Der letzte Traum

mountainhope

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Es war schon spät, als Sam den langen Gang zu den Duschräumen des Studentenwohnheims hinunterging.
Er fror etwas, denn der nur wenig beleuchtete Flur, in den die Zimmer von achtzehn Studenten nach rechts und links mündeten, war nicht beheizt, genausowenig wie die Etagentoilette und die Duschräume.
Aus einigen Zimmern tönte laute Musik, in anderen klapperten alte, mechanische Schreibmaschinen.
Seine Badesandalen platschten bei jedem Schritt wie watschelnde Gänsefüße auf den gefliesten Boden. Das Geräusch hallte zwischen den grauen, mit schlechten Grafittis besprühten Wänden wider und wurde sogar durch die Enge noch verstärkt.
Sam hatte ein Handtuch über seine Schultern gehängt, das er mit der rechten Hand festhielt. In der Linken trug er sein Rasierwasser, Schaum, Rasierer, Klingen und eine Flasche mit Shampoo. Eine weitere Plastikflasche mit Duschgel steckte vorn in dem Bündchen seiner Shorts.
Er mußte den gesamten Flur durchqueren, um zu den Duschräumen zu gelangen, denn sein Zimmer war das Erste neben der Eingangstür, die, dem Duschraum gegenüber, an der Stirnseite des Ganges lag.
Er schlenderte vorbei an häßlichen rot-blau-grünen Fratzen und an, in schwarzer Farbe, aufgesprühten Sprüchen wie: ´Fuck the huns´ oder ´Give me girls, I´m sexy!´.
Sam blieb vor der Tür zum Duschraum stehen und lauschte. Es dauerte eine Weile, bis das Echo seiner watschelnden Schritte verhallt war.
Nach einem Moment öffnete er die Tür und ging hinein, wandte sich dann nach links, zur Tür des Duschraums für Männer und öffnete sie.
In dem Mädchenduschraum rauschte Wasser und eine zierliche Stimme sang "Bohemian Rhapsodie" von Queen, aber nur die erste Strophe. Sam kannte die Stimme, es war Marlyn Smith. Sie studierte Geschichte und Biologie, und sie war schön. Sie trug ihre langen schwarzen Haare meist zu einem Pferdeschwanz gebunden, und aus ihrem hübschen Gesicht schauten ein paar niedliche, dunkle Augen.
Der Duschraum der Männer war leer und eiskalt. Sam ging hinüber zu einer Duschkabine und öffnete den Hahn für das warme Wasser. Dann ging er zu der Wand, die den Jungen- und den Mädchenduschraum teilte. Hier waren vier Waschbecken angebracht und eine mit Fliesen bedeckte Stufe. Sie war etwa 1 Meter hoch, sodaß man seine Klamotten hier ablegen konnte, ohne daß sie naß wurden.
Dicke Nebelschwaden erfüllten jetzt den Raum und Sam zog seine Shorts aus, nahm sein Duschgel und sein Shampoo und ging zu seiner Dusche.
Vorsichtig drehte er an dem Hahn für kaltes Wasser, bis es für ihn eine angenehme Temperatur hatte.
Er genoß diese Duschen am späten Abend. Mindestens jeden zweiten Tag ging er abends um 10 Uhr zum Duschen, wenn andere heftig lernten und sich auf den nächsten Schultag vorbereiteten.
Beim Einseifen bekam Sam etwas Shampoo in die Augen.
Mit geschlossenen Augen und einem beißenden Gefühl auf der Hornhaut, schlich er hinüber zu seinem Handtuch.
Er wischte es aus und immernoch blind, ging er wieder hinüber zur Dusche.
Plötzlich fühlte er eine leichte Berührung auf seinem Rücken, er erschrak und schleuderte herum.
"Wer ist da?"
Er nahm einen Schwall Wasser in seine, zu einer Mulde geformten Hände und wusch sich das Gesicht aus.
Da stand sie vor ihm.
So, wie Gott sie geschaffen hatte, schaute Marlyn Smith Sam mit ihren dunklen Augen an, das Mädchen, welches er schon so lange versuchte anzusprechen, sich aber niemals getraut hatte.
Wasser perlte an ihrer Haut herab.
"Hi, Sam." begrüßte sie ihn, als sei ein nacktes Mädchen in einem Männerduschraum das Natürlichste der Welt.
"Was machst du denn hier?" Sam war erschrocken.
"Duschen," und nach einem kurzen Augenblick fügte sie hinzu," mit dir."
Marlyn ging auf Sam zu und wischte über seine Brust als wolle sie sie von dem Wasser befreien.
"Ich hoffe du hast nichts dagegen."
Immernoch etwas verwirrt, schüttelte Sam nur den Kopf.
"Soll ich dir den Rücken einseifen?"
Etwas unsicher drehte sich Sam zur Wand.
Mit ihren zarten Händen trug Marlyn das Duschgel auf seine Haut auf.
Sie küßte seinen Rücken und streichelte an seinen Armen entlang. Ihre weichen Hände bewegten sich über seine Rippen und seine Hüfte, hinunter zu den Oberschenkeln.
Sams Herz begann zu rasen, und Blut schoß in seinen Kopf. Er schloß die Augen und genoß die zarten Küsse und die weichen Hände von Marlyn, die über seinen gesamten Körper wanderten.
Er drehte sich um und legte seine Arme auf ihre zierlichen Schultern. Zärtlich streichelte er ihr Gesicht und küßte ihren Hals. Ihr Kopf drehte sich leicht zur Seite, und Marlyn schloß die Augen.
Er zog sie an ich heran, dann fühlte er ihre weichen Brüste auf seiner Haut und er konnte spüren, wie auch ihr Herz begann, sich zu überschlagen. Er streichelte ihre Bauchdecke die sich immer schneller hob und wieder senkte.
Ein Beben ging durch Marlyns Körper.
Sam umfaßte ihre Hüfte und schob sie an die Wand.
Sie stöhnte und drückte ihre Fingernägel, als er in sie eindrang, in seine Haut.
Doch Sam spürte den Schmerz nicht. Er fühlte etwas ganz anderes. Wie ein Gewittergrollen zog es sich in ihm zusammen. Sam fühlte, wie sich ein gewaltiger Sturm in ihm aufbaute. Seine Muskeln waren zum Zerreissen gespannt. Mit jeder Bewegung wurde das Gewitter größer. Er atmete unregelmäßig, und sein Herz raste auf Hochtouren.
Marlyn hauchte immer wieder seinen Namen.
Er spürte, das auch sie kurz vor der Explosion stand.
Dann zogen sich all seine Muskeln zusammen und das Gewitter entlud sich in einem riesigen, alles verwüstenden Donnergrollen.
Marlyn zitterte am ganzen Körper.
Immernoch rauschte das Wasser der Dusche auf die beiden herab.
Blut floß von Sams Rücken und färbte es rosa, es war nicht viel, man konnte es gerade noch erkennen.
"Sam, ich liebe dich." sagte Marlyn und küßte ihn auf die Wange.
Sam war außer Atem und nickte nur.
Er strich über ihren Rücken.
Nach einem kurzen Moment sagte er: "Ich glaube, ich liebe dich auch."
Als Sam begann sich abzutrocknen, fragte Marlyn:
"Sehen wir uns morgen?"

