelegt wird.

Die Klammern werde ich durch Gedankenstriche ersetzen.

Das Chaotische ist Absicht.
Es soll zeigen, dass sie sich sicher fühlt, obwohl sie (aus ihrer Sicht zusammenhanglose) Veränderungen wahrnimmt. Sie freut sich über die für sie paradiesischen Zustände (des zusammenbrechenden Immunsystems), ohne die Gefahr darin zu erkennen.

Ich muss nochmal nachdenken, ob ich das nicht irgendwie klarer kriege, und auch über den Titel.

Viele Grüße
endlich
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Woran ich dachte? An diese Viecher, die den Jedi-Rittern ihre Kräfte verleihen. (Bzw. sowas Ähnliches, was ich aber nicht verrate, weil ich da noch eine Story in der Schublade habe … ) Das kommt daher, weil du im "Vortext" was von Fantasy sagtest und Star Wars bekanntlich DIE Extrem-SF im Fantasy-Look ist.
 

endlich

Mitglied
ööhm ... Viecher?
Ich dachte immer, das wäre der Saft, oder die Macht, oder so??? :)
Habs aber nicht weiter verfolgt, als sie plötzlich noch Teil 1-3 und 7-299 rausgebracht haben, muss ich zu meiner Schande gestehen.
Bin aber gespannt auf die Geschichte aus deiner Schublade!
Mögen die Viecher mit dir sein?! ;-)

Ich wollte gar nicht festlegen, was der Leser zu denken hat, insofern finde ich es eigentlich schön und vor allem interessant, dass jeder etwas anderes hinein interpretiert.

Viele Grüße
endlich
 



 
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