Da flog die Tür auf und jemand stürmte herein.
Sofort lief Marlyn zu ihrem Handtuch und warf es um uihren Körper.
Es war Jim Cooper und er war betrunken.
Jim hatte eine Pistole in der Hand und er schaute Sam mit einem finsteren, unheilverkündenden Blick an.
"Du Schlampe," schrie er Marlyn an, "hast du dich nun von ihm ficken lassen?"
"Beruhige dich wieder, Jim. Es ist vorbei, das habe ich dir doch gesagt."
Ihre Stimme zitterte und aus ihren Augen blickte das pure Entsetzen.
Jim hob die Pistole an und zielte in Marlyns Richtung.
"Jim hör´ auf damit, das bringt doch nichts." Sie schrie.
Sam stand da, und betrachtete alles. Es kam ihm vor, wie in einem Traum oder einem billigen Film.
"Hey, Jim." rief er dem Bewaffneten zu und bewegte sich langsam zu Marlyn hinüber, "du hast doch gehört, daß sie nichts mehr mit dir zu tun haben will. Dann laß´ sie auch in Ruh´. Außerdem, so," Sam deutete auf die Waffe, "löst man solche Probleme erst recht nicht."
Jetzt stand Sam noch drei Schritte von Marlyn entfernt.
"Wenn ich sie nicht kriege, soll sie niemand haben." schrie Jim. Seine Augen waren rot vor Zorn.
Sam sprang auf und stürzte sich in Jims Richtung.
Da drückte Jim ab.
Der Knall zerfetzte die Luft und die Nebelschwaden, die im Raum hingen.

Die Kugel traf Sam direkt in den Kopf.
Sein Körper erzitterte in der Luft und schleuderte den Weg zurück, den er gesprungen war.
Marlyn schrie auf, warf ihre Hände vor das Gesicht und ging in die Knie.
Von außen wurde die Tür aufgestoßen. Sie flog Jim in die Seite, er taumelte und rutschte auf den nassen Fliesen aus. Die Pistole flog zu Boden und sauste zu der Dusche hinüber, wo sie liegen blieb.
Drei andere Studenten hatten den Lärm gehört und wollten nachschauen, was los war.

Sie hielten Jim fest bis die Polizei kam. Doch das war gar nicht nötig, sein Kopf hing auf der Brust und Tränen liefen über seine Wangen.
Immer wieder flüsterte er:
"Was hab´ ich nur getan, das wollte ich nicht?"
Marlyn kniete neben Sam, sie weinte.

Sie hatte ihn wirklich geliebt, schon lange. Wegen ihm hatte sie mit ihrem Exfreund Jim, einem bekannten Raufbold und Säufer, schlußgemacht.
Die Dusche übergoß die beiden mit mittlerweile kalt gewordenem Wasser.
Der Traum, der so schön hätte werden können, war zu einem Alptraum geworden, aus dem Sam niemals wieder aufwachen würde.
 

Templar

Mitglied
Abend

Hm, mein Eindruck von der Geschichte ist durchwachsen.
Ich finde, Du beschreibst einige Details zu genau, wie zB den genauen Inhalt von Sams Duschbeutel, oder diese Stufe, auf der die Studenten ihre Waschutensilien ablegen können.

Dann gefällt mir bei dieser Stelle hier etwas nicht:
>>Nach einem Moment öffnete er die Tür und ging hinein, wandte sich dann nach links, zur Tür des Duschraums für Männer und öffnete sie.
In dem Mädchenduschraum rauschte Wasser und eine zierliche Stimme sang "Bohemian Rhapsodie" von Queen, aber nur die erste Strophe. <<


Da fehlt mir eine gelungene Überleitung, wie ' er hörte, das jemand im mädchenduschraum sang..' oder so.

Tja, und was mir ein wenig merkwürdig vorkommt, ein Mädchen schleicht sich mal so mirnichts dirnichts zu einem Jungen unter die Dusche, bloss weil sie ihn sympathisch findet, aber ohne ihn näher zu kennen? Und dann beteuert sie gleich das sie ihn liebt? Kenn ich eher umgekehrt.*g* Naja das ist kein Kritikpunkt, in dem Fall handelt es sich halt um ein ausserordentlich lüsternes Mädchen.;)

Hm, und dann das Ende, wie Sam dann stirbt, das kommt mir alles etwas künstlich vor, so eine miniatur Tragödie, der schüchterne Held findet Liebe seines Lebens, alles erscheint suprer und dann isser tot.. ist nich so mein Fall (vielleicht find ich's einfach zu traurig *snief*) aber anderen gefällt es sicherlich.

Jo im Übrigen ganz gut geschrieben, gefällt mir.:)

Grüsse

Templar
 



 
